Dezember 11, 2024

Inklusion im Schach: Klappt sehr oft – leider nicht immer! Interview mit einem Betroffenen

Im November fand die erste Deutsche Meisterschaft für Menschen mit Behinderung statt, sicherlich ein Meilenstein. Ziel des Schachspiels ist es aber, dass Menschen mit und ohne Behinderung miteinander spielen.

Es gibt Menschen mit Handicap, welches man sofort erkennt (Rollstuhl, Blindenstock), aber es gibt eine hohe Zahl von Behinderungen, die äußerlich nicht erkennbar sind.

Ich habe mt Hern Klein lange telefoniert, war ein tolles Gespräch, ich hoffe, seine Wünsche erfüllen sich!

Das Fidemotto lautet: Wir sind eine Familie, das sollte für jeden Schachlcub, für jedes Open, für jedes Schachevent gelten!

1) Bitte stellen Sie sich kurz vor, Herr Simon Klein.

Erstmal vielen Dank, dass Sie mich interviewen, Herr Rädler! Ich spiele mit der Mannschaft der Königsjäger Hungen in der Bezirksliga Frankfurt, meine aktuelle DWZ ist 1356. Seit 2013 nehme ich außerdem regelmäßig an nationalen Turnieren verschiedener Couleur teil und engagiere mich seit 13 Jahren u. a. im Bereich Hochschulschach, wo ich schon mehrere (überregionale) Turniere ehrenamtlich organisieren durfte.

2) Kürzlich fanden die ersten Deutschen Meisterschaften der Menschen mit Behinderungen statt. Es gibt Behinderungen, die man sofort sieht wie bei einem Rollstuhlfahrer oder einem Blinden und solche, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Unter welcher Behinderung leiden Sie, wie wirkt sich diese aus? Wie erschwert sie Ihr Leben?

Ich habe eine leichte Form von Autismus, wobei mich das hiermit einhergehende Leiden unter Reizüberflutung am meisten einschränkt und auch bei der Ausübung meines geliebten Schachspiels einschränkt. Allerdings spreche ich – trotz eines Schwerbehin-dertenausweises – lieber von einem Merkmal oder einem KLEINen Handicap. (lacht)

Das können – je nach Tagesform – schon relativ leise Geräusche, leichte Bewegungen sowie generell überraschende Vorkommnisse bzw. Veränderungen unterschiedlicher Art – kurz: eine Flut an Informationen – sein, die mich irritieren bzw. ablenken. In meinem Alltag verzichte ich deshalb ganz bewusst auf ein Smartphone und nutze, wenn irgend möglich, die Randzeiten im ÖPNV. Solch kleine Maßnahmen in Kombination mit der Auf-rechterhaltung von Routinen helfen mir oftmals schon, auftretende Reize zu minimieren bzw. besser hiermit umgehen zu können.

3) Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem, wie Sie sagen, kleinen Handicap bei Schachturnieren?

Überwiegend positiv! In aller Regel wird meinem Bedürfnis, an einem festen, separaten Brett zu spielen, seit 2018 entsprochen. Dieses befindet sich üblicherweise in einer Ecke möglichst weit vom jeweiligen Ein- bzw. Durchgangsbereich entfernt, wo die störenden Einflüsse erfahrungsgemäß am niedrigsten sind.

Anders verhält es sich jedoch beim Heusenstamm Sparkassen Open, dem größten Turnier in Hessen, an dem ich in der Vergangenheit gerne teilgenommen habe. Dort werde ich vom Turnierleiter seit drei Jahren massiv ausgegrenzt und habe trotz meines frühzeitigen Hinweises und dem Angebot, ein ärztliches Attest vorzulegen, 2021 kein separates, ja nicht mal ein festes Brett erhalten. Dieses wurde mir erst 2022 nach Intervention durch den früheren DSB-Vizepräsidenten Ralph Alt gewährt. Danach nahm das willkürliche Verhalten des Turnierleiters weiter zu. So durfte ich trotz ordnungs-gemäßen Anmeldungen in den folgenden beiden Jahren nicht mehr teilnehmen, bloß weil ich 2022 aus Versehen kurzzeitig einen Stromstecker, an dem ein Ergebnismonitor angeschlossen war, gezogen hatte, was mir leid tat und ich auch zeitnah mitteilte. Der Vorsitzende des SC Heusenstamm berief sich bei meiner persönlichen Nachfrage nach einem Grund für den Ausschluss auf ein angebliches Hausverbot, was er und der Bürgermeister mir erteilt hätten, was sich durch Klärung mit Letzterem – für mich wenig überraschend – als reine Schutzbehauptung entpuppte.

Von der diesjährigen hessischen Einzelmeisterschaft wurde ich de facto ebenfalls ausgeschlossen, nachdem der dortige Turnierleiter, ein nationaler Schiedsrichter, überra-schenderweise nicht willens war, mir ein Brett im Eck zuzuweisen. Statt dessen sollte ich die 1. Runde mitten im Turniersaal, nur ca. drei Meter von dessen Eingangsbereich entfernt, an einem Tisch mit zwei Brettern spielen – mehr Reize gehen wohl kaum. Das zu erwartende Szenario löste Panik in mir aus und führte unweigerlich zu meinem kurz-fristigen Rücktritt, der mir in der Seele wehtat. Vollkommen absurd wurde es dann im Nachhinein, als der Präsident des Hessischen Schachverbands mich wegen meines unangekündigten Abbruchs für das Turnier im kommenden Jahr sperrte. Derlei Verhaltensweisen finde ich schlichtweg skandalös, mal ganz abgesehen davon, dass diese nicht im Sinne des (inklusiven) Schachs sind.

4) Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

(Nur) von manchen würde ich mir wünschen, dass sie Art. 12.2.6, der die Schiedsrich-ter*innen verpflichtet, „besondere Maßnahmen im Interesse behinderter Spieler und derjenigen, die medizinische Betreuung benötigen“, zu ergreifen, besser umsetzen bzw. sich für eine gemeinsame Lösung offen zeigen. Bei Mitspielenden fände ich es schön, wenn sie gelassener mit ihnen anfangs vielleicht ungewohnt oder gar seltsam erschei-nenden Abläufen umgehen könnten. Ab und an gibt es noch leicht überraschte bis teils sogar störrische Reaktionen, wenn ich mitteile, vor Rundenbeginn schon mal an mei-nem separaten Brett Platz nehmen zu wollen, noch ehe ausgelost wurde, um mich dort auf die bevorstehende Partie einzustimmen.

Last not least: Der Referent für Inklusion im DSB ist meiner Ansicht nach zu sehr auf das Labeling einer (Nicht-)Behinderung im gesetzlichen Sinne fixiert und hat trotz meiner wiederkehrenden Hinweise im Heusenstammer Fall beispielsweise nicht erkennen kön-nen oder wollen, dass es sich dort um eine fortwährende Exklusion aus Animositäten seitens des Veranstalters handelte.