Dezember 26, 2024

Bunte Mischung beim Shogiturnier in München!

Von GM Hertneck

Am Samstag den 13. Juli war es so weit – nach fünf Jahren Pause fand wieder ein Shogiturnier in der Münchener Schachakademie statt – und zwar ausgerichtet von Peter Hingley und Gerald Hertneck.

Prominente Teilnehmer hatten sich angemeldet: der Ludwigshafener Frank Rövekamp (3-dan) und der Grazer Marco Dietmayer (3-dan). Dazu noch mehrere 1-dan- Spieler, darunter auch der Autor. Angereist war auch der Grazer Großmeister Andreas Diermair. Das Turnier wurde über 5 Runden und mit DGT-Uhren gespielt, auf denen der Byoyomi-Modus eingestellt war. Das bedeutet, dass nach nach den ersten 40 Minuten Spielzeit der 30-Sekunden-Modus begann, wobei im Shogi von 30 auf null Sekunden runtergezählt wird, und die Uhr zu piepsen anfängt, und zwar bei jedem 30-Sekunden-Showdown von neuem. Das ist natürlich für Schachspieler sehr ungewohnt, soll aber verhindern, dass man versehentlich die Zeit überschreitet. In der Praxis sieht es dann so aus, dass nach etwa einer Stunde Spielzeit rundherum alles piepst, was die Shogi-Spieler mit größter Gelassenheit zur Kenntnis nehmen.

Gespielt wurde übrigens auch nicht nach Schweizer System, sondern nach MacMahon System, das etwas anders aufgebaut ist, denn es lost in den ersten 3 Runden die Stärkeren untereinander und analog auch die schwächeren. Die Auslosung wurde von Peter Hingley vorgenommen.

Der Zwischenstand nach der 3. Runde lautete wie folgt:

Am Abend dieses kämpferischen Tages gingen die Teilnehmer dann am Isartorplatz gemütlich zum Essen. Und am Sonntag morgen um 9:15 ging es munter weiter. Würde der Favorit Frank Rövekamp (links im Bild) seiner Rolle gerecht werden?

Der Zufall wollte es so, dass er in der vorentscheidenden Runde gegen den jungen Marc-Leon Engelmann antreten musste. Oder durfte? Denn der junge Mann ist ein großes Nachwuchstalent. Er war mit seinem Bruder Jan-Lukas da, die beiden sind Zwillinge. Die beiden sind 11 Jahre alt, und haben bereits an vier deutschen Jugendmeisterschaften teilgenommen. Die beiden sind sogar so erfolgreich, dass sie in der Altersklasse U12 bereits zwei mal Europameister und drei mal Vize-Europameister waren! Von ihnen wird bestimmt noch viel zu hören sein!

Im Bild Favorit Frank Rövekamp gegen Mar-Leon Engelmann. Und siehe da, was passierte? Der erfahrene Shogi-Spieler verlor überraschend gegen das Jungtalent, nachdem das Theorieduell gegen ihn ausgegangen war.

Der Autor spielte in Runde 4 gegen Marco Dietmayr und ging gnadenlos unter:

Dietmair (rechts vorne) beim angestrengten Überlegen. Da war der Damenflügel noch intakt. Wenige Züge später sah es dann so aus:

Hier gab ich (unten sitzend) bereits auf! Für Schachspieler ist es natürlich nicht leicht ersichtlich, dass „Weiß“ hier völlig auf Verlust steht, denn „Schwarz“ hat im linken unteren Eck einen „Dragon King“ (=umgewandelter Turm), ein „Dragon Horse“ (=umgewandelter Läufer), einen Tokin (=zu Gold umgewandelter Bauer) und noch einen Gold (=umgewandelter Springer). Das einzige was Weiß dagegen halten kann, ist das der Dragon King im Zentrum, der aber keine realen Drohungen aufstellt. Im Schach würde man sagen: der Damenflügel ist völlig durchgebrochen. Man muss ergänzen, dass es im Shogi ja keine Farben gibt, denn die Spielsteine müssen ja die selbe Farbe haben, damit sie wieder eingesetzt werden können. Außerdem haben auch alle Felder dieselbe Farbe, und das macht die Sache ein bisschen unübersichtlich.

Ein Blick in den Turniersaal (der große Trainingsraum der Münchener Schachakademie):

Im Hintergrund in der Bildmitte sitzt Peter Hingley, der die Idee zu dem Turnier hatte. Er freut sich immer, wenn er Shogi spielen kann. Und auch die beiden vorne haben viel Spaß! In der letzten Runde hatte ich dann das Vergnügen gegen den Jan-Lukas anzutreten. Leider passierte mir hier ein Lapsus. Und zwar dachte ich, ich setze einen Läufer mit Schach ein; stattdessen hatte ich nur seinen daneben stehenden Silber-Offizier angegriffen, und so konnte er meinen Springer schlagen, und danach war mein Königsangriff nichts mehr wert. Im Schach passiert mir das natürlich nicht, aber im Shogi kommt man schon manchmal ein bisschen durcheinander! Ehrlich gesagt war ich auch nicht mehr ganz so konzentriert, und wollte die Sache nur schnell hinter mich bringen…

Der gealterte Großmeister Gerald Hertneck gegen Jan-Lukas Engelmann (Altersunterschied 45 Jahre).

Nach der fünften Runde war bereits alles vorbei! Denn die Teilnehmer mussten schon nach Hause. Das genügt aber auch, denn Shogi macht nicht nur viel Spaß, sondern kann auch anstrengend sein!

Der Sieger Frank Rövekamp, der sehr bescheiden auftrat, war übrigens mal Schachspieler. Aber dann legte er eine beeindruckende akademische Karriere hin: . (https://oag.jp/people/frank-roevekamp/)

Auszug: Prof. Dr. Frank Rövekamp wurde 1998 zum Dr. rer. pol. an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln promoviert, nachdem er an den Universitäten in Köln und Tokyo Betriebswirtschaftslehre studierte. Seit 2009 ist er Professor für japanische Wirtschaft und Politik, und Direktor des Ostasieninstituts der Hochschule Ludwigshafen. Er führt auch ehrenamtlich den europäischen Shōgi-Verband.

Doch wie gesagt, der zweite Platz des elfjährigen Marc-Leon Engelmann ist noch höher einzuschätzen, denn erstens konnte er sich zwischen den beiden 3-dan-Spielern platzieren, und zweitens hatte er die zweitbeste Feinwertung. Und auch sein Bruder konnte mit dem 5. Platz mehr als zufrieden sein.

Die drei stolzen Erstplatzierten von links nach rechts: Frank Rövekamp, Marc-Leon Engelmann, Marco Dietmaier

Alle zufrieden und glücklich am Ende eines spannenden Turniers! Vielleich gibt es ja ein Wiedersehen im nächsten Jahr?

Der Blick auf die Abschlusstabelle verrät, dass Schachgroßmeister nicht auch automatisch starke Shogispieler sein müssen. Es lag aber auch am Auslosungssystem, denn man bekam eben nach einer Niederlage nicht automatisch einen schwächeren Spieler!