Revolutionen sind meist schnelle, laute und schlagartige Umwälzungen. Anders beim Schach, wo sich in den letzten Jahrzehnten eine allmähliche aber stetige Entwicklung eher evolutionär vollzogen hat. Ein schrittweiser Wandel, der sich nun zu einem globalen Schachboom gesteigert hat, der unser Spiel komplett verändert hat und weiter verändern wird. Dies ist die Kernthese von „Schacheuphorie“, dem neuen schachkulturellen Überblickswerk von Peter Doggers. Das Buch wird von DSB-Mitarbeiter Veit Godoj rezensiert:
Der 49-jährige holländische Schachjournalist ( https://peterdoggers.com) ist selbst seit Jahrzehnten ein Spieler von Meisterstärke, der mit zwei erreichten IM-Normen und einer höchsten Elo-Wertung von 2292 ein hohes Schachverständnis besitzt. Als Direktor für Nachrichten und Events bei Chess.com, der größten kommerziellen Schachplattform der Welt, verfügt er über ein großes Netzwerk und Zugang zu vielen Hintergrundinformationen aus der Welt des Schachs.
Doggers journalistische Professionalität und seinen Kenntnisreichtum spürt man durchgängig bei der Lektüre von „Schacheuphorie“. Und natürlich sein Herz fürs Schach. Auf fesselnde Weise nimmt er den Leser an die Hand und nimmt ihn mit auf die Reise vom mittelalterlichen Schach bis in die Gegenwart, die von Algorithmen und neuronalen Netzen geprägt ist. Dabei bespricht er auch heikle Themen wie etwa Cheating und Schachsucht. Doggers geht auch der Frage nach, wer von den „großen Dreien“, Fischer, Kasparow und Carlsen, denn nun der Allergrößte des Schachs – „GOAT“ = Greatest of all times – ist, und warum.
Zwei Fakten aus „Schacheuphorie“ beleuchten beispielhaft das aktuelle Ausmaß der Schachrevolution. Da ist zum einen das Wachstum der Internetplattform Chess.com: „Im Frühjahr 2024, (…), hatte das Unternehmen insgesamt 714 Mitarbeiter und 167 Millionen registrierte Nutzer (40 Millionen monatlich aktiv), was es zum bevölkerungsmäßig neuntgrößten „Land“ auf unserem Planeten machte – gleich hinter Bangladesch und weit vor Russland. Eine Schachplattform erobert die Welt. Zum anderen habe Magnus Carlsen seinen Spielstil nach dem Studium von KI Alpha Zero-Partien verändert und angepasst, ja eine ganz neue Sichtweise aufs Schach entwickelt. Grundlage hierfür sei das Werk „Game Changer“ von Matthew Sadler und Natasha Regan aus dem Jahr 2019 gewesen. Dabei habe Carlsen gelernt „z.B. mit einem Bauern am äußersten Rand vorzurücken, Bauern zu opfern und flexibler mit dem Konzept der Königssicherheit umzugehen – eine wirklich inspirierende Geschichte für jeden Schachfan“ (Seite 245).
Das Fazit unseres Rezensenten: Peter Doggers ist ein Meisterwerk der Schachliteratur gelungen. Denn wer die Leidenschaft für unser großes Spiel verstehen will, muss wissen, was es im Inneren bewegt und wie es geworden ist, was es heute ist. Und dies erfährt man in diesem Buch, das selbst mit viel Leidenschaft geschrieben wurde, was man auf jeder Seite spürt. „Schacheuphorie“ ist ein Standardwerk im besten Sinne. Eine ideale Darstellung der Schachkulturgeschichte für Einsteiger, Neugierige und einfach Schachinteressierte.
Aber auch für den erfahrenen Schachfan ist die Lektüre ein Erlebnis. Ein Partienteil im Anhang zeigt eine Auswahl historisch herausragender Partien. Der einzige kleine Kritikpunkt: Bei der Fülle an interessantem Material wäre ein Sachregister neben dem Quellenverzeichnis im Anhang hilfreich gewesen.
Das Buch ist im Ullstein Taschenbuch-Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro. Ein ideales Last-Minute-Weihnachtsgeschenk für alle, die mehr über unser königliches Spiel erfahren möchten.
Den ganzen Artikel und das Interview findet Ihr auf der DSB-Website:
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