Ein Bericht von GM Hertneck
Am Samstag den 9. November 2024 war es mal wieder so weit: der ukrainische Spitzengroßmeister Pawel Eljanow traf sich mit seinem Schützling IM Leonardo Costa, begleitet von dessem Vater Vincenczo zum Einzeltraining in München Giesing. Doch diesmal war es etwas anders als sonst, denn auch Sponsor Roman Krulich und GM Gerald Hertneck waren vor Ort, um ein Interview zu führen.
Roman Krulich ist ein Name, den man im deutschen Schach eigentlich nicht mehr vorzustellen braucht, aber der Vollständigkeit halber tue ich es trotzdem. Die Liste seiner Aktivitäten im Schach ist lang: Unterstützung diverser Bundesliga-Mannschaften seit den 90er Jahren, Mitbegründer der Münchener Schachakademie im Jahr 2005, Gründer der Münchener Schachstiftung im Jahre 2007, Sponsor des FIDE Frauen Grand Prix 2023 in München, Sponsor der Nationalmannschaft der deutschen Frauen seit 2024 und zuvor der Powergirls (2022 bis 2023), Privatförderer von WGM Dinara Wagner seit 2024, und auch Sponsor einzelner talentierter Nachwuchsspieler, und genau darum soll es heute gehen.
Schon zu Beginn des Jahres 2024 hatte er eine Fördergarantie für unser Riesentalent FM Christian Glöckler, befristet auf zwei Jahre abgegeben, und seitdem trainiert Pawel einmal monatlich mit ihm. Doch damit nicht genug: zur gleichen Zeit unterstützte er auch ein monatliches Training zwischen dem wohl stärksten deutschen Nachwuchsspieler IM Leonardo Costa, der aktuell den Sprung auf Elo 2501 geschafft hat, und dem Spitzenspieler von MSA Zugzwang, GM Pawel Eljanow. Leonardo braucht übrigens noch zwei Normen für den begehrten GM-Titel. Aktuell ist er 16 Jahre alt und in der 11. Klasse.
Interessant ist die Frage, wie der ukrainische Großmeister Eljanow eigentlich nach München kam. Nach dem Kriegsausbruch verlegte er seinen Wohnsitz mit seiner Familie zunächst in die arabischen Emirate, wo er GM Salem Saleh ein Jahr lang trainierte. Zugleich hatte er auch über den Münchener Schachclub 1836 ein Angebot erhalten, für diesen Verein in der deutschen Bundesliga zu spielen. Doch nach einer Saison reizte ihn ein Wechsel, und er fragte bei München Zugzwang an, und zwar wiederum bei Roman Krulich. Im Ergebnis war man sich schnell einig, und seit der Saison 2023/24 spielt er am ersten Brett (unter Käptn Hertneck) für Zugzwang, und verlegte seinen Wohnsitz nach München. Demnächst fliegt er übrigens nach Singapur zur Schach-WM, wo er zusammen mit anderen renommierten Trainern ein Trainingscamp für talentierte Nachwuchsspieler betreut. Er sieht sich inzwischen zu 70% als Schachcoach und zu 30% als Schachprofi. Selbstkritisch sagt er von sich, dass er immer noch nicht gut genug Deutsch gelernt hat – ein Thema das anscheinend viele Ukrainer in diesem Lande begleitet.
Doch zurück zu Leonardo Costa, von dem wir auch ein bisschen mehr erfahren möchten. Stets begleitet von seinem Vater, der seinen Sohn seit über 10 Jahren unterstützt, hatte er mit 6 Jahren schon seinen ersten Schachtrainer, und zwar den Münchner Thomas Beckers. Wenig später belegte er dann einen Ferienkurs in der Münchener Schachakademie – so kreuzen sich die Wege. Auch sein Schulpraktikum absolvierte er Jahre später übrigens in der Münchener Schachakademie. Da er in der G13 ist, wird er in gut zwei Jahren sein Abitur machen. Sein Spielstil ist taktisch geprägt. Er erhielt vor einigen Jahren auch eine Sonderförderung des Deutschen Schachbunds. Besonders in den letzten beiden Jahren hat sich seine Spielstärke sehr stark entwickelt, und seine Elozahl schnellte nach oben. Ein Höhepunkt für ihn war das Angebot im Sommer 2024 über GM Sebastian Siebrecht, zum HSK 1830 zu wechseln, unterstützt von Sponsoring durch Jan Büttner. Wäre dieses Angebot nicht gekommen, wäre Leonardo wohl zum FC Bayern gewechselt, mit dem er auch in Verhandlungen stand. Aktuell steht Leonardo in der Weltrangliste U16 übrigens auf dem 13. Platz, wobei einige jüngere noch vor ihm sind.
Und wie sieht nun genau das Training zwischen unseren beiden Protagonisten aus? Der Hammer vorweg: es dauert 6 Stunden lang, unterbrochen von einer halben Stunde Pause. Inhalt sind sowohl Eröffnungstraining als auch Strategie und Taktik. Pawel lobt an Leonardo, dass er sehr ehrgeizig ist, viel an seinem Schach arbeitet, auch zu Hause. Sein Potenzial sieht er bei mindestens Elo 2600. Und das ist aus dem Mund eines Trainers wie Pawel sicher keine Übertreibung!
Noch einmal zurück zu Roman Krulich: was genau ist seine Motivation, Leonardo zu sponsern? Ganz einfach, er ist der mit Abstand beste Münchener Spieler, und die Idee des Trainings mit dem besten Münchner Großmeister lag nahe. Natürlich wird dieses Training auch im nächsten Jahr fortgesetzt. Und die Förderung der deutschen Spitzenspielerinnen? Hier sieht Roman die Lage nüchtern: Männer haben es generell im Schach leichter als Frauen, und so müssen Frauen stärker gefördert werden. Roman ist es aber auch ein Anliegen, Schach nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite zu fördern, und genau das tut er über die Münchener Schachstiftung, die jährlich etwa 1000 Kinder, Jugendliche und Senioren fördert.
Zum Abschluss des Treffens habe ich Roman auch gefragt, wie er die Chancen von MSA Zugzwang in der bald beginnenden Zweiten Bundesliga Süd sieht. Hier hofft er auf ein Abschneiden unter den besten drei Mannschaften, auch wenn es schwierig ist, eine Prognose abzugeben, weil die Liga sich völlig neu zusammengesetzt hat. In der ersten Bundesliga sieht er den Verein nicht mehr, weil die Liga immer stärker geworden ist. Was ihm auch am Team gefällt, ist die gelungene Mischung von deutschen und österreichischen Spielern. Und natürlich auch das traditionell gute Mannschaftsklima! So lässt er es sich nicht nehmen, die Manschaft einmal pro Saison einzuladen.
Abschließen möchte ich diesen Bericht mit einem großen Dankeschön an Roman, den ich nun seit über 40 Jahren kenne, und ohne den das deutsche Schach, und speziell das Münchener Schach viel ärmer wäre. Danke Roman, du bist der Beste, mach bitte weiter so!
GM Gerald Hertneck
More Stories
Schach – der langweiligste Sport der Welt?
Schach-WM in Singapur ohne Reiz? Ein Beitrag von GM Gerald Hertneck