Die geringe Anzahl an Frauen im Schach ist ein Thema, das den Deutschen Schachbund (DSB) seit vielen Jahren beschäftigt. Die Bemühungen des Verbands, das Interesse von Frauen für Schach zu wecken und mehr Frauen in den Schachklubs zu halten, sind bisher jedoch nur mit mäßigem Erfolg gekrönt. Verschiedene Initiativen und Maßnahmen wurden umgesetzt, um den Anteil der Frauen zu erhöhen, doch die Ursachen für die niedrige Beteiligung bleiben komplex und tief verwurzelt.
Vergleich zu anderen Sportarten und Geschlechterrollen
Eine interessante Beobachtung stellt der Vergleich mit anderen Sportarten dar, wie etwa dem Pferdesport, wo die Geschlechterverteilung umgekehrt ist: Dort sind Frauen deutlich stärker vertreten. Möglicherweise lässt sich dies darauf zurückführen, dass Frauen und Männer einfach unterschiedliche Interessen und Neigungen haben, was vollkommen legitim und akzeptabel ist. Diese Eigenheiten zu respektieren, könnte erfolgreicher sein, als durch Quotenregelungen oder beitragsfreie Mitgliedschaften das Interesse an einer Sportart künstlich zu steigern. Ein erzwungenes Interesse wird kaum langfristige Begeisterung schaffen.
Schach und seine Darstellung als elitäre Denksportart
Ein weiterer Faktor, der das Interesse von Frauen möglicherweise dämpft, ist die historische Darstellung von Schach als elitäre und intellektuelle Disziplin. Diese Wahrnehmung, die der DSB in der Vergangenheit selbst mit geprägt hat, hat Schach als Sportart für „die besonders Intelligenten“ dargestellt, was möglicherweise einschüchternd wirkt und nicht gerade einladend für Menschen ist, die keine Schacherfahrung haben.
Schach für Kids e.V. – Erfolgsmodell im frühen Kindesalter
Hier setzt Schach für Kids e.V. erfolgreich an. Der Verein hat sich darauf spezialisiert, das Schachspiel in die frühkindliche Bildung zu integrieren und pädagogische Fachkräfte das nötige Wissen und die Werkzeuge an die Hand zu geben, um Kindern ab drei Jahren Schach näher zubringen. Dabei haben bisher rund 3.500 pädagogische Fachkräfte die Lernmethoden des Vereins durchlaufen, von denen etwa 90 % Frauen sind. Ein bemerkenswerter Aspekt ist, dass 95 % dieser Frauen zuvor keine Erfahrung im Schachspiel hatten und oftmals sogar eine gewisse Hemmung verspürten, das Spiel zu erlernen. Mit der eigens entwickelten Methode „Chipschach“, die spielerisch und kindgerecht aufgebaut ist, wird jedoch nicht nur die Scheu vor dem Spiel genommen, sondern auch ein Gefühl von Spaß und Begeisterung vermittelt.
Diese Methode ist ein Paradebeispiel dafür, wie durch innovative Herangehensweisen Berührungsängste abgebaut und Neugier geweckt werden kann. Die Fachkräfte, die an den „Chipschach“-Seminaren teilnehmen, verlassen diese stets mit einer positiven Einstellung zum Schachspiel und vermitteln diese Begeisterung wiederum an die Kinder. Die Arbeit von Schach für Kids e.V. zeigt, dass niedrigschwellige und altersgerechte Ansätze neue Zielgruppen für das Schachspiel erschließen können – sowohl Kinder als auch Erwachsene.
Wissenschaftliche Erkenntnisse: Geschlechterspezifisches Spielverhalten
Eine weitere Erkenntnis von Schach für Kids e.V. stammt aus der wissenschaftlichen Studie „Schach im Kindergarten“ und einem Großversuch. In dieser Untersuchung, die mit rund 3.500 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren durchgeführt wurde, zeigte sich ein geschlechterspezifisches Spielverhalten. Während die allgemeine Wissenschaft oft davon ausgeht, dass Spielpräferenzen – Mädchen spielen mit Puppen, Jungen mit Autos – anerzogen sind, konnten die Ergebnisse dieser Studie dies widerlegen. Die Kinder, die vor dem Versuch kein Schach kannten, wiesen dennoch Unterschiede im Spielverhalten auf, die unabhängig von äußeren Einflüssen auftraten.
Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung, geschlechterspezifische Unterschiede und Interessen zu berücksichtigen, um langfristig erfolgreich Kinder – und in der Folge auch mehr Frauen – für das Schachspiel zu gewinnen. Das Verständnis für diese natürlichen Neigungen könnte auch dem DSB helfen, zielgerichtete und wirksame Maßnahmen zu entwickeln, die Frauen für Schach begeistern können, anstatt Erwartungen oder Ansprüche an das Spiel zu stellen, die eventuell nicht mit den Interessen vieler Frauen übereinstimmen.
Fazit
Die Erkenntnisse von Schach für Kids e.V. zeigen, dass die Begeisterung für Schach nicht durch erzwungene Maßnahmen wie Quotenregelungen oder Beitragsfreiheit erreicht werden kann. Ein Ansatz, der auf die Bedürfnisse und Interessen der Zielgruppe eingeht und von spielerischer, angstfreier Heranführung geprägt ist, scheint wesentlich wirksamer zu sein. Dies könnte auch ein Modell für den DSB und andere Schachorganisationen sein, um mehr Frauen für das Schachspiel zu gewinnen. Letztlich sollten wir jedoch akzeptieren, dass sich nicht jede Person für Schach begeistern wird – und das ist auch völlig in Ordnung.
Weitere Infos: www.schach-fuer-kids.de
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