Gerade (der Blogeintrag erschien Sonntag Mittag) bin ich auf der Heimreise aus Vrnjačka Banja – eine Kleinstadt in Serbien, in der in der letzten Woche der European Club Cup stattgefunden hat. Dies ist praktisch die „Champions League“ des Schachs: die besten Vereine Europas treten mit allerlei Top-Spielern gegeneinander an.
Auch mit dabei war Weltmeister-Herausforderer Gukesh, der sein letztes klassisches Turnier vor seinem WM-Match gegen Ding im November spielte. Außerdem knackte Erigaisi im Turnier die 2800-Marke und stieg damit auf Platz 3 der Weltrangliste auf.
Ich spielte in der Männer-/Open-Kategorie für meinen Verein SV Werder Bremen. Wir waren in der Startrangliste an Platz 19 von insgesamt 84 Teams gesetzt. Die Werder-Mannschaft bestand aus Lucas, Nikolas, Collin, Spartak, Jari, Loek und mir.
Wie üblich starte ich mit dem schachlichen Teil und unserem Turnierverlauf und erzähle euch danach, was mich in Serbien wirklich überrascht hat und wie ich bei der Anreise um mein Gepäck bangen musste.
Wir starteten mit einem klaren Sieg gegen das Team Koninklijke Wetterse Vrijpion aus Belgien.
Ich hatte dabei die ganze Partie über einen witzigen Trippelbauern auf der c-Linie. Hier hatte ich schon einen Mehrbauern eingesammelt, allerdings ist die Lage mit den tendenziell schwachen c-Bauern natürlich alles andere als klar. Mit dem letzten Zug (19.Td2) hatte mein Gegner allerdings eine Taktik übersehen. Überlegt gerne selbst, was man mit Schwarz am Zug hier machen kann. (Lösung am Ende des Blogeintrags)
Ich konnte meine Mehrbauern zum Sieg verwerten und wir gewannen mit 5,5-0,5.
In Runde 2 wartete das Team des Breidablik Chess Club aus Island auf uns. Hier rettete ich mit meinem Sieg das 3-3 , da meine Mannschaftskollegen nicht über ein Remis hinauskamen und eine Partie verloren ging.
Mein Gegner überraschte mich mit einem relativ seltenen Abspiel im O’Kelly-Sizilianer (mit 2…a6). Er griff allerdings ziemlich schnell fehl und ich konnte mir schon aus der Eröffnung heraus eine Gewinnstellung erarbeiten.
Ein besonders spannender Augenblick war nach 17…Lc5.
Hier wollte ich nicht unbedingt auf c5 schlagen, weil Schwarz dann mit Schach zurückschlagen kann und zur langen Rochade kommt. Aber gibt es eine Alternative? Ja, ich fand die Option 18.Tae1. Allerdings kann Schwarz hier mit 18…Lxe3 19.Txe3 Dc5 den Turm aufgrund der Fesselung gewinnen. Die Variante geht aber weiter: 20.Lxe6 Dxe3+ 21.Kh1 0-0 Schwarz hat das Matt auf f7 gedeckt und hat eine Qualität gewonnen.
Aber man darf die Varianteberechnung nie abbrechen, wenn es noch Schlag- und Schachzüge gibt! 22.Lxf5 droht Matt auf h7 und erzwingt damit 23…h7-h6. 24.Dg4+ Kh8 25.Dxb4 und zack hat man noch einen Springer eingesammelt.
Nun hat man Springer+Läufer+Bauer gegen Turm und ist damit dem Sieg ein ganzes Stück näher gekommen.
Jetzt muss man nur noch die Figuren richtig koordinieren.
Wenig später führte ich das folgende Manöver aus: Der Läufer auf f5 steht nicht ganz ideal, er steht der Dame und dem Turm auf der f-Linie im Weg. Ich entschied, dass der Läufer gerne auf c4 stehen würde, dort greift er den schwachen Bauern auf f7 an, steht von einem Bauern gedeckt und deckt auch selbst die Damenflügelbauern. Also zog ich 29.Ld3. Der Springer auf c3 kann nun nicht geschlagen werden, weil nach Df5 das Matt auf h7 nicht zu verhindern ist. Es folgte 29…Td4 30.Lc4 f5. Nun muss noch der Springer auf sein ideales Feld gebracht werden: 31.Se2 Te4 32.Sf4 Te3 33.Db7+ Kf6 34.Sd5+ 1-0
Als nächstes spielten wir gegen ein sehr junges Team aus Israel. Mein Gegner, ein dreizehnjähriger FM, und ich lieferten uns einen ausgeglichenen, aber komplizierten Kampf in einer Spanisch-Variante. In Zeitnot passierten mir einige Ungenauigkeiten, die mein Gegner perfekt ausnutzte und so musste ich mich geschlagen geben.
Meine Teammitglieder leisteten aber hervorragende Arbeit und wir gewannen das Match trotzdem mit 4-2.
Das bedeutete, dass wir in der nächsten Runde einen richtig starken Gegner bekommen. Es ging gegen die Großmeisterschaft C’Chartres Echecs aus Frankreich. Ich spielte mit Schwarz gegen GM Christian Bauer.
Schon in der Eröffnung bot ich ein Bauernopfer an, um aktive Figuren zu bekommen. Mein Gegner lehnte das Bauernopfer ab, wonach ich allerdings auch eine angenehme Stellung hatte. Die Partie war lange im Ausgleich bis mein Gegner wie aus dem Nichts plötzlich eine Figur opferte und ein riesiger Angriff auf mich zu rollte. Ich merkte, dass ich die Option wirklich unterschätzt hatte, aber ich versuchte die besten Verteidigungszüge zu finden und es meinem Gegner so schwer wie möglich zu mache. Dies gelang mir gut: Mein Gegner fand den klarsten Gewinn nicht und ich kämpfte und kämpfte. Schließlich kamen wir in eine Stellung mit ungleichfarbigen Läufern und noch Damen und Türmen auf dem Brett.
Hier griff mein Gegner mit 36.Lc1 fehl. Der Plan war den Läufer nach h6 in den Angriff zu holen, allerdings stand der Läufer auf b2 auf der der langen Diagonalen besser. Nun kann ich mit 36…Kh8! 37.Lh6 und Tg8! Gegenspiel gegen den Bauern g2 und den König dahinter aufziehen. Nach weiteren 30 Zügen und insgesamt über 5 Stunden Spielzeit musste mein Gegner dem Remis zustimmen. Ich bin stolz, dass meine zähe Verteidigung mit einem halben Punkt belohnt wurde.
Mein Team musste sich leider mit 1,5-4,5 geschlagen geben.
Danach stand ein Team aus Spanien, Andreu Paterna, auf dem Programm. Ich spielte Remis gegen einen gleichstarken Gegner nach einer relativ ereignislosen Partie. Mein Gegner war ein etwas komischer Zeitgenosse, der die ganze Partie mit einer Zigarette im Mund spielte (natürlich am Brett nicht angezündet, aber trotzdem ein kurioses Bild) und pausenlos Geräusche von sich gab (Gähnen, Spielen mit der Zigarettenpackung)… Ich versuche immer, mich von so etwas nicht beirren zu lassen und mir gelingt es grundsätzlich auch immer gut, so etwas auszublenden. Trotzdem war ich froh, dass die Partie nicht allzu lange dauerte.
Meine Mannschaftskollegen spielten hervorragend und so konnten wir 3,5-2,5 gewinnen.
In Runde 6 gelang uns ein toller Mannschaftssieg gegen ein gleichstarkes Team aus Schweden (SK Rockaden). Ich steuerte erneut ein Remis bei.
Nun hatten wir uns mit zwei Mannschaftssiegen wieder ganz nach vorne gearbeitet und bekamen zum Abschluss nochmal ein Großmeisterteam: Tuxera Aquaprofit Nagykanizsai Sakk Klub aus Ungarn.
Mein Gegner, GM Gergely Aczel, erwischte mich schon in der Eröffnung auf dem falschen Fuß. Ich konnte zwar zwischendurch wieder Ausgleich erreichen, musste mich aber letztendlich geschlagen geben. Auch die Mannschaft verlor mit 4,5-1,5.
Insgesamt sind wir damit in etwa auf unserem Sitzplatz gelandet (Platz 21) und sind damit das beste deutsche Team. Mit dem Mannschaftsergebnis waren wir recht zufrieden, da wir nur gegen die zwei GM-Mannschaften verloren haben und einige gleichstarke Teams geschlagen haben.
Gewonnen hat der tschechische Verein Novy Bor Chess Club, bei dem u.a. Vincent, Vidit und David Navara spielten.
Bei den Frauen gewann der slowenische Verein Taifun-SK Ljubljana mit u.a. GM Nana Dzagnidze und GM Zhu Jiner.
Mir hat das Turnier sehr gut gefallen! Wir hatten einen guten Teamgeist und es war toll, sich auch mit den Großmeistermannschaften zu messen!
Da Werder Bremen ja bekanntlich die Farben grün-weiß hat, war es Zeit für einige grüne Outfits:
Nun möchte ich euch noch von einigen Überraschungen bei der Anreise erzählen:
Da ich ja in Lehrte bei Hannover wohne, flog ich von Hannover zunächst nach München, um von dort anschließend nach Belgrad zu fliegen. Da mein erster Flug Verspätung hatte, schaffte ich es nur knapp in den Anschlussflieger. Nicht geschafft hatte es mein Gepäck und so stand ich in Belgrad erstmal ohne Koffer da. Zum Glück hatte ich, wie immer zu empfehlen bei Flugreisen mit Gepäckaufgabe, ein, zwei Outfits und das Wichtigste im Handgepäck dabei. Trotzdem machte ich mir natürlich Sorgen, wie ich nun an meinen Koffer komme.
Im Nachhinein kann ich nun sagen, dass es erstaunlich schnell und entspannt lief, bis ich meinen Koffer wieder hatte. Noch am Flughafen musste ich ein Formular ausfüllen mit meinem temporären Aufenthaltsort in Serbien. Schon einen Tag später wurde mir mein Koffer dort hin gebracht, obwohl ich ca. 2,5h Fahrt vom Flughafen Belgrad entfernt war. Nochmal Glück gehabt, dass dann alles so gut geklappt hat!
Schon beim ersten Betreten des Hotels in Vrnjačka Banja fielen mir ein paar Personen auf, die drinnen im Restaurant rauchten. Nach einem kurzen Check auf Google wusste ich: Das ist in Serbien keine Ausnahme. Hier ist überall das Rauchen drinnen, z.B. in Restaurants, erlaubt. Generell ist das Rauchen in Serbien sehr verbreitet, es rauchen ca. 40% der Bevölkerung.
Von Vrnjačka Banja war ich sehr positiv überrascht. Es ist wirklich ein schickes kleines Städtchen mit einer sehr gepflegten Parkanlage und einer netten Innenstadt.
Es war ein tolles Erlebnis!
Bis bald, eure Lara
Lösung der Taktikaufgabe aus Runde 1:
19…Lxa3 gewinnt einen weiteren Bauern:
20.bxa3 Dxc3 oder 20.Txa3 Txa3 21.bxa3 Dxc3 oder 20.Dxc4 L/Txb2 oder 20.f4 Dc5+
Meine Homepage: www.laraschulze.de
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