Harmonie lässt Niederlagen verblassen
IM Georgios Souleidis – Am 15. Oktober startete die Saison 2022/23 der Frauenbundesliga. Der Hamburger SK startete in Norderstedt gegen Deizisau und Baden-Baden. Der Teamgeist sorgte für viele harmonische Momente, die die Enttäuschungen an den Brettern vergessen machten.
Mein erster Einsatz als Teamchef in der FBL begann mit einer ähnlichen Hiobsbotschaft wie mein erster Einsatz als Teamchef im vergangenen Jahr in der 2. Bundesliga. Damals fiel ein Spieler krankheitsbedingt kurzfristig aus, dieses Mal schrieb mir Sarah Papp am späten Freitag Abend, dass ihr Flug von Budapest nach Hamburg wegen eines plötzlichen Schadens ausfällt. Zum Glück fand sie schnell einen Ersatzflug für den nächsten Morgen nach Berlin. Nach der anschließenden Bahnfahrt nach Hamburg trudelte sie nicht besonders frisch, wie ein Großteil des Teams, bei mir ein. Nach einer kurzen Stärkung ging es nach Norderstedt. Zu Beginn stand ein “Foto-Pflichttermin” mit Torsten Szobries, bei dem ich mich hiermit nochmal bedanke, auf dem Programm.
Um 14 Uhr startete das Match gegen die SF Deizisau. Da die Teams ungefähr gleichstark antraten, war ein spannender Kampf vorprogrammiert, der insgesamt über fünf Stunden dauern sollte. Von Beginn an hatte ich ein gutes Gefühl, denn insbesondere Alina Lampert und Diana Baciu spielten sich Vorteile heraus, während Monika Socko am Spitzenbrett, Sarah Papp und Lyubka Genova gleiche bis etwas bessere Stellungen verwalteten. Nur bei Antonia Ziegenfuß, die als neue und talentierte Spielerin uns seit dieser Saison verstärkt, hatte ich Sorgen. Sie versuchte ihre Raumnachteile durch taktische Finessen wettzumachen, doch leider war ihre Gegnerin Mara Jelica auf der Hut, wehrte alle Drohungen ab und brachte Deizisau mit 1:0 in Führung.
Nachdem ich in den ersten drei Stunden mehr in einem anderen Raum am Laptop arbeitete, wuselte ich in in der ersten Zeitnotphase vor 18 Uhr an den verbliebenen Brettern hin und her, um bei einem Remisangebot evtl. einzugreifen. Wie üblich war es in diesen Minuten für alle Beteiligten ein Nervenspiel. Sarah stand ausgeglichen, doch auf ihre Frage, ob sie remis anbieten “dürfte”, was sie vielleicht gar nicht ernst meinte, schüttelte ich nur den Kopf. Sie hatte in einem Schwerfigurenendspiel gegen Zoya Schleining die etwas bessere Bauernstruktur und mir war klar, dass objektiv nur sie gewinnen kann.
Nach der Niederlage von Antonia ging ich davon aus, dass Alina ihren lange souveränen Auftritt mit einem Sieg gegen Simona Gheng krönen würde, doch leider drehte sich hier die Partie. Zuerst verpasste unsere Spielerin den Sieg, bevor sie sich in einem schwierigen Endspiel mit König, Läufer und zwei Bauern gegen König und vier Bauern verrechnete und letztendlich sogar verlor – was für eine bittere Pille! In der Zwischenzeit hatte Lyubka gegen Jovana Rapport aber riesigen Vorteil herausgearbeitet. Von Beginn an spielte sie mit einem Läufer- gegen ein Springerpaar aber mit schlechterer Bauernstruktur. Ihr gelang es nach und nach die Läufer aktiv einzusetzen, die Stellung zu öffnen und entscheidend Material zu gewinnen – prima!
+Ungefähr zeitgleich endeten die Partien von Diana und Sarah. Diana zeigte in einer französischen Partie hervorragendes Verständnis für Dynamik und postierte ihre Figuren sehr aktiv. Ihre Gegnerin Dina Belenkaya hielt den Laden aber gut zusammen und im Endspiel sah es lange nach einem Remis aus. In der zweiten Zeitnophase gegen 19 Uhr lief Diana mit ihrem König leider an den Rand. Dort gefangen fand Belenkaya einen taktischen Trick, um den schwarzen König zu erlegen. Nach dieser weiteren Niederlage mussten zwei Siege her, um zumindest einen Matchpunkt zu retten. Sarah hatte sich inzwischen zwei Bauern ihrer Gegnerin geschnappt und obwohl sie ein schnelles Matt verpasste, gewann sie sicher im Turmendspiel – es keimte Hoffnung auf.
Die Partie am Spitzenbrett zwischen Monika Socko und Hanna-Marie Klek war nichts für schwache Nerven. In einem komplizierten Caro-Kann-Mittelspiel gerieten die Könige, obwohl die Damen getauscht waren, im Zentrum jeweils unter Beschuss. Monika gelang es dank eines sehr starken Freibauern den Läufer ihrer Gegnerin zu gewinnen. Mit König, zwei Türmen, einem Läufer und einem Bauern gegen König, zwei Türmen und zwei verbundenen Freibauern entstand ein sehr spannendes Endspiel, in dem in Zeitnot alles drin war. Letztendlich reichte es aber nur zum Remis, so dass wir das Match unglücklich mit 2,5:3,5 gegen Deizisau verloren. Unter diesem Link kann man die Partien dieses Kampfes aber auch die Partien der parallel ausgetragenen Begegnung zwischen TuRa Harksheide und OSG Baden-Baden nachspielen
Die Enttäuschung hielt sich insgesamt in Grenzen. Im Beisein von Wolfgang Springer, der als Schachfan und Sponsor auftrat, und David Chyzynski, die das Team den gesamten Nachmittag anfeuerten und beim Essen am Abend begleiteten, war die Stimmung wieder prächtig.
Nach einem kleinen “Gelage” mit typischen griechischen Speisen wie Gyros, Bifteki oder Moussaka gab es für Monika Socko, die Ende August die Frauen-Europameisterschaft in Prag gewann, als Lohn eine süße Überraschung.
Am Sonntag stand noch das Match gegen die deutschen Meisterinnen von OSG Baden-Baden auf dem Programm. Die nominellen Unterschiede waren an diesem Wochenende deutlich, doch ich hoffte natürlich auf eine Überraschung. Leider verlief der Kampf aber sehr einseitig. Sarah lief in eine Vorbereitung von Elisabeth Pähtz und musste früh die Segel streichen. Steffi Scognamiglio, die für Alina ins Team kam, kämpfte aufopferungsvoll gegen Ketevan Arakhamia-Grant, musste aber genauso wie Diana, Antonia und Lybka kapitulieren.
Nur Monika gelang am Spitzenbrett ein Remis, sodass die Titelfavoritinnen locker mit 5,5:0,5 siegten. Das ist kein Beinbruch, denn die Punkte müssen in dieser Saison anderweitig gewonnen werden. Die Partien dieses Kampfes können unter diesem Link nachgespielt werden.
Alle Infos zur Frauenbundesliga – wie Ergebnisse und Tabelle – gibt es auf der Webseite des Deutschen Schachbundes.
In der FBL geht es am 12./13. November weiter. Wir reisen nach Schwäbisch Hall und spielen gegen die Gastgeberinnen, das nominell stärkste Team nach Baden-Baden, und gegen die Aufsteigerinnen Bayern München.
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