18-jähriger Kuppenheimer legt nach schlechterer Mittlerer Reife einen Zahn zu für seinen Schnitt von 1,0

Louis Wunsch machte erst die Mittlere Reife. Das gelang nicht ganz optimal. Der 18-Jährige machte dann an der Josef-Durler-Schule in Rastatt weiter und ist jetzt der Jahrgangsbeste im Schulamtsbezirk mit der Traumnote 1,0. Dem Landesligaspieler der Rochade Kuppenheim mit einer DWZ von 1879 half dabei sein Hobby besonders: Schach. Mit Louis Wunsch unterhielt sich Hartmut Metz über die ungewöhnliche Schullaufbahn zur Abi-Traumnote.

Herr Wunsch, mit welchem Schnitt haben Sie die Mittlere Reife gemacht?
Louis Wunsch: Bei der Mittleren Reife an der Realschule hatte ich einen Schnitt von 1,1.

Louis Wunsch 2021 auf dem Weg zur Mittleren Reife und in die Landesliga.

 

Anfangs nur die Eins vor dem Komma ambitioniert angepeilt

Auch nicht ganz schlecht! Und jetzt sind Sie beim Abi plötzlich Jahrgangsbester im Schulamtsbezirk mit 1,0! Hätten Sie vor drei Jahren auf dem Technischen Gymnasium (TG) Jahren nach der Mittleren Reife gedacht, dass das Abitur an der Josef-Durler-Schule quasi leichter wird und Sie mit der Traumnote 1,0 noch besser abschließen?
Louis Wunsch: Ich hätte gedacht, ich würde beim Abitur etwa eine Note schlechter sein als beim Schnitt der Mittleren Reife. So lautete auch vorerst mein ambitioniertes Ziel, eine Eins vor dem Komma stehen zu haben. Im Laufe der ersten zwei Jahre bemerkte ich dann, dass die Traumnote von 1,0 doch nicht allzu unrealistisch ist.

Die meisten Eltern wollen ihre Kinder gleich aufs Gymnasium schicken. Bei Ihnen ist ungewöhnlich, dass Sie erst die Mittlere Reife anstrebten und danach das Abitur ins Visier nahmen. Waren Sie ein Spätentwickler an der Schule, weshalb es nicht direkt aufs Gymnasium ging?
Louis Wunsch: Laut der damaligen Grundschulempfehlung hätte ich auch aufs Gymnasium gekonnt, ein Spätentwickler war ich demnach nicht. Den großen Vorteil, den ich durch den späteren Wechsel auf das TG nach der Mittleren Reife hatte, war, dass ich direkt dort als Profilfach Informationstechnik hatte. Auf einem allgemeinen bildenden Gymnasium hätte man diese Möglichkeit nicht, dagegen wäre man ein Jahr früher fertig.

Patrick Gottwald, Mannschaftskamerad von Louis Wunsch bei der Rochade Kuppenheim, räumt auch mehrere Preise als Abiturient am Tulla-Gymnasium ab.

 

Zwischenschritt über die Mittlere Reife „für mich der optimale Weg“

Den Zwischenschritt über die Mittlere Reife bereuen Sie sicher nicht und können Sie also empfehlen?
Louis Wunsch: Ich denke für mich war das der optimale Weg, und kann es so auch weiterempfehlen.
Ab wann zeichnete sich aus Ihrer Warte ab, dass die Traumnote in Reichweite liegen könnte?
Louis Wunsch: Erst nachdem ich die Ergebnisse für die schriftlichen Prüfungen erhalten hatte, wusste ich, dass das Ziel greifbar ist. Da ich dachte, in den schriftlichen Prüfungen nicht allzu gut abgeschnitten zu haben, war die Hoffnung auf die glatte Traumnote erst einmal niedrig.

Rochade-Jugendleiter Thomas Braun (Mitte) hat seine Schützlinge auch fit für ein Einser-Abi gemacht. Links sitzt Louis Wunsch – damals noch zeitlich weit entfernt vom Abi.

 

824 Punkte reichen hauchdünn für die Traumnote

Wie viele Punkte haben Sie geholt. 823 von 900 möglichen benötigten Abiturienten für den Schnitt von 1,0. Und wo räumten Sie besonders ab?
Louis Wunsch: Mit insgesamt 824 Punkten reichte es hauchdünn für die 1,0. Der Seminarkurs in der J1 (Anmerkung: in der zwölften Klasse) gab mir die Möglichkeit damit in der J2, der 13. Klasse, eine schriftliche oder mündliche Prüfung zu ersetzen, bescherte mir 15 Punkte. Das wirkte sich am Ende doch stark auf die Endnote aus, da jede Prüfungsnote mit dem Faktor 4 multipliziert wird, und demnach 60 Punkte brachte.

Waren Ihre Lieblingsfächer auch die besten und gleichzeitig die Leistungskurse?
Louis Wunsch: Das kann man schon so sagen. In Physik, Informatik und Mathe, die mich am meisten interessierten, habe ich auch gleichzeitig die meisten Punkte abgeräumt.

Selbst im Sport einen hohen Punkteschnitt

Gab es auch kleine Aussetzer, wobei zwölf von 15 Punkten bei Ihnen schon solche sind?
Wie schnitten Sie im Sport ab?
Louis Wunsch: Einmal hatte ich zwölf Punkte, was aus einer vermasselten Mathe-Arbeit resultierte. Mit der zweiten Arbeit in dem Halbjahr konnte ich es dann einigermaßen ausgleichen. Im Fach Sport hatte ich letztendlich in allen vier Halbjahren insgesamt einen Schnitt von 14 Punkten. Da nahm ich Fußball und Volleyball als Mannschaftssportarten. Und ansonsten Leichathletik mit Sprint, Hochsprung und Ausdauerlauf.

Aha, also auch körperlich sportlich. Beim Denksport sind Sie bereits in jungen Jahren der Topscorer und Leistungsträger in der Landesliga-Reserve der Rochade Kuppenheim. Kommt Ihr Hang zu logischen Fächern wie Mathematik da her?
Louis Wunsch: Ich denke schon, dass Schach meine Leistungen in Mathematik begünstigt. Aber auch mein Vater war schon immer gut in logischen Fächern wie Mathe, so könnte es auch ein Stück weit von ihm kommen.

Schachspieler sind meist in Mathe gut

Ihr Rochade-Mannschaftskamerad Patrick Gottwald, der jetzt auf dem Rastatter Tulla-Gymnasium auch mehrere Preise abräumte und mit 1,4 ebenfalls ein erstklassiges Abi schaffte, meint: „Schach hat einen gewissen Einfluss in die Fähigkeiten der Mathematik. Nicht ohne Grund sind Schachspieler auch häufig in Mathe gut bis sehr gut“. Sehen Sie das auch bei anderen Schach-Talenten abseits von Ihnen beiden bestätigt?
Louis Wunsch: Mein ehemaliger Mannschaftskamerad Zoltan Maki war auch auf der Josef-Durler-Schule. Von ihm wusste ich, dass er in Mathe stets gute Noten aufwies. Ich glaube, die Assoziation, dass viele, aber nicht alle Schachspieler gut in Mathe sind, ist nichts Neues.

Königliches Spiel trägt zur „Problemlösungsfähigkeit und analytischem Denken“ bei

Apropos Zoltan Maki, der auch zu den Schützlingen von Rochade-Jugendtrainer Thomas Braun zählt: Ein ungarisches Schulprojekt sorgte weltweit für Aufsehen: Die Schüler haben eine Stunde Mathematik in der Woche weniger und lernen dafür Schach – trotzdem wurden sie selbst in Mathematik besser! Welche Vorzüge des Denkspiels sorgen dafür?
Louis Wunsch: Die zwei größten Eigenschaften, die das königliche Spiel fördern, ist für mich zum einen die Problemlösungsfähigkeit und das damit einhergehende analytische Denken. Auch in schwierigen Stellungen versucht man mit klarem Kopf nach den besten Zügen zu schauen. Zudem kann man wegen der bis zu sechs- oder gar siebenstündigen Partien länger konzentriert arbeiten. Das hilft in längeren Klausuren und Prüfungen.

Aufmerksamkeitsspanne leidet erheblich unter der Tiktok-Mentalität

Die Tiktok-Mentalität ist ja bezüglich der einminütigen Aufmerksamkeitsspanne kontraproduktiv, findet auch mein Mannschaftskamerad Patrick Gottwald. Die Anspannung vor Turnierpartien, in denen sich der Spieler keine groben Fehler erlauben darf, führt dazu, dass man weniger Prüfungsangst – oder gar keine – hat! Drucksituationen wie in Schachpartien werden nämlich zur Gewohnheit. Zudem ist die Vorbereitung auf Prüfungen ähnlich wie auf Partien: zwar nicht immer, aber besonders in Mathe. Das logische und anspruchsvolle Denken hilft zudem bei komplexen Aufgaben.

Ungarisches Modell erproben: Schach- statt Mathematik-Stunde

Sie würden also empfehlen, das ungarische Modell nach Deutschland zu übertragen?
Louis Wunsch: Wenn man dieses Modell überträgt, dann zu Übungszwecken definitiv vor den abiturrelevanten Jahrgängen. Bei Kindern in den niedrigeren Klassenstufen könnte man zumindest erproben, ob das Modell Früchte trägt.

Nicht ganz gefeit gegen Smartphone-Ablenkung

Es gibt ja auch Untersuchungen, dass Studenten signifikant schlechter abschneiden, wenn ihr Smartphone in der Nähe liegt und signalisiert, dass eine Nachricht eingegangen ist. Das scheint sie so zu beschäftigen, dass sie sich nicht mehr voll konzentrieren können. Aber kein Problem für einen hartgesottenen Schachspieler, dem in manchen Partien sechs Stunden kein Fehler passieren darf?
Louis Wunsch: Ganz gefeit bin ich nicht dagegen. Tatsächlich liegt mein Handy, wenn ich lerne, meist in der Nähe. Deshalb kommt es oft vor, wenn der Lernstoff zu träge ist, dass ich diesen vernachlässige und Instagram vorziehe. Zwar wurden die Lerneinheiten dadurch länger, weil ich den Stoff trotzdem irgendwie verinnerlichen wollte. Dafür wurde zumindest für mich das Lernen deutlich erträglicher.

Kommen wir noch zu Ihren Zukunftsplänen: Ein ehrgeiziger Einser-Abiturient muss doch das Ziel haben, beim frischgebackenen badischen Pokalsieger ins Oberliga-Team zu kommen?
Louis Wunsch: Ich denke, dass ich aktuell in der Landesliga mehr gebraucht werde. Vielleicht ergibt sich ja in der Zukunft, wenn ich mich noch mehr mit Schach beschäftige, der Aufstieg ins Oberliga-Team.

Wunsch nimmt Duales Informatik-Studium in Angriff

Und wie sieht’s mit dem künftigen Studium als Einser-Abiturient aus: Arzt oder Doktor der Mathematik mit dem perfekten Abschluss „Summa cum laude“?
Louis Wunsch: Ich hatte in der Josef-Durler-Schule, wie erwähnt, das Profilfach Informationstechnik. Das hat mein Interesse dermaßen geweckt, dass ich im Oktober beginne, Informatik dual zu studieren.