Thorsten Cmiel – Ich schreibe hier selten Texte. Manchmal antworte ich am liebsten auf seltsame Kommentare von Leuten, die ich lange kenne und die sich aus meiner Sicht verirren und einen kräftigen Tritt in den medialen Hintern benötigen. Meine Welt besteht vor allem aus Schach und Politik.
Eine alter Weggefährte aus Solingen, Bernd Schneider, hatte vor fast einem Jahr einen Disput wegen seines Hinweises nicht nach Dortmund zu den Schachtagen fahren zu wollen, weil die Organisatoren den russischen Ex-Weltmeister Vladimir Kramnik eingeladen hatten und gleichzeitig der Ukrainer Pavel Eljanov via Qualifikation eingeladen war. Das sei eine Zumutung für Eljanov und die Organisatoren sollten auf Kramnik verzichten, so Bernd. Es folgte eine kleine mediale Schlacht mit einem (ehemaligen) Manager und Freund von Kramnik in unserer kleinen schachlichen Welt. Ich war damals schon sicher, dass Bernd richtig liegt und habe das so geäußert. Kramnik hatte zuvor einen Schwurbelinterview veröffentlicht bei Chessbase, freigegeben. Deutlich wurde welche Position er im Angriffskrieg gegen die Ukraine einnimmt. Hätte er mal geschwiegen, dachte ich noch. Der Rauch verzog sich. Zunächst.
Inzwischen ist der Ex-Weltmeister weitergezogen und hat seine Verbindungen nach Russland wieder gestärkt. Sein neuer medialer Trip: Er beschuldigt seit Wochen Gegner und Spieler des Betrugs im Online-Schach, verniedlichend Cheating in unserer Welt genannt. Chess.com, kommerzieller Marktführer im Online-Schach hatte Kramnik zu stoppen versucht, aber lässt ihn weiter gewähren. Kramnik greift bei seinen „Analysen“ auf Tools zurück, die weder für das Entdecken von Betrug im Online-Schach gedacht noch ansatzweise geeignet sind. Kramnik hat keine tiefergehende Ahnung von Statistik, ist aber umso lauter dabei seine Meinung und seine Verdächtigungen kund zu tun. Als ehemaliger Weltklassespieler erfährt er eine Aufmerksamkeit, die durch die inhaltlichen Beiträge nicht ansatzweise gerechtfertigt sind. Gerne beschimpft Kramnik Spieler gegen die er nicht gewonnen hat. Manchmal blamiert er sich sofort und bodenlos, da er ein einfach gewonnenes Bauernendspiel nicht gewonnen hat, das sogar kleinere schachliche Geister ohne Probleme exekutieren würden. Das ist dann sogar unfreiwillig komisch.
Man könnte annehmen, dass Kramnik aus seinen Fehlern lernt. Pustekuchen. Lernfähigkeit gehört offenkundig nicht zu den Fähigkeiten eines ehemaligen Schach-Weltmeisters. Kramnik ist inzwischen noch mehr von sich und seiner Agenda überzeugt. Er klagt fleißig weiter Spieler via X, vormals Twitter, an. Zuletzt hat er einen talentierten ehemaligen deutschen Jugend-Kaderspieler, der inzwischen wieder in seiner ukrainischen Heimat lebt, des Betrugs beschuldigt.
Um es klar zu sagen. Kramnik ist m.E. eine Schande für die Gemeinschaft der Schachspieler, die unter dem Motto „Gens una sumus“ vereint sein sollte. Kramniks Verhalten ist völlig inakzeptabel und in dem jüngsten Fall sogar politisch höchst unanständig.
Ich gehe davon aus, dass der Deutscher Schachbund und seine Präsidentin Ingrid Lauterbach den Weltschachbund FIDE und dessen Ethik- und Disziplinar-Kommission, einschalten. Den Ex-Weltmeister Vladimir Kramnik gilt es in die Schranken zu weisen und den eigenen ehemaligen Spieler, in diesem Fall einen Teenager, gilt es vor den Attacken eines Erwachsenen zu schützen.
Auch wenn es zurzeit an Mitarbeitern in Berlin beim Deutscher Schachbund mangelt, ich erwarte in naher Zukunft ein glasklare Erklärung des Präsidiums zu diesem schändlichen Vorfall. Der Deutsche Schachbund sollte den Wunsch äußern, dass private deutsche Organisatoren Vladimir Kramnik zu keinen Veranstaltungen mehr einladen oder Turniere nach ihm benennen sollten.
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