September 14, 2024

Schwarzer Freitag der 13., Vincent stolpert zuerst. Ein Remis und eine Niederlage für deutsche Teams.

Dritte Runde – und die ersten schmerzhaften Dämpfer für die deutschen Teams, die ihre bisher porentief weißen Westen auf brutale Weise verloren. Ein schwarzer Freitag, der 13. “Wie bitter ist das denn?”, stöhnte am Ende der Live-Kommentator des Deutschen Schachbundes,
IM Georgios Souleidis: “Das hat sich hier ja noch richtig böse gedreht.” Die deutschen Männer verloren in dramatischen Endspielen gegen Litauen noch mit 1,5:2,5. “Ein trauriger Tag für Deutschland”, so Souleidis. “Wir hatten heute, beide Mannschaften, maximales Pech”, sagte GM Elisabeth Pähtz. Die Favoritenrolle wurde zur schweren Bürde.
Die Frauen waren wieder schneller durch – und wirkten sichtlich geknickt nach ihrem 2:2 gegen Slowenien. Auch hier sah es eigentlich nach Gewinn aus. Nummer acht gegen Nummer 28 der Setzliste – da hatten logischerweie alle mehr erwartet.
Oder, um es mit WGM Josefine Heinemann zu sagen, die heute frei hatte: “Zuschauen fühlt sich gar nicht gut an, eher katastrophal.” Sie hatte sich heute mit ihrem Freund
GM Eltaj Safarli getroffen, der auch bei der 45. Schach-Olympiade dabei ist – als Trainer von Aserbaidschan.
Auch, weil das Wetter mit fiesem Nieselregen schlecht war, landeten Josefine und Eltaj letztlich doch nicht beim Sightseeing – sondern auf dem Hotelzimmer im Livestream der Olympiade. Sie sahen, wie nur
WGM Hanna Marie Klek (gegen WIM Lara Janzelj) gewann. “Meine Gegnerin hat ein paar komische Entscheidungen getroffen – das konnte ich gut ausnutzen.”
GM Elisabeth Pähtz (gegen WIM Zala Urh) und IM Dinara Wagner (gegen
IM Laura Unuk) spielten Remis. “Sie hat mir einfach nichts angeboten”, sagte Pähtz, das Unentschieden somit folgerichtig. “Ich bin richtig enttäuscht”, meinte FM Lara Schulze nach ihrer Niederlage gegen Teja Vidic. Schulze hat ihre Partie dominiert und gut gespielt – ein Remis hätte gereicht, aber dann erfolgte in Zeitnot der Einbruch. Von den Mitspielerinnen gab es Trost.
Gedrückte Stimmung auch bei den Männern. Sie unterlagen als Nummer sieben der Setzliste gegen Litauen, Nummer 29 – ein Desaster. Besonders ärgerlich: Die unerwartete Niederlage der deutschen Nummer eins, Vincent Keymer. Wirkte seine Erkältung noch nach? Am
Vormittag meldete sich Keymer allerdings gesund – das stimmte alle hoffnungsfroh. Dafür fehlte übrigens ein anderer: Bundestrainer
GM Jan Gustafsson hatte Erkältungssymptome. Er wurde als Teamkapitän im Spielsaal vertreten durch Sportdirektor
Kevin Högy, der vorher schon realistisch einschätzte: “Keine leichten Aufgaben heute.” Er sollte Recht behalten. “Die Enttäuschung ist schon sehr groß”, sagte er danach, “das müssen wir erstmal verarbeiten.”
Keymer stolperte schon sehr früh, unterlag dem sehr gut vorbereitete GM Titus Stremavicius, der satte 200 Elo-Punkte weniger auf dem Konto hat. Doch lange wirkte es, als könnten die Teamkollegen das Duell noch drehen. Bis
GM Matthias Blübaum nur Remis gegen GM Paulus Pultinevicius spielte. GM Alexander Donchenko
unterlag in einem dramatischen Endspiel in Zeitnot noch gegen GM Valery Kazakouski. Lange hatte alles auf Sieg für Donchenko hingedeutet.
Nur GM Frederik Svane siegte erneut. Er holte damit drei Punkte aus drei Partien – und ist bisher der überragende deutsche Akteur. Wohlgemerkt bei seinem Olympiade-Debüt. “Er hat super viel Energie”, lobte Souleidis: “Diese Siegesserie hat er sich verdient.”
Die deutsche Ausnahme. Es lief ansonsten heute einfach vieles nicht rund. Und das passte ins Gesamtbild. Mit einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung nehmen immer mehr Spielerinnen und Spieler zur Kenntnis, dass eine scheinbare Selbstverständlichkeit
wie die Logistik nicht funktioniert. So läuft der Shuttleservice nun schon am dritten Tag “chaotisch”, wie es Pähtz formulierte.
Die deutschen Männer warteten vergeblich auf ihren Shuttlebus, dann auch noch auf die Ersatzlösung Taxi. Letztlich, so Högy, sei man froh gewesen, dass die Niederländer die deutschen Athleten mit in ihren Bus packten – so kam man zwar erst um 15 Uhr an, aber
immer noch pünktlich. Weil auch die Einlasskontrollen aus Angst vor Cheating sehr streng sind in der BOK Hall, mussten
Svane und Keymer sehr zügig zu ihren Brettern laufen.
Selbst der Superstar des Turniers, GM Magnus Carlsen, musste improvisieren. Man habe ihm gesagt, dass sehr viel Verkehr sei – und er es wohl nicht pünktlich schaffen werde. Der beste Spieler der Welt nahm sich kurzerhand ein Leihfahrrad, kam auf den letzten Drücker vor Partieverlust an – und schüttelte nur den Kopf über solche Pannen. Immerhin gewann er souverän.
Das sind die Heldengeschichten, die jetzt auch die deutschen Teams brauchen. Oder, um es mit Souleidis zu sagen: ”Noch sind erst drei von elf Runden vorbei. Ich bin sicher, die Deutschen werden sich zurückkämpfen.” (mw)

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