Captain der Frauenmannschaft von Amateurs Genève II: «Wir sind zusammengewachsen, solidarisch und ein bisschen … feministisch!»
Markus Angst – Während der Frauenanteil in den Schweizer Schachklubs zwischen 6 und 7 Prozent schwankt, hat der kleine Club Amateurs Genève in der Schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft (SMM) ein Team, das aus acht Frauen besteht.
Im Herbst 2023 hatte dessen Captain Isabelle Delay ehemaligen Mannschaftskameradinnen vorgeschlagen, diese Equipe, die bereits um die Jahrtausendwende an der SMM teilgenommen hatte, wiederzubeleben.
Von zwei in der SMM gemeldeten Mannschaften hat der Club d’Amateurs Genève eine rein weibliche. Ist der Frauenanteil im Verein so hoch?
Aktuell ja, obwohl unsere Frauenmannschaft seit 25 Jahren im Club des Amateurs d’Échecs de Genève besteht. Sie wurde von Ruth Brunner, einer sehr aktiven Spielerin, die auch im Genfer Verband tätig war, und der Mutter von Florence Jungo, gegründet. Damals spielten wir drei/vier Saisons in der SMM. Dann pausierte unser Team etwa 20 Jahre lang, da wir grösstenteils Mütter sind, die neben dem Familienleben noch einen Beruf ausüben. Unsere Zeit war also begrenzt, um Schach zu spielen. Wir blieben jedoch Freundinnen und trafen uns oft wieder. Im Juli 2023 verstarb Ruth leider, was uns sehr traurig machte. Da schlug ich vor, unsere Frauenmannschaft neu zu formieren, um ihr Andenken zu bewahren. Meine Initiative wurde von meinen Freundinnen und ehemaligen Mannschaftskameradinnen begeistert aufgenommen, die sich daraufhin wieder im Club des Amateurs d’Échecs anmeldeten. Dies erklärt die hohe Anzahl von Frauen in unserem Klub.
Führte der Klub besondere Aktionen durch, um das Schachspiel bei Mädchen und Frauen zu fördern?
Nein, keineswegs. Meine Mannschaftskameradinnen und ich spielen seit Jahren gerne Schach, ohne dass unser Verein uns besondere Anreize geboten hätte. Wir sind sehr froh, dass wir unsere Frauenmannschaft wieder zusammengestellt haben und freuen uns über die positive Resonanz der anderen Vereinsmitglieder – einschliesslich unseres Präsidenten Marko Bandler, der von der Idee, eine reine Frauenmannschaft in seinen Reihen zu haben, begeistert ist und uns unterstützt.
Amateurs Genève erlebte glorreichere Saisons, mit der Teilnahme seines Fanionteams in der 1. Liga, während es derzeit in der 3. Liga spielt. Ihr Verein erlebte also Höhen und Tiefen.
Der 1920 gegründete Club des Amateurs erlebte in der Tat Höhen und Tiefen. In den besten Jahren zählte der Verein rund 100 Mitglieder und spielte mit bis zu fünf Mannschaften in der SMM, wobei das Fanionteam in der 1. Liga spielte. Tatsächlich beruhte die Dynamik unseres Vereins immer auf dem Engagement eines kleinen Teams motivierter Freiwilliger – darunter Hervé Jungo, der viele Jahre lang Präsident war und die Nachfolge seines Vaters Roland Jungo angetreten hatte. Heute haben wir das Glück, dass Marko Bandler, der immer dynamisch und erfinderisch ist, den Klubvorsitz innehat.
Wir können uns auch vorstellen, dass es mit Schwergewichten wie CE Genève und Bois-Gentil einen harten Wettbewerb am Ende des Genfersee gibt. Was unterscheidet Ihren Verein von anderen in Genf?
Unsere reine Frauenmannschaft! Wir sind ein kleiner Verein mit einer sehr guten Atmosphäre. Ich kann nicht über den Wettbewerb zwischen den grössten Clubs in Genf sprechen, da ich nicht genug darüber weiss. Es scheint mir jedoch normal zu sein, dass es Konkurrenz gibt, da es in einer grossen Stadt glücklicherweise mehrere Schachklubs geben muss.
Stellen Sie uns die Spielerinnen vor, die Ihr Team bilden. Kommen sie alle aus dem Verein?
Unser Team besteht aus unserer Spitzenspielerin Florence Jungo, den ehemaligen Genfer Meisterinnen Jocelyne Pontabry und Soulammith Roy, Parvine Assemani, Bettina Jacot-Descombes, Linda Garin, die vor etwa 20 Jahren für einige Zeit unser Captain war, und mir, die ich seit der Neugründung unseres Teams Ende 2023 Captain bin. Ja, wir sind alle seit unseren Anfängen Mitglieder des Club des Amateurs d’Échecs, aber einige von uns haben auch Ausflüge in andere Genfer Vereine unternommen.
Mit 1915 Elo ist Florence Jungo eine Spielerin mit einer Wertung, die sie an die Tür zur Nationalmannschaft setzen könnte. Dennoch ist sie in der Schweiz kaum bekannt.
Florence Jungo ist die Tochter von Ruth Brunner und war in der Vergangenheit als Juniorin und junge Erwachsene sowie als Freiwillige im Club des Amateurs d’Échecs sehr aktiv, um Junioren zu unterrichten und Turniere zu organisieren. Unter ihrem Mädchennamen Florence Brunner wurde sie 1992 und 1994 zweimal die Schweizer Juniorinnenmeisterin. Sie war Genfer Meisterin, sie vertrat die Schweiz bei internationalen Einzel- und Mannschaftsturnieren in Ungarn, Spanien und Holland, spielte 1999 mit dem Club des Amateurs d’Échecs in der 1. Liga und war 1994 auch Mitglied der Damen-Nationalmannschaft. Florence legte ihre Schachkarriere auf Eis, um sich mit ihrem Mann Hervé Jungo um ihre Kinder zu kümmern. Sie entschied sich dafür, das Schachspiel in unserer Frauenmannschaft wieder aufzunehmen, um das Andenken an ihre Mutter und die Freude, sich mit Freundinnen zu treffen, in Ehren zu halten.
Zwei Runden vor Schluss ist Ihnen der Aufstieg in die 3. Liga bereits sicher. War das das Ziel Ihrer Saison?
Unser Ziel war es, das Team wiederzubeleben, gemeinsam in der SMM zu spielen und Spass zu haben. Aber unsere guten Ergebnisse freuen uns natürlich.
Werden wir nächstes Jahr wieder mit demselben Team antreten?
Ja, natürlich! Solange wir Lust haben zu spielen und uns gegenseitig unterstützen, ist es klar, dass wir weitermachen wollen. Und wir spielen auch in Erinnerung an Ruth Brunner, deren Geist uns prägt und uns nach vorne treibt.
Ist es einfach, in jeder Runde vier Frauen zu finden?
Ja, weil wir ein festes Team sind, weil wir Freundinnen sind, die sich auch ausserhalb des Schachs treffen, und weil wir oft miteinander kommunizieren. Daher habe ich keine Schwierigkeiten, meine Teamkolleginnen für jede Runde zu finden.
Fangfrage zum Schluss: In einer Runde fehlt Ihnen eine Spielerin. Stellen Sie lieber einen Mann auf oder spielen Sie zu dritt?
Wir haben nie zu wenig Spielerinnen! Wir haben acht Spielerinnen für vier Bretter, und es läuft sehr gut. Was die Aufstellung eines Mannes angeht, nein! Wir haben natürlich nichts gegen Männer, aber das ist nicht das Ziel unserer Frauenmannschaft. Und mit einem Mann wäre die Stimmung anders, denn wir sind zusammengewachsen, solidarisch und ein bisschen … feministisch!
Interview: Bernard Bovigny/Übersetzung: Markus Angst
Isabelle Delay persönlich
Wohnort: Genf.
Alter: 67 Jahre.
Beruf: Übersetzerin.
Hobbys: Meine Familie, Reisen, Tanzen, Ausgehen, Joggen und … Schach, natürlich!
Verein: Club des Amateurs d’Échecs de Genève.
ELO: 1385.
Lieblingsschachspielerin: Judit Polgár.
Lieblingsschachspieler: Magnus Carlsen, Garry Kasparow und Bobby Fischer, um nur die Grössten zu nennen!
Ein Schachbuch: «Und der Läufer wurde König» von Garry Kasparow.
More Stories
Drei Festtags-Turniere im Dezember und Januar: Zürcher Weihnachts-Open, Basel Christmas Festival und Meielisalp-Open
50 Jahre Jugendschachstiftung Schweiz – André Vögtlin: «Die Jugendschachstiftung nutzte die Chance, sich erfolgreich zu vermarkten»
SGM: Winterthur und Nyon in der 1. Bundesliga weiterhin im Gleichschritt
Interview des Monats mit Reinhard Wegelin: «Ich habe mich auf einfache Systeme konzentriert»
29. November bis 1. Dezember: Open du Jura in Moutier