Juli 16, 2024

Einstein versus Bohr: „schachspielartig“

Einstein versus Bohr: „schachspielartig“

„Bohr und Einstein trugen die Hauptlast dieses Kampfes um die neue Deutung der Quantentheorie“ (W. Heisenberg, Der Teil und das Ganze 1988, S. 99).

Legendäre Konferenz und verlängertes Jahrhundert-Match

Ein Augen- und 0hrenzeuge stellte tatsächlich eine Beziehung zum Schach her, Physikprof. Paul Ehrenfest.
Das große Duell auf dem ‚quantenphysikalischen Schachbrett‘ ereignete sich bei der legendären Solvay- Konferenz in Brüssel 1927 über Elektronen und Photonen. Diese Tagung war der Höhepunkt des „aufregendsten Abschnitt(s) in der Geschichte der Physik“
wie Manjit Kumar (in seinem lesenswerten Buch Quanten, 2009, S. 9) festhält. Die Konferenz war der Quantenmechanik und den damit verbundenen Fragen gewidmet. Es „…standen das Wesen der Wirklichkeit und die Seele der Physik auf dem Spiel“ (Kumar 2009, S. 9).

„Partie Quantenschach“ 

Besonders geistreich und konträr war die „Partie Quantenschach“ zwischen Einstein und Bohr, wie Kumar (2009, S. 324) die fortgesetzte intellektuelle Auseinandersetzung der meisterlichen Physiker bezeichnete. Diese Debatte ging noch jahrzehntelang weiter: eine besondere Jahrhundertpartie.“

Einstein tauschte mit Bohr und anderen Physikern eine Folge von Argumenten und Erwiderungen aus. „Dabei griff er zu seiner Lieblingstaktik – dem hypothetischen Gedankenexperiment im Labor des Geistes“ (Kumar 2009, S. 321).

Einstein „ersann immer neue Gedankenexperimente, die die Kopenhagener Deutung aushebeln sollten.

Prof. Paul Ehrenfest erlebte die Debatte der Gegenspieler (nach Kumar 2009, S. 334) so: „Herrlich war es für mich den Zwiegesprächen zwischen Einstein und Bohr beizuwohnen. Schachspielartig. Einstein immer neue Beispiele… Bohr stets…die Werkzeuge heraussuchend, um Beispiel nach Beispiel zu zerbrechen“.

Wie im wirklichen Schach gab es dabei manchmal falsche Züge bzw. Argumente: „…Bohr (machte) einen fragwürdigen Zug in seiner Partie Quantenschach mit Einstein. Die Siegprämie war einfach zu hoch“ (Kumar 2009, S. 332).

Wissenschaftliche Spielertypen

Ergänzt sei hier die allgemeine Charakterisierung der beiden durch den Physiker A. Pais, der Einstein und Bohr persönlich gut kannte: „Each had…pleasure in play. They took science very seriously, but to them it was ultimately a game“ (zit. nach Morrison, Ph. Scientific American Special Issue Sept. 1992, S. 128).

Heisenberg (1988, S. 99) gebrauchte in Hinblick auf die Einsteinschen Gedankenexperimente und deren Abwehr die Redewendung von einem „Spiel“, das einige Tage fortgesetzt wurde. Er konnte nicht ahnen, dass jenes Match noch Jahrzehnte andauern sollte und genau betrachtet – mit anderen Akteuren gespielt – noch heute nicht entschieden ist. Debatten, Gedankenspiele, subtile und gigantische Experimente um die Quantenphysik dauern immer noch an und niemand hat bis heute die entscheidende Kombination, den Gewinnweg zur Wahrheit gefunden!

Wie schon damals stehen im Zentrum Unvollständigkeit der Quantentheorie, Zufallscharakter, Zusammenbruch der Wellenfunktion, das Doppelspaltexperiment, Quantenverschränkung und „spukhafte Fernwirkungen“.

Spielerisch zum Nobelpreis…

Aus einer Wissenschaftssendung (BR Radio) zu den Nobelpreisen 2023 für Physik und Chemie, bei denen Quantenphysik und Quanten zentral sind (4.10.2023): „Schauen wir uns doch mal die Menschen hinter dieser Forschung an:
…Diese Spielfreude, die sieht man denen auch in diesen Momenten an, wenn sie über ihre Forschung reden. Ich glaube schon, dass zeigt die spielerische Verschmitztheit muss man sich wahrscheinlich bewahren, wenn man in der Forschung ganz vorne mit dabei sein will. Das heisst gerade dieses Spielerische ist vielleicht der Weg hin zum Erfolg….“.

https://www.br.de/mediathek/podcast/iq-wissenschaft-und-forschung/nobelpreis-physik-die-schnellste-kamera-der-welt/2056218

Das Spiel geht weiter…

Selten hat man die Gelegenheit bei einem Jahrhundert-Match dabei zu sein. Im Schach-Ticker können Sie sogar mitspielen und z.B. den Zusammenbruch der Wellenfunktion der Quantenmechanik mittels Schach  diskutieren

Schach und Quanten: Die Wellenfunktion(en) eines Schachgedankens / Verschränkungsmatrix

 

und m. E. sogar erklären!

Dr. Reinhard Munzert, 2015, 2024