September 17, 2024

Paranoia oder berechtigte Sorge?

Klaus Deventer und Bernhard Riess im Interview über Betrug und FairPlay bei der Schacholympiade:
Sämtliche Eingänge für Spieler, Journalisten und Zuschauer sind mit Sicherheitsschleusen ausgestattet. Mobiltelefone sind verboten, im Spielsaal und auf den Tribünen. Und auch bei zwei Spielern gefundene SIM-Karten sorgten für die vorübergehende Nullung ihrer Partien – die Spieler protestierten erfolgreich. “Das alles hat was von Paranoia”, sagt Frauen-Bundestrainer GM Yuri Yakovich: “Ich halte es für übertrieben.” Bisweilen sieht man sogar FIDE-Mitarbeiter, die vor den Partien unter die Spieltische krabbeln – um nachzusehen, ob was versteckt ist.
2010 bestand ein aufgedeckte Betrugssystem bei einer Schacholympiade übrigens aus drei Personen, erzählt Deventer: Spieler, Teamkapitän und ein Zuschauer, der Zugvorschläge dadurch machte, dass der Kapitän auf sein Signal hin bestimmte Positionen im Saal einnahm. Eigentlich unfassbar.
Der Berliner Riess ist in Budapest als Schiedsrichter dabei. Er ist für den leider viel zu früh verstorbenen Gregor Johann nachgerückt, weshalb er zwiespältige Gefühle hat. “Er war ein guter Freund und ich vermisse ihn sehr”, so Riess, “aber es ist meine erste Olympiade und ich will die Atmosphäre aufsaugen. Für mich geht ein Traum in Erfüllung.”
Die Bandbreite unseres Interviews reicht vom auf dem Klo versteckten Mobiltelefon beim Schachfestival in Berlin bis zum Betrugsvorwurfsfall GM Magnus Carlsen versus GM Hans Moke Niemann. Da saß der Jurist Klaus Deventer im dreiköpfigen Untersuchungsausschuss, der ermitteln und vermitteln musste. Am Ende stand eine Einigung. “Das lag daran, dass der Druck der amerikanischen Justiz schon sehr groß war, nachdem Niemann Carlsen verklagt hatte”, so Deventer: “Dass die beiden sich weiterhin nicht leiden können, ist offensichtlich.”
Neben Klaus Deventer und Bernhard Riess sind noch weitere deutsche Schiedsrichter in Budapest. Jens Wolter, der sogar einen ganzen Sektor mit mehreren Partien betreut – und Prof. Dr. Jürgen Klüners, der auch DSB-Vizepräsident Sport ist und in Budapest im Fairplay-Bereich arbeitet. (mw)

📸 Matthias Wolf