Günther Beikert: „Der Welt eine spielbare Stellung erhalten“
Conrad Schormann – Physiker, Lehrer, Klimaaktivist, Vater, Schachspieler, Sänger, Radfahrer: So steht es auf dem Twitter-Profil des Bundesligaspielers IM Dr. Günther Beikert, der in diesen Tagen seinen Schachurlaub am Tegernsee verbringt. Beikerts unmittelbares Anliegen bei der 24. Offenen Internationalen Bayerischen Schachmeisterschaft ist, ordentlich abzuschneiden. Aber sein eigentliches, wichtigeres, fundamentales Anliegen betrifft uns alle: Die Welt steht in Flammen, und uns rennt die Zeit davon, den Schaden zu begrenzen.
Herr Beikert, in der jüngeren Vergangenheit waren Sie bei Wettkämpfen nie ohne das Gens-una-sumus-Plakat mit der Welt in Flammen zu sehen. Aber jetzt am Tegernsee haben Sie es offenbar nicht dabei. Was ist passiert?
Das Plakat war bei der Bundesliga-Endrunde in Berlin verlorengegangen. Ich hatte es natürlich dabei, plötzlich war es weg und trotz allen Suchens nicht aufzutreiben. Mein Viernheimer Mannschaftskamerad Maximilian Meinhardt hat es schließlich doch gefunden – nachdem ich abgereist war. Wir sind einander seitdem noch nicht wieder begegnet, deswegen spiele ich hier ohne das Plakat.
Was unternehmen Sie, damit am Tegernsee trotzdem über die größte Herausforderung in der Geschichte der Menschheit geredet wird? Und darüber, um Sie zu zitieren, wie wir der Welt „eine spielbare Stellung erhalten“ können?
Naja, in erster Linie bin ich hier, um Schach zu spielen. Aber Teilnehmer, die mich als Klimaaktivist kennen, haben mich tatsächlich darauf angesprochen.
Als Klimaaktivist haben Sie jetzt sogar für den Baden-Württemberger Landtag kandidiert…
…und für den Bundestag! Gewählt worden bin ich aber nicht, das war auch nicht zu erwarten. Mir ging es bei der Kandidatur in erster Linie darum, Aufmerksamkeit fürs Anliegen zu erzeugen.
Sie haben die Schachgemeinschaft aufgefordert, sich einzubringen, ihren Teil beizutragen. Wir Schachspieler sind ja ein reisefreudiges Volk.
Das Reisen ist ein konkreter Aspekt, der speziell das Spitzenschach betrifft. Generell sollten sich alle Schachorganisationen den Pariser Klimazielen verpflichten, offensiv darüber reden und Verantwortung übernehmen.
Beim Bundesligisten SC Viernheim sind Sie ganz nah dran am Spitzenschach.
Wir haben uns als Verein den Klimazielen verpflichtet und beschlossen, den in erster Linie durch Flüge unserer Spitzenspieler verursachten CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Die Emissionen, für die wir verantwortlich sind, versuchen wir zu kompensieren. 2019 haben wir die Wiedervernässung eines Moores in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. Seit 2020 helfen wir einem Biowinzer aus der Pfalz, durch Humusaufbau CO2 zu binden.
Wollen Sie null Emissionen erreichen, dürfte zum Beispiel Großmeister Mamedyarov nicht nach Deutschland fliegen, um das erste Brett in Viernheim zu besetzen.
In letzter Konsequenz wäre das so, ja.
Wie wäre es mit einem neuen Modus, damit niemand mehr fliegen muss? Die Bundesliga könnte ja zumindest einen Teil der Serie hybrid austragen. Der Viernheimer Klima-Verpflichtung käme das entgegen.
Das haben wir tatsächlich mit unseren Spielern erörtert. Die Spieler finden mehrheitlich, dass ihnen die gespannte Schachatmosphäre fehlen würde, wenn jeder von zu Hause aus spielt. Und würde sich jede Mannschaft am Ort des Vereins versammeln, um von dort aus zu spielen, dann sind wir wieder bei den Flugreisen für die auswärtigen Spitzenspieler.
Sie sind ein Ur-Viernheimer.
Nachdem ich Schach von meinem Vater gelernt hatte, dem ehemaligen Präsidenten des Badischen Schachverbands, bin ich beim SC Viernheim schachlich groß geworden. In jungen Jahren habe ich mich nach und nach durch die Mannschaften bis nach oben gespielt. Glücklicherweise gab es immer Leute um mich herum, die meinen Ehrgeiz geweckt haben, mithalten zu können und besser zu werden.
Direkt nach diesem Gespräch wird Ihnen ein 2500-Großmeister gegenübersitzen. Sind Sie vorbereitet?
Ein wenig vorbereitet habe ich mich, aber nicht übermäßig intensiv. Zu viel Zeit mit der Vorbereitung zu verbringen, könnte mich Energie und Konzentration kosten, die ich später am Brett brauche.
Wie läuft es bisher am Tegernsee? Sind Sie zufrieden?
Ach. Blamieren will ich mich natürlich nicht, gerne verlieren tue ich auch nicht. Ich versuche schon, so gut zu spielen, wie es geht. Aber ich habe mir kein Ziel gesetzt, das ich unbedingt erreichen müsste.