Juli 16, 2024

Schach, FUSSBALL & Benjamin Franklin – Abseits oder was?

 

For life is a kind of chess“ (Benjamin Franklin ) – Fußball aber auch…


Mentale Einstellungen und Handlungskompetenz

Franklins klassische Prinzipien helfen bei schwierigen Herausforderungen. Erstaunlich einfach erklärt der legendäre Denker seine Überlegungen mittels Schach. Diese sind auch relevant für Denken und Handeln im Alltag.

Aktuell bietet er auch Denkanstöße für FussballerInnen, Trainer und Fans – wir sind doch alle Spieler! Fußball statt Schach, Spieler statt Figuren, Spielfeld statt Brett und Spielzüge statt Züge und schon ist man mental bereit und fokussiert. Hoffentlich verrate ich keine Betriebsgeheimnisse.

Es geht um: Voraussicht, Umsicht, Besonnenheit/Vorsicht, Zuversicht und Beharrlichkeit trotz schlechter Lage sowie andauernde Suche nach Lösungen und Auswegen. Franklin warnt überdies vor Leichtsinn aufgrund früher Erfolge und empfiehlt vermehrte Aufmerksamkeit und Anstrengungen nach Fehlern.

Ratschläge und Prinzipien für Schach,  Leben und Fußball 

Franklin übertragt Schacherkenntnisse aufs Leben (1786, Auszug, übersetzt von R.M.):
„Das Schachspiel ist mehr als ein Zeitvertreib. Mehrere sehr wertvolle psychische Eigenschaften und Gewohnheiten, die für das menschliche Leben nützlich sind, kann man dadurch erwerben oder stärken, sodass sie zu Fähigkeiten werden, die für alle Gelegenheiten zur Verfügung stehen.

Denn das Leben ist eine Art Schach / Fußball, wo wir oft Punkte zu gewinnen und mit Gegnern zu ringen haben. Und wo es eine Vielzahl an guten und schlechten Ereignissen gibt, die in gewisser Hinsicht Auswirkungen unserer Klugheit sind oder ihres Fehlens. Beim Schachspielen (Fußball) können wir also lernen:

Erstens VORAUSSICHT, die in die Zukunft blickt und die Folgen beachtet, die eine Handlung haben kann… Welche Züge kann ich tun, um mich zu verstärken oder gegen Angriffe zu verteidigen…

Zweitens UMSICHT, die das ganze Schachbrett oder den Schauplatz der Handlung(en) betrachtet, die Beziehungen der einzelnen Steine und Situationen untereinander berücksichtigt, die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind sowie die Möglichkeiten sich gegenseitig zu unterstützen und zu schützen. Eine Umsicht, die ausserdem die Wahrscheinlichkeiten bedenkt, dass der Gegner diese oder jene Figur ziehen, angreifen oder schlagen wird und wie wir den Schlag verhindern können.

Drittens BESONNENHEIT / VORSICHT,  …Das Spiel entspricht dem menschlichen Leben, wo man, wenn man sich unbedacht in schlechte oder gefährliche Lagen gebracht hat, alle Folgen eigener Unbesonnenheit ertragen muss.

Schließlich erwerben wir beim Schachspiel die FähigkeitNICHT MUTLOS ZU WERDEN, wenn uns unsere augenblickliche Lage schlecht erscheint.
Vielmehr gewöhnen wir uns die Einstellung an, auf einen GÜNSTIGEN UMSCHWUNG ZU HOFFEN und NICHT MÜDE ZU WERDEN NACH NEUEN MITTELN ZU SUCHEN… Häufig findet man nach langem Nachdenken Auswege aus einer für unüberwindlich gehaltenen Schwierigkeit. So wird man beim Schach /  Fußball ermutigt, den Kampf bis zum Letzten fortzusetzen – in der Hoffnung auf einen Sieg durch unsere eigenen Fähigkeiten oder wenigstens ein Unentschieden / Patt.“

Franklin warnt vor Leichtsinn und Überheblichkeit. Hingegen macht er Mut mit folgenden Bemerkungen, bei denen er wiederum Schach als Metapher des Lebens heranzieht:

„…und wirklich, wie oft kommt es im Schach vor, dass gewisse Vorteile Überheblichkeit und Unachtsamkeit hervorrufen, durch die schliesslich mehr verloren geht, als durch den ursprünglichen Vorteil erreicht war.
Andererseits regt eigenes Missgeschick manchmal zu mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt an, sodass der bisherige Nachteil möglicherweise ausgeglichen wird. Wer dies bedenkt, kann lernen, sich durch den gegenwärtigen Erfolg eines Kontrahenten nicht zu sehr entmutigen zu lassen, noch zu verzweifeln, bei jedem Hindernis auf dem Weg zu seinen Zielen.“

Soweit der amerikanische Philosoph, Staatsmann und Erfinder. Franklins lehrreiche Ausführungen seien noch mit eigenen Überlegungen ergänzt:


Das Potential unserer neuronalen Netze für Aktivitäten, Intuition und Innovation ist flexibel anwendbar in unzähligen Lagen:

Munzert, R.: Gehirn: Mentales Material, neuronale Netze und kognitives Spielfeld, 2023.

Auch beim Fußball 

Beim Spiel erlebt man, dass es meist richtig ist, mit seinen Kräften und Ressourcen sowie der Zeit haushälterisch umzugehen und auf eine lange Auseinandersetzung vorbereitet zu sein. Genauso lernt man jedoch, dass es manchmal erforderlich ist, sofort viele Ressourcen zu mobilisieren, rasch und entschlossen zu handeln.

Ausserdem kann man beim Spiel erfahren, dass es immer Ausnahmen von der Regel gibt und man durch kluge Analyse oder intuitives Erkennen (u.a. unbewusste Informationsverarbeitung, Mustererkennung, neuronale Kombinationen) herausfinden muss, wann die Regel gilt und wann die Ausnahme. Hierbei zeigt sich wahre Meisterschaft.

Des Weiteren ist Einbeziehung und Verstehen eigener Mitstreiter nötig und hilfreich. Auch diese sollten Franklins Prinzipien idealerweise kennen und beachten.


Franklin hat seine Empfehlungen allen Menschen vermacht. Falls Ihnen diese ohnehin vertraut sind, umso besser. Wenn nicht, lesen Sie Franklins Empfehlungen vor wichtigen Partien und nach Rückschlägen nochmals durch – bis sie in Fleisch, Blut, Gehirn, Bein und Fuß übergehen! 

Ich wünsche Ihnen starke Lebenszüge und gute Nerven beim Elfmeterschießen!

Benjamin Franklin 1786 und 
Dr. Reinhard Munzert, 2024, Diplom-Psychologe, vormals u.a. Tätigkeit an Deutscher Sporthochschule Köln.


Dieser Beitrag kann gerne unter Angabe der Quelle Schach-Ticker und Nennung der Urheber Benjamin Franklin und Reinhard Munzert in anderen Medien, Portalen, Zeitschriften veröffentlicht werden. Auch Nicht-Schachspieler könnten davon profitieren und vielleicht Interesse am Spiel gewinnen.

Literatur und Quellen:

Franklin, B.: The Morals of Chess. Columbian Magazin, 1786.

Franklin, B.: The Autobiography And Other Writings. Penguin Classics, 1986.

Hagedorn, R.K.: Benjamin Franklin and Chess in Early America. University of Pennsylvania Press, 1958.


Munzert, R.: Schachpsychologie (3. erweiterte Auflage, Kap. 26), 1993 / 1998.

Munzert, R.: Gehirn: Mentales Material, neuronale Netze und kognitives Spielfeld, 2023.

GEHIRN: Mentales Material, neuronale Netze und kognitives Spielfeld (I)

Clever und cool handeln mit Benjamin Franklin und Schachstärke in 2024