Liebe Schachfreunde, dieses E-Mail habe ich von mehreren Leuten zugeschickt bekommen.
Sven Sorge ist und war immer ein kritischer Geist, der Schach liebt und eigene und auch unkonventionellen Ideen hat, die stets durchdacht sind. Er hat eine der ersten Schachschulen in Deutschland gegründet.
Die Fragen, wie sich Mannschaftskämpfe weiterhin entwickeln, wie Schachclubs sich sportpolisch aufstellen müssen, sind hochinteressant.
Der DSB hat mit den DSAM-Turnieren etwas großartiges für alle geschaffen, das Modell von Dr. Müller aus Stuttgart ist ebenfalls überall dort, wo es konsequent vertreten wird, ein absoluter Ankommer. Natürlich hat er Recht, dass im Breitenchachbereich sehr, sehr viel Luft nach oben ist, die Frage ist, wie man an diese Leute rankommt.
Die Homepage des Vereins RB Markkleeberg (RB heißt übringens weder Red Bull, noch Rasenballsport, sondern Randbauer) ist hier:
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Liebe Schachfreunde,
wir alle sind Mitglieder in Sachvereinen des Spielbezirks Leipzig. Diese haben unterschiedlichste Ziele. Die einen legen großen Wert auf die Männermannschaften, andere sehen sich eher im Seniorenschach, wieder andere schreiben sich die Nachwuchsarbeit auf ihre Fahnen. Vereinsabende sind hier und da recht unterschiedlich besucht, aber seien wir ehrlich: Die besten Zeiten mit vollen Spiellokalen und regen Vereinsabenden liegen längst hinter uns.
Doch eines haben wir gemeinsam: Wir sind alle im Punktspielbetrieb und/oder auf Meisterschaften – mancher mehr, mancher weniger – noch aktiv. Die Betonung liegt auf „noch“, denn viele Vereine sind von der Leipziger Landkarte verschwunden oder haben sich „wegfusioniert“. Darunter einstige Größen wie Lok Mitte, SF Stötteritz, ESV Delitzsch oder Lok Engelsdorf. In vielen anderen Vereinen sieht es auch bedrohlich aus. Die Mitgliederstatistiken in den Vereinen sind bei den meisten rückläufig. In den letzten 15 Jahren brachen allein im Spielbezirk Leipzig vier komplette Ligen im Männer-Spielbetrieb weg, teils mit 2 Staffeln: Die 2 und die 1. Stadtklasse Leipzig, die Kreisunionsliga und die 2. Bezirksklasse. Die bestehenden Teams wurde nach oben gezogen, die Spieler nehmen zum Teil immer mehr Fahraufwand auf sich. Aber ist das so gewollt?
Der Spielbezirk Leipzig droht quanititiv und qualitativ immer weiter hinter den Bezirken Dresden und Chemnitz den Anschluss zu verlieren.
Jeder weiß, dass ich durch die Schachschule Leipzig auch beruflich im Schach aktiv bin. Keine Angst, das soll keine Werbung sein. Aber ich kann mit gutem Recht und Gewissen sagen, dass ich durch die Vielzahl der von mir betreuten Schüler vom Anfänger bis zum späteren „IM“, eine große Breite an Schachspielern kennengelernt habe, die ihrerseits auch Schach-Enthusiasten in ihren Familien und im Freundeskreis haben: Eltern, Großeltern, Onkel, Tante, Nachbarn, Freunde, Kollegen… die einst selbst Schach spielten oder noch aktiv sind. Und das teilweise gar nicht mal erfolglos.
So sprach ich neulich mit einem Schach-Papa, Sohn eines nun 10-jährigen Talentes aus Taucha, der selbst als Jugendspieler fleißig aktiv war: Robert Queck, einst SVL 1899 bzw. SG Turm Leipzig. Zu unserem Familienschachturnier 2023 trat er mit dem Junior an, verlernt hat er nichts. Nur etwas aus der Übung gekommen… Lust/Zeit auf ein Turnier-Comeback? „Um Gottes Willen, nein!“, so die Antwort. Keine Zeit (Beruf), keine Lust (andere Hobbys), zu viele Verpflichtungen (Familienvater) etc… Wozu die Sonntage verderben, wenn man auch mal online zocken kann? Verständlich.
Weitere Spieler liefen mir über den Weg: Familie Dück (einst SVL/Lindenau): O-Ton derselbe… Ja, auch Spieler, die ich einst in meinen ersten Trainerjahren betreute, sind nun Mama/Papa und ich traf sie in neuer Rolle nach Jahren wieder. Der Spaß am Schach ist ungebrochen und die Erinnerungen an „gute alte Zeiten“ leben auch noch. Aber aktiv spielen? „Nö!“ Aber mal hobby-weise? „Ja, durchaus.“
Manche sind noch im Verein, wie bei uns Torsten Zuther, zweifacher Familienvater. Aber eher als Vereinsförderer (Beitragszahler), denn als Spieler. „Vielleicht wenn mein Großer anfängt.“ (Der „Große“ ist 4 Jahre).
Nun denn, das brachte uns in der BSG Grün-Weiß (ohnehin nicht als ambitionierter „Erwachsenen-Verein“ verschrien) auf eine Idee: Warum nicht mal mehr Hobby-Schach anbieten. Das „Schachzentrum“ in Leipzig lebt es im Sommer noch vor. Das traditionelle Kaffeehausschach – immer belächelt – scheint aber die Lösung. Gute alte Wiener Tradition.
Ich erfuhr von Leipziger Kneipen (nein, nicht das BiBaBo), die nach Corona für Online-Spieler plötzlich unter der Woche gut besuchte Präsenz-Turniere ausrichteten. Komischerweise waren keine aktiven Vereinsspieler vertreten. Dabei wollen viele spielen doch eigentlich gar nicht am Wochenende. Der SVS bietet längst keine Argumentationshilfen mehr, wenn es um Innovation geht, die Mitgliederentwicklungen umzudrehen. Breitenschach ist ein Stiefkind! Das sieht man schon an der Dominanz der Meisterschaftstermine, die gar keinen Platz mehr für was anderes lässt. Der JSBS – das ist umso tragischer, denn da geht es um kommende Schach-Generationen – verliert sich in Meisterschaften in „abgeranzten“ Jugendherbergen und ebensolchen Einrichtungen. Und das in inflationärer Häufigkeit. Halten wir so unseren Nachwuchs? Natürlich nicht! Das erleben wir ja ständig.
Warum fährt (scheinbar) nur unser Nachwuchs lieber in den Winterferien zu Turnieren als zur BEM nach Grethen? Weil wir unseren Kids zeigen, dass es diese Alternativen gibtund das Schachleben nicht nur von Grethen nach Sebnitz reicht.
Wir „Grün-Weiße“ gehen ohnehin schon andere Wege und die scheinen zu klappen. So zumindest unser Eindruck: Turnierbesuche statt Meisterschaften und Punktspiele. Die Geraer Schtage boten letzte Woche ihren über 220 Teilnehmern ein (entschuldigt meinen Ausdruck) richtig geiles Turnierambiente. Man muss nicht den 7./8. Spieler am Samstag-Abend noch betteln, dass er doch am Sonntag zum Punktspiel kommt. Im Gegenteil: Man fährt einfach mit denen, die „Bock haben“ auf Turniere. Wer meldet, fährt mit. Es geht zu fünft, zu sechst und auch der Neunte und Zehnte kann noch mit. Wer sich nicht zuckt, bleibt daheim. Und das funktioniert. Der harte Kern bildet sich schnell. Teamgeist garantiert.
Unsere Überlegungen, sogar den SVS als Dachverband zu verlassen, waren (und sind noch) aktuell. Denn es gibt andere Vereine, die genauso denken und Alternativen überlegen. Wenn auch nicht in Leipzig…
Doch Ende letzten Jahres entstand eine weitere Idee: Bedingt durch unsere Familienschachturniere und Angehörigenturniere (parallel zu Kinderwettbewerben wie unserem Weihnachtsturnier) kamen plötzlich immer häufiger Oma, Opa, Tante, Onkel zum Spiel und hatten Spaß. Nein, keine Ambitionen um aktiv zu werden. Aber um sich gelegentlich zu treffen und zu spielen.
Und so kam die Idee eines Familienschachvereins, der ein Auffangbecken für Hobby-Spieler ist und auch genau DAS nur (oder DAS BESONDERE) sein will: Abseits am Rand des Wettkampfbetriebs zu stehen und genau für die Spieler da sein, die nicht mehr wollen (oder nicht weniger). Denn eines ist auch klar: Die Online-Schachgemeinde, die sich zu Corona bildete, blieb in ihrer Parallelwelt und kam nie wirklich in unser aller Vereine an.
Da schließlich ausgerechnet der Papa eines (tatsächlich hochbegabten) Erstklässlers in unserem Verein und ehemaliger Hochleistungssportler auf allerhöchstem Niveau (Kugelstoß-Ex-Weltmeister David Storl) genau dieses Projekt „Familienschachverein“ für richtig hielt und als Vorstandsmitglied unterstützt, um Hobby-Spieler an Vereine ranzuholen, haben wir mit weiteren Mitgliedern den Neuseenländer Schachclub „Randbauer Markkleeberg“ gegründet. Wofür der Randbauer steht, weiß hier jeder, das muss nicht erklärt werden. Klar ist er die größe „Pflaume“ auf dem Brett, aber er darf es eben auch sein.
In Markkleeberg ist dieser Verein deshalb ansässig, weil wir dort eine Außenstelle unserer BSG Grün-Weiß Leipzig haben, den Landkreis einbeziehen wollen und dem Verein dort „Geburtshilfe“ durch Überlassung unserer Räume in Leipzig und Markkleeberg sowie von Spielmaterial geben wollen. Ob’s funktioniert? Das werden wir sehen.
Aber zur Idee des Vereins gehört es auch, Hobbyspieler ans Vereinsleben heranzuführen und mit aktiven Spielern anderer Vereine, in denen eben kaum oder gar keine Spieleabende mehr zusammenkommen, bei der Stange zu halten.
Nein, der RB Markkleeberg wirbt niemanden ab, denn der Verein wird DEFINITIV KEIN MITGLIED IM SVS! Daher suchen wir auch keine „Umsiedler“. Aber mitspielen können eure Mitglieder gern bei unseren Spieltagen oder Turnieren. Ja, so ein bissel habe ich auch immer zu den Schachfreunden nach Frohburg geschaut, deren lebendiges Konzept mit konstanten Turnierserien eigentlich genau unseren Sinn trifft.
Interesse?
Falls ja, dann sendet die Mail mal weiter an eure Mitglieder. Die können auch alles auf der Homepage des Vereins lesen: rb-markkleeberg.de. Der Startschuss soll im November erfolgen.
Falls nein, dann entschuldigt die Störung. Und viel Spaß weiterhin bei den SVS-Punktspielen…
Sportliche Grüße
Sven Sorge
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