Juli 16, 2024

Beobachten, Fragen und NEXistenz bei Quanten und Schach

„Ich glaube, dass uns die Quantenphysik etwas ganz Tiefes über die Welt erzählt. Nämlich, dass die Welt nicht unabhängig von uns so ist, wie sie ist. Dass die Eigenschaften der Welt in einem gewissen Sinn von uns abhängen“ Prof. Zeilinger, Weltwoche 2005, Nobelpreis für Physik 2022.

„Die Schlüsselrolle, die der Beobachtung in der Quantenphysik zukommt, führt unweigerlich zu Fragen über die Natur von Geist und Bewußtsein und ihrer Beziehung zur Materie“ P.C.W. Davies & J.R. Brown, Der Geist im Atom (1993, S. 44).

Was im Schach der Spieler, ist in der Quantenphysik der Beobachter.

Gibt es Quanten auch, wenn man sie nicht beobachtet? Darüber haben schon Geistes-Riesen wie Einstein, Bohr, Heisenberg und Zeilinger diskutiert, hierzu

Schach und Quantenphysik (4) – Denk- und Spielmaterial (VII): Existieren Quanten wirklich?

https://www.chess-international.com/?p=65574

Bohr und internationale Kollegen schufen die Kopenhagener Deutung der Quantenphysik. Eine zentrale Annahme besagt: Erst durch Beobachtung / Messung wird eine Möglichkeit zur Realität, z.B. bei Elektronen und Photonen (oder dem Mond). „Gemäss Kopenhagener Deutung besitzen Teilchen keine unabhängige Wirklichkeit, keine Eigenschaften, solange sie nicht beobachtet werden“ (Kumar. Quanten, 2009, S. 376).

Schach und das Beobachtungs-/Beobachter-Problem in der Quantenphysik

Meines Erachtens kann man dieses Problem mit Gegebenheiten beim Schachspielen analysieren und diskutieren:

EXISTIEREN SCHACHZÜGE NUR DANN, WENN SIE AUSGEFÜHRT WERDEN UND DAMIT BEOBACHTBAR SIND? WAS IST MIT DEN IM KOPF DES SPIELERS DURCHGESPIELTEN ZÜGEN, DIE NICHT AUFS BRETT KOMMEN? – Hierzu könnten Sie auch ein eigenes Gedankenexperiment wagen!

Was machen eigentlich Schachfiguren, wenn man nicht mit ihnen spielt? Haben sie nur Wirkung, wenn sie auf Feldern stehen? Immerhin existieren sie auch im Kasten! Und im digitalen Kasten sind sie wieder Quanten mit ihrer unsicheren Existenz. Dazu:

Zur Vorbereitung (2) auf das Schach-Weihnachtsrätsel 2023: Woher kommen Kraft und Wirkungen der Schachfiguren: Alles mental?

 

Nobelpreisträger Wilczek (2013): „Die moderne Quantentheorie bekräftigt Bohrs Idee, dass das, was man sieht, davon abhängt, wie man es sich ansieht… (Spektrum der Wissenschaft)

Das passt sehr gut zu meinem Ansatz, der Schach und Quantenphysik verbindet. Siehe auch meine Überlegungen zu SchachNexus und NEXistenz. Zuvor erst  zu Quanten-Altmeister Prof. J. A. Wheeler:

Die Existenz aus der Information: ‚the it from the bit‘

„Wheeler glaubte, dass alle materiellen Objekte sich aus Informationsbits zusammensetzten, und er drückte seine Idee durch diesen Slogan aus: ‚It from bit‘. – Das Seiende beruht auf Information“ (Susskind 2010, S. 161). Der Wissenschaftsautor Horgan, der ein ausführliches Interview mit Wheeler führte, schreibt zu dessen Sichtweise: „Gemass dem Slogan ‚the it from bit‘ (‚das Es aus dem Bit‘) erzeugen wir mit den Fragen, die wir stellen, nicht nur die Wahrheit, sondern sogar die Wirklichkeit selbst – das ‚It‘ “ (Horgan 1997, S. 140). Ich übersetze das Motto meist mit ‚die Existenz aus der Information‘; in manchen Kontexten kann man es auch treffend als ‚Existenz aus der Frage‘ oder ‚Fakt durch Fragen‘ interpretieren.

SchachNexus

Anbindung der Figuren an die Spieler und vice versa: SchachNexus

Die zentrale Wechselwirkung sei kurz zusammengefasst: Die Vorgänge im Kopf der Spieler beeinflussen die Geschehnisse auf dem Brett und umgekehrt. Wenn zwei Dinge zusammenhängen und dies betont werden soll, wird oft die Analogie von den beiden Seiten einer Medaille bemüht. Im Fall des Schachs können wir von den zusammengehörenden Faktoren, Mechanismen und Phänomenen des inneren und des äusseren Spiels sprechen. Es wäre verlockend hier bereits von Verschränkung im Schach zu reden, aber ich will lieber einen anderen Begriff wählen. Den Zusammenhang zwischen Schachspieler und Figuren auf dem Schachbrett und im kognitiven Spielfeld Gehirn – einschliesslich der Schachregeln – nenne ich SchachNexus (Nexus aus dem latein. für Verknüpfung, Verkettung usw., gab es schon vor dem Gadget).

NEXistenz

Auch Kraft und Wirkungen der Figuren entstehen erst durch diesen SchachNexus; für die Existenz durch Verknüpfung schlage ich den Begriff NEXistenz vor.

 Siehe auch Neuro-Quantenphysik:

Neuro-Quantenphysik und Schach: Rück- und Vorausblick (1)

Steine als solche und Schach an sich, Fragen über Fragen

Vielleicht haben Sie eben, geneigter Schach- und/oder Quantenfreund, über Schachfiguren als solche und das Schach an sich nachgedacht. Jedenfalls hat unbewusste und bewusste Informationsverarbeitung beim Schach schon auf einfachster mentaler Ebene eine unabdingbare Funktion zur Beobachtung, Feststellung bzw. Einschätzung der objektiven und/oder subjektiven Gegebenheiten.

In Bezug auf Schachfiguren, Positionen, mögliche Strategien & Taktiken, Pläne und Züge sind Fragen nach deren jeweiligen Status und/oder zukünftigen Möglichkeiten grundlegend.

In Hinblick auf Schachsteine ist bekanntlich relevant: Um welche Figur handelt es sich, welche Farbe hat der Stein, wo steht er usw.

Bei Partien zur ersten Orientierung: eigenes oder fremdes Spiel? Aktuelle oder bereits beendete bzw. historische Partie,

Stellung: Fragen an die Position: Wie steht’s (Konstellation)? Was droht? Was geht?  Gibt es typische Schachmuster?

Bei der „Befragung“ der Partie hängen die Antworten neben der Konstellation auf dem Brett bekanntlich auch wesentlich von den Fähigkeiten des Spielers und seines Gegners ab. Besonders wenn es komplex wird, kommt es – wie bei der Beobachtung von Quantenprozessen – auf den jeweiligen Beobachter bzw. Spieler an.

Auflistung  / Frageschema

Ich habe mal versucht, hierzu eine Auflistung bzw. grobes Frageschema auf mehreren Ebenen zu erstellen. Wobei Informationen über Schachsteine einerseits offensichtlich sind – z. B. harte Fakten wie weißer Turm steht auf h1 – oder andererseits erst erfragt, berechnet, logisch erschlossen bzw. erdacht oder intuitiv erfasst werden müssen: Schach-Nexus.


Fakt und konkrete Information in Einem


NEXistenz aus der Information


NEXistenz aus Information  + Kognition (z.B. Mustererkennung, Wissen, Erfahrung)


NEXistenz aus Information + Kognition +  Kreativität (Ideen, innovative Pläne, Strategien)


NEXistenz von Zügen und Kombinationen durch mentale Suche


NEXistenz aus unbewusster Informationsverarbeitung und Intuition

NEXistenz aus dem Zusammenwirken aller obigen Faktoren Verschränkungs-Matrix: Verknüpfung / Verschränkung zahlreicher neuronaler Netze im Gehirn.

Auf Level 42 finden sich natürlich Schach und der Sinn des Lebens :-).

Manche Quantenforscher stellen auch Fragen an die Natur bzw. direkt an die Quanten.

Existenz durch Befragung/Fragen !? 

Dazu der eminente Quantenforscher Zeilinger (2010) „Ich habe mit der Quantenphysik gelernt, wie wichtig es ist, die richtigen Fragen zu stellen! Je nach Frage steuert unsere Wirklichkeit in eine bestimmte Richtung. Wenn ich etwa ein Elektron frage: ‚Bist du ein Teilchen?‘, dann wird es antworten: ‚Ja, ich bin ein Teilchen!‘ Wenn ich es frage: ‚Bist du eine Welle?‘, dann wird es sagen: ‚Ja, ich bin eine Welle!‘ Wenn es einmal gesagt hat, es ist eine Welle, dann kann es nicht auch Teilchen sein – obwohl das vor der Frage möglich gewesen wäre. Ich entscheide also durch meine Frage, welche Möglichkeit Wirklichkeit wird.“

https://www.diepresse.com/530682/zeilinger-gott-darf-nicht-beweisbar-sein

 – Natürlich ist die „Befragung‘ von Quanten hier im übertragenen Sinne gemeint.

Fragen Sie manchmal Ihre Schachsteine? Reden diese mit Ihnen – auch ungefragt?

Nach all den Fragen eine Aussage

„In meinem Leben gab es keinen Moment ohne Gott… Was ich meine ist, dass es etwas Metaphysisches gibt – mehr, als man in den Naturwissenschaften sehen und messen kann“, Anton Zeilinger 2020 in der Zeitschrift die Furche.

Dr.  Reinhard Munzert, 2024