Die diesjährige Frauen-Europameisterschaft fand vom 17.-30. April auf der griechischen Insel Rhodos statt. Dieses Reiseziel lockte ganz besonders viele Teilnehmerinnen an, insgesamt 184, somit war dies die größte Frauen-Europameisterschaft jemals . In der erweiterten Spitze war die Meisterschaft stark besetzt, sodass ich mit meinen ~2300 Elo auf dem Startranglistenplatz 59 ins Rennen ging. Umso zufriedener bin ich damit, Platz 39 in der Endtabelle erreicht zu haben, also 20 Plätze über meinem Startranglistenplatz und im oberen Viertel der Tabelle.
Wie immer möchte ich euch gerne von meinem Turnierverlauf berichten. Dieses Mal gibt es wieder eine Zusammenstellung von (Taktik-)aufgaben. Wenn ihr Lust habt, könnte ihr also diesen Blogeintrag als kleine Trainingseinheit nutzen oder euch natürlich auch einfach die Lösungen durchlesen. Diese findet ihr alle am Ende des Blogeintrags!
In der ersten Runde besiegte ich die Spanierin Lucia Follana Abelda mit Schwarz.
Hier hatte ich bereits einen Bauern mehr, wie gewinne ich nach Se5 noch einen zweiten Bauern?
In Runde 2 und 3 gelangen mir dann zwei gute Remis gegen IM Ekatarina Atalik (Türkei) und Khanim Balabayeva (Aserbaidschan). Gegen Letztere bin ich ein bisschen stolz, dass ich hier den einzigen Zug fand, der zu komplettem Ausgleich führt.
Schwarz am Zug gleicht aus.
Anschließend gewann ich gegen die Georgierin Nia Donghvani. Gegen diese spielte ich 2021 und 2023 jeweils aus besseren Stellungen nur Remis, sodass ich ganz besonders froh war, nun in unserem dritten Aufeinandertreffen endlich den ganzen Punkt mitzunehmen.
Hier hatte ich bereits zwei Bauern eingesammelt, wie macht man direkt den Sack zu? Weiß am Zug gewinnt!
Danach traf ich erneut auf eine alte Bekannte: IM Aleksandra Maltsevskaya aus Polen. Unsere erste Partie spielten wir bereits in der U12 bei der Jugend-Weltmeisterschaft in Südafrika 2014. Ich war gar nicht mal so unzufrieden mit meiner Partie, trotzdem überspielte sie mich überzeugend und so musste ich die erste Niederlage des Turniers hinnehmen.
Nach dem Ruhetag spielte ich meine beste Partie des Turniers gegen Hanna Ivan-Gal aus Ungarn. Meine Vorbereitung traf voll ins Schwarze und ich setzte meinen Entwicklungsvorsprung konsequent zum Sieg um.
Wie gewinnt Weiß hier sofort?
Gegen die Französin IM Sophie Milliet gelang mir letztes Jahr ein Remis, dieses Jahr musste ich mich nach ernüchterndem Partieverlauf geschlagen geben. Ihr gelang es, mich in eine Stellung zu bringen, in der ich keinerlei aktive Ideen hatte. Keine angenehme Partie.
Dafür war die nächste Partie wieder umso schöner: Gegen die Polin Gabriela Kroliczek opferte ich einen Bauern, bekam aber hervorragende Kontrolle über die schwarzen Felder. Den entscheidenden Fehler beging sie hier mit Th6.
Wie gewann ich mit Weiß nun Material?
In der vorletzten Runde stellte ich gegen Klaudia Kulon (ebenfalls Polen) in einer ärgerlichen Zeitnot die Partie ein, in dem ich hier Dame und Turm zu weit vom König entfernte. Wie gewinnt Weiß?
Zum Abschluss gelang mir dann aber nochmal eine fehlerfreie Partie gegen Elisabeth Hapala aus Österreich. Wieder opferte ich einen Bauern für Entwicklungsvorsprung und stellte damit meine Gegnerin vor die schwierige Aufgabe, am Brett eine Reihe von nahezu einzigen Zügen zu finden. Als sie schließlich fehlgriff, nutze ich meinen Entwicklungsvorsprung wieder konsequent aus.
Am längsten überlegte ich an folgender Stelle: Möchte man mit Weiß Damen tauschen (Dxe5 oder Te2) oder lieber auf dem Brett lassen (Df1 oder Dd1)?
(Lösung direkt unter dem Diagramm)
Nachdem ich einige Zeit über das Endspiel nachgedacht hatte und zu dem Schluss kam, dass es zwar besser für Weiß (aktiviere Figuren), aber nicht so klar ist, versuchte ich noch einmal mit strategischen Fragen an die Stellung heranzugehen: Schwarz hat einen unterentwickelten Damenflügel und einen König, der in der Mitte bleibt. Mein König dagegen ist sehr sicher von drei Bauern und einem Läufer geschützt. Viel besser als der Damentausch ist es also, die Damen auf dem Brett zu lassen und damit den schwarzen König in der Mitte auszunutzen! Also: Df1! Danach spielt sich die Stellung praktisch von selbst: Te1/Td1 Se4-d6 De2-h5 usw.
Wenige Züge später war die Partie mit einem Gewinn für mich beendet.
Ein guter Abschluss für diese Meisterschaft!
Insgesamt holte ich 6 Punkte aus 10 Runden, meine Elo bleibt damit etwa gleich (+1,6). Mit einigen Partien bin ich sehr zufrieden, bei anderen Partien werde ich versuchen, mehr über die entsprechenden Strukturen und Stellungstypen zu lernen.
Wie bereits oben geschrieben, landete ich auf Platz 39 und damit im oberen Viertel der Tabelle, was sich sehen lassen kann! 🙂
Das Reiseziel Rhodos hatte seine schönen Seiten, aber auch negative Aspekte: Das Hotel war direkt am Strand, sodass man zwischendurch wunderbar am Meer entspannen konnte. Die historische Altstadt von Rhodos hat beeindruckende Festungsmauern, teils mit wunderschönen Blumen umrandet.
Rhodos ist jedoch auch ziemlich überlaufen von Touristen und es wird versucht jeden Cent aus dem Tourismus herauszuholen. Grundsätzlich bin ich touristischen Angeboten und Sightseeing nicht abgeneigt, denn häufig ist es ja auch etwas Positives, wenn einem der Aufenthalt so angenehm gemacht wird. In Rhodos war es jedoch extrem: Die Altstadt ist dermaßen vollgequetscht mit hunderten (!) Souvernirläden, die im Grunde alle das gleiche verkaufen. Am Hafen ist alle drei Meter ein neuer Stand, der Bootstouren anbietet. Dass man an jedem Laden und an jedem Stand vom Verkäufer angesprochen wird, ob man nicht etwas kaufen wolle, machte die Ausflüge in die Altstadt auch nicht gerade entspannter.
Eine der Hauptattraktionen in der Altstadt von Rhodos ist übrigens der „Großmeisterpalast“. Leider wurde einem beim Besuch nicht automatisch der GM-Titel verliehen, schade, aber einen Versuch war es wert! 😉
Schaut gerne in den nächsten Tagen auch auf meinem YouTube-Kanal „Lara’s Chess College“ vorbei und abonniert diesen auch gerne, um nichts zu verpassen. Dort werdet ihr die ein oder andere ausführlichere Partieanalyse dieser EM finden. https://www.youtube.com/@laraschesscollege
Bis bald,
eure Lara
Lösungen:
Partie 1: Hier gewinnt Lxe5 Txe5 Lxh3 einen zweiten Bauern, da der Läufer wegen der Springergabel auf f3 nicht zurückgeschlagen werden kann.
Partie 3: Der einzige Zug zu komplettem Ausgleich ist Lxh2! Kxh2 Dc7+ Lf4 Txd5 Lxc7 Txd1 Txd1 Txc7 Te1 Sf4 Sxe7 =
Partie 4: Te4 gewinnt eine Figur: Lf5 Sb6+ Kc7 Txb4 1-0
Partie 6: Sxe6 macht den Sack zu! fxe6 Dh5+ Kf8 Sg5 Weiß droht Matt mit Sxe6# oder Sh7# oder Df7#
Partie 8: Hier gewinnt Te8+ Tf8 T1e7! Und nun kann Schwarz seinen c7-Bauern nicht decken. In der Partie ging nach Txh2 Txf8+ Kxf8 Txc7 der Läufer auf c8 verloren.
Partie 9: Meine Gegerin setzte mich hier mit De8+ Kg7 De7+ Kh6 h4 Txe1 Df8# Matt
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