Stehaufmädchen

(Ein Bericht von Andreas Jagodzinsky, 15.11.2022)

Wenn mich jemals ein Kampf hat altern lassen, dann war es das Spiel zwischen unseren Frauen und Leipzig in der vierten Runde. Die Floskel, dass etwas nichts für schwache Nerven ist, war selten so passend wie am Sonntag.

Nach dem Sieg gegen Rodewisch war die Stimmung bestens. Und nicht nur der Sieg in der Vorsaison, sondern auch die Elovorteile an den Brettern zwei bis fünf ließen uns optimistisch ins Spiel gehen.

Allerdings muss man festhalten, dass Leipzig hervorragend aus den Startlöchern gekommen ist. Ein Sieg und zwei Unentschieden (unter anderem gegen Königshofen!) hatten schon einen kleinen Abstand zu den Abstiegsplätzen wachsen lassen.

Ein Teil meines Optimismus beruhte auch darauf, dass wir an Brett sechs zwar leichte Elonachteile hatten. Aber mit dem Sieg gegen Anita Just hatte Catriona Dartmann Aubanell in der Vorsaison maßgeblich zu ihrem Ruf als Abstiegskampfspezialistin beigetragen. Natürlich ist so etwas nicht beliebig wiederholbar, aber ein solides Weißremis hätte mir schon gereicht.

Das solide Remis erzielte dann Lara Schulze an Brett eins. Sie hatte Schwarz. Ihre Gegnerin trug den IM-Titel.
Alles verlief nach Plan. 
Doch dann verschlechterte sich Catrionas Stellung rapide.

Allerdings hatten Luminita Cosma eine sehr angenehme Stellung. Gleiches galt für Eva Kulovana.

Unklar sah es sowohl bei Carmen Voicu-Jagodzinsky als auch bei Honorata Kucharska aus.

Catriona hatte ihrer Gegnerin nicht mehr viel entgegenzusetzen und verlor ihre Partie am Ende klar. Trotzdem war es wieder ein starkes Wochenende von unserer Jugendspielerin, die einmal mehr im Abstiegskampf überzeugt hatte.

Als die Zeitnot sich anbahnte, ruhte die Aufmerksamkeit vor allem auf Carmens Brett. Ich konnte die Stellung überhaupt nicht einschätzen und fand alles sehr kritisch, weil Carmen einen gefährlich aussehenden gegnerischen Freibauern bis d6 laufen ließ. Doch objektiv hatte Carmen wohl eine Glanzpartie gespielt und schickte sich nun an, den entscheidenden Schlussangriff einzuleiten. Doch in hochgradiger Zeitnot griff unsere elostärkste Spielerin daneben und vergab nicht nur ihren Vorteil, sondern stand völlig auf Verlust.

Vielleicht kam der Einsatz zu früh, aber unabhängig vom Pech in der Partie schien ihr das Zusammensein mit der Mannschaft gut zu tun.

Zurück zum Spiel. Aus einem gut laufenden Match war eine schier unlösbare Aufgabe geworden.

Eva stand zwar besser und sollte gegen eine nominell unterlegene Gegnerin irgendwann den vollen Punkt einfahren. Aber Luminita hatte zwar einen Bauern gewinnen können, allerdings zeichnete sich ab, dass das Läuferendspiel ungewinnbar war, weil ihre Gegnerin alle Einbruchsfelder unter Kontrolle hatte.

Die Augen richteten sich nun auf das Brett unsere Neuzugangs Honorata Kucharska.

Die 20-jährige Polin spielte wie am Vortag eine interessante Partie. Mir war nicht klar, ob sie besser stand.

Und auch sie befand sich in Zeitnot, die sie aber mit einem Mehrbauern überstand. Allerdings waren ihre Bauern am Damenflügel schwach.

Was dann geschah, entschädigte aber für alle Strapazen des bisherigen Kampfes. Honorata ignorierte ihre angegriffenen Bauern und brachte ihren Turm auf die siebte Reihe. Und plötzlich wurde klar, dass der gegnerische König auf f6 neben dem eigenen Doppelbauern auf e6 und e5 überhaupt nicht sicher stand. Sowohl ein Matt mit Türmen auf f7 und g7 als auch auf g7 und g6 drohte nun. Und auch der schwarze Läufer, der nun auf e8 zog, um die Felder g6 und f7 zu bewachen, war keine Hilfe mehr, weil unsere Spielerin mit ihrem Springer einfach Turm und Läufer aufgabelte.

Eine tolle Partie von Honorata brachte uns das 1,5-2,5.

Luminita fügte sich jetzt ins Remis, so dass nur noch Eva ihren Vorteil verwerten musste.

Und trotz knapper Zeit ließ die tschechische Großmeisterin, die zusammen mit Carmen schon so viele Schlachten für den SK Großlehna in der ersten und zweiten Bundesliga geschlagen hatte und möglicherweise dort die erfolgreichste Spielerin der Bundesligageschichte war, nichts mehr anbrennen. Trotz knapper Zeit erzwang sie mit präzisen Zügen die gegnerische Aufgabe.

Mit dem 3-3 verbesserten wir uns auf Platz acht.

Wie geht es weiter: Als nächstes werfen wir noch einen Blick auf Catrionas Gewinn vom Samstag und lüften das Geheimnis, warum Catriona eine Tasse und einen Teller am Wochenende spazieren führte.

Quelle: SV Hemer 1932

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