Von: Thomas Machatzke –Es ist ein Schach-Event der Superlative. Ein Turnier, so gut besetzt wie lange keines mehr in Deutschland. Weltmeister Ding Liren ist da, Magnus Carlsen auch. Und Vincent Keymer, die große deutsche Hoffnung. Rund 150 Millionen Fans erreicht die Veranstaltung online – ein Spitzenwert. Turnierdirektor in Weissenhaus, einem Luxusresort an der Ostsee, ist Sebastian Siebrecht. Der Essener Großmeister, Mitglied und Trainer des MS Halver-Schalksmühle und Vater der Lüdenscheider Schachtage, hat alles im Griff. Thomas Machatzke hat Siebrecht einen Tag lang begleitet.
Weissenhaus – Am Dienstag, dem ersten Halbfinaltag der Freestyle Chess G.O.A.T. Challenge, strahlt die Sonne. Dass ist im Februar keine Selbstverständlichkeit. Wenn die Sonne scheint, beginnt aber auch dieser ganz besondere Ort ganz besonders zu strahlen. Ein verfallenes Dorf rund um ein altes Schloss ist Weissenhaus gewesen, bis es der Hamburger Unternehmer Jan Henric Buettner gekauft und daraus ein Luxusresort gemacht hat, das bei allem Luxus den Charme des dörflichen Norddeutschlands behalten hat. 2022 haben sich hier die Außenminister der G7 mit Annalena Baerbock als Gastgeberin getroffen. Und nun, in diesem Februar, sind besten Schachspieler der Welt zu Gast in der Hohwachter Bucht. Nicht alle, aber so viele wie selten an einem Ort.
Buettner ist selbst Schachliebhaber. Er hat Magnus Carlsen für seine Idee gewonnen und ins Boot geholt. Carlsen, der Weltmeister, der es irgendwann leid war, seinen Titel zu verteidigen und ungeschlagen abtrat. Nun ist der Chinese Ding Liren Weltmeister, doch die Schachwelt versteht den Weltmeister seitdem als Nummer zwei der Welt. Die Nummer eins in den Köpfen bleibt Magnus Carlsen. Oder, wenn man so will, und so steht es nun auch im Turniernamen, der Norweger ist eben schlicht der „G.O.A.T.“ – the „Greatest of all times“…
Carlsens Idee ist es gewesen, Freestyle-Chess mit diesem Feld zu spielen, also Fischer- oder 960-Schach – eine Spielart, bei der die Figuren auf der Grundreihe ausgelost werden vor jeder Partie. Kein Eröffnungswissen hilft weiter, 960 Möglichkeiten für einen Partieaufbau gibt es. Und Buettners Idee ist es gewesen, Schach ganz anders zu präsentieren. Mit mehr Glamour, in perfektem Ambiente. Der Hamburger Herrenausstatter Frank Rudolf hat für jeden Teilnehmer eigens ein Turniersakko gestellt: Acht Spieler, acht Farben. Gespielt wird in der Reetscheune, in der früher einmal das Jungvieh zu Hause war. Heute hat die Scheune Fußbodenheizung und ein Glasdach, eine spektakuläre Rundbalkenkonstruktion. In der zweiten Etage sitzen der Ungar Peter Leko, Niclas Huschenbeth und Tania Sachdev aus Indien, die die Züge aus dem Erdgeschoss live übers Internet in alle Welt kommentieren. In einem Musikstudio sitzen sie, das eigentlich die besten Musiker der Welt anlocken soll. Buettner hat es frisch eingerichtet, es fehlt an nichts.
Wir haben uns erstmal gemeinsam angeguckt, wie Schachturniere in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ich fand das ganz traurig. Zuletzt bin ich öfters in der Formel 1 zu Gast gewesen. 95 Prozent der Berichterstattung betreffen nicht das Rennen selbst, sondern das Drumherum. Im Schach ist da viel mehr drin. Ich möchte Schach aus der Turnhalle rausbringen und ein angemessenes Umfeld für die Topspieler der Welt schaffen. Ich sorge für die Inszenierung, und die Spieler für das Schach.
2 thoughts on “Ein Turnier der Superlative für 150 Millionen Fans”
Sehr gute Idee und Neuerung, kann auch Forschung und Wissenschaft nützen:
“ …die ‚Confession Booth‘. ‚Der Beichtstuhl‘, sagt der Essener Großmeister Sebastian Siebrecht und lacht. Es ist eine kleine Zelle, in der ein Rechner steht mit einer Webcam. Die Spieler kommen während der Partien in diese Box und geben eine Einschätzung zur Partie aus ihrer Sicht. Diese Kommentare gehen live in alle Welt, auch das ist neu bei diesem Turnierformat.“
Siehe auch:
Fischer Radom / Chess960 / Freestyle Chess als Forschungsinstrument
Sehr gute Idee und Neuerung, kann auch Forschung und Wissenschaft nützen:
“ …die ‚Confession Booth‘. ‚Der Beichtstuhl‘, sagt der Essener Großmeister Sebastian Siebrecht und lacht. Es ist eine kleine Zelle, in der ein Rechner steht mit einer Webcam. Die Spieler kommen während der Partien in diese Box und geben eine Einschätzung zur Partie aus ihrer Sicht. Diese Kommentare gehen live in alle Welt, auch das ist neu bei diesem Turnierformat.“
Siehe auch:
Fischer Radom / Chess960 / Freestyle Chess als Forschungsinstrument
https://www.chess-international.com/?p=84762
Dr. Reinhard Munzert
Ein sehr lesenswerter Artikel!