Dezember 11, 2024

Interview des Monats mit Reinhard Wegelin: «Ich habe mich auf einfache Systeme konzentriert»

Markus Angst Reinhard Wegelin, Schweizer Fernschachmeister 2024, strebt die IM-Norm an. Dies ist alles andere als einfach.

Reinhard Wegelin beschäftigt sich täglich mit Schach auf verschiedenen Ebenen.

Sie sehen erholt aus. War das neunrundige Herbst-Turnier in Arco beim Gardasee für Sie erfolgreich?

Ich spielte bereits zum vierten Mal in Arco. Es ist ein gutes Treffen zwischen Profis und Amateuren aus aller Welt.

Was haben Sie konkret erreicht?

In neun Partien habe ich 4½ Punkte geholt. So gut war ich in Arco noch nie.

Worauf ist diese gute Leistung zurückzuführen?

Auf eine seriöse Eröffnungsvorbereitung. Im Nahschach habe ich aber nicht so grosse Ziele.

Wie sieht denn diese Eröffnungsvorbereitung konkret aus?

Ich habe mich auf einfache Systeme konzentriert, die ich mit Chessable trainiert habe.

Was können Sie noch verbessern?

Gegen stärkere Gegner konnte ich zwar lange Zeit mithalten, aber am Schluss verlor ich doch aufgrund von «blöden Fehlern». Insbesondere im Mittelspiel muss ich noch besser und aufsässiger werden.

Aufsässiger? Was bedeutet das?

Meine Ideen müssen noch besser koordiniert werden. Da ich seit kurzem einen Trainer habe, bin ich zuversichtlich, dies hinzukriegen.

Sie wollen folglich noch besser werden? Die Fernschach-Meisterschaft in der Schweiz haben Sie ja in diesem Jahr schon gewonnen.

Die Fernschach-Meisterschaft in der Schweiz habe ich zum zweiten Mal nach 2021 gewonnen, wobei in diesem Jahr IM Oliver Killer und IM Peter Wölfelschneider gemeinsam mit mir den 1. Rang geteilt haben.

Sie haben den Titel CCM. Was heisst das?

Correspondence Chess Master.

Der IM-Titel fehlt Ihnen noch.

Ja, das ist mein grosses Ziel. Ich benötige nur noch eine IM-Norm.

Ihre ELO-Zahl im Nahschach ist in den letzten Jahren jedoch stark gesunken.

Nach meinem Sieg beim Zürcher Weihnachts-Open 2010 erreichte ich 2011 ELO-Punkte. Das war ein Highlight, der nicht so einfach zu bestätigen ist. 2017 erlitt ich zudem einen Hirnschlag, der mich auch im Schach etwas zurückwarf.

Etwas zurückwarf? War dies nicht ein starker Einschnitt in Ihr Leben und beim Schachspiel?

Im Leben war es schon ein grosser Einschnitt, aber im Schachspiel weniger, da mein Hirn nicht direkt betroffen war. Alle meine Bewegungsabläufe sind jedoch viel schwieriger geworden.

Spüren Sie beim Schachspiel eine stärkere und schnellere Ermüdung oder Konzentrationsschwierigkeiten?

Das kann es geben. Erstaunlicherweise kann ich jedoch auf meine grosse Spielroutine zurückgreifen, und manchmal gibt es halt nur ein Remis.

Sie gehen somit haushälterischer um mit Ihrer Energie?

Ja, das kann man so sagen.

Wie wichtig ist Ihnen das Schachspiel in Ihrer gegenwärtigen Lebensphase?

Sehr wichtig. Ich beschäftige mich täglich mit diesem Spiel auf unterschiedlichen Ebenen.

Wie sehen diese Ebenen aus?

Als Historiker ist es offensichtlich, dass ich mich für die Geschichte des königlichen Spiels interessiere. Zusätzlich lese ich auch Biografien über berühmte Schachspieler und Schachspielerinnen. Ausserdem bedeutet es mir viel, Meisterpartien nachzuspielen.

Welches Schachbuch lesen Sie zurzeit?

«Perpetual Chess Improvement» von Ben Johnson.

Und wie sieht ihre Technik aus, um konstant besser zu werden?

Ich spiele Turniere und analysiere die Partien endlich genau mit einem kompetenten Schachtrainer.

Interview: Graziano Orsi

Reinhard Wegelin persönlich

Wohnort: Pfäffikon/ZH.

Alter: 57.

Beruf: Diplom-Bibliothekar, Historiker und Journalist.

Hobbys: Schach.

ELO (Schweiz): 1787.

Klub: Pfäffikon.

Lieblingsschachspieler(in): Der georgische Spitzenspieler Baadur Jobava und Hikaru Nakamura.

Schach-Buchtipp: «Perpetual Chess Improvement« von Ben Johnson.