November 27, 2024

Erste Weißnull nach zwölf Jahren: Kjartansson knackt Dautow

FM Hartmut Metz – Der FC Bayern München hat seinen Ruf als Schreckgespenst der Spitzenteams in der Schach-Bundesliga bestätigt. Der Tabellensiebte (8:8 Punkte) knöpfte den SF Deizisau den ersten Punkt der Saison ab. Dennoch waren die Großmeister der Bayern unzufrieden. Kaum anders die Gemütslage der anderen Münchener Großmeistertruppe. Die Mannen von der Schachakademie spekulieren nach zwei Niederlagen auf „eine Restchance auf den Klassenerhalt“.

Deutsche Schachfans verbinden mit dem für MSA spielenden Isländer Gudmundur Kjartansson traumatische Erinnerungen. Die letzte laufende Partie der Mannschafts-EM 2023 hielt er remis, sicherte Island ein 2:2 – und Serbien die fehlenden Feinwertungspunkte, um Deutschland mit der letzten Partie des Turnier noch zu überholen. | Foto: Paul Meyer-Dunker

„Natürlich ist ein 4:4 gegen Deizisau gut, aber wir hielten dagegen. Da war mehr für uns drin, wir ließen einen Punkt liegen! Deizisau konnte nicht mehr herausholen und war gut bedient“, betont Niclas Huschenbeth. Der 31-Jährige verweist wie sein österreichischer Teamkollege Valentin Dragnev, die mit 4,5/8 die Topscorer der Bayern in dieser Saison sind, auf die Partie von Klaus Bischoff. „Wir haben ordentlich Druck gemacht. Klaus hat super gespielt“, befindet Dragnev und schiebt nach, „Andreas Heimann hat sich aber leider hartnäckig verteidigt.“ So endete die „fette Stellung“, wie Huschenbeth die Position des Bayern-Urgesteins Bischoff bezeichnete, friedlich. „Zudem hätte Oliver Kurmann seine lange ausgeglichene Stellung nicht gegen Alexander Graf verlieren müssen“, sieht Huschenbeth den zweiten Knackpunkt des Samstags-Duells am achten und letzten Brett. So blieb es beim einzigen Bayern-Sieg am Spitzenbrett von Jaime Santos Latasa über den deutschen Nationalspieler Matthias Blübaum.

Gegen Spitzenreiter SC Viernheim wurden die Bayern am Sonntag mit nur fünf Remis nicht ihrem Ruf gerecht. „Wir hatten keine Chance! Viernheim ist deutlich stärker als Deizisau“, vergleicht  Huschenbeth den Tabellenführer mit dem Tabellendritten, der wegen der schlechteren Brettpunkte hinter Rekordmeister OSG Baden-Baden (15:1) fiel. Huschenbeth hatte dabei gegen den Weltklasse-Aseri Shakhriyar Mamedyarov das Nachsehen. Zudem unterlagen Sebastian Bogner Bassem Amin und Bischoff Dennis Wagner. Mit einem 5,5:2,5 baute der Gastgeber seine Bilanz auf 16:0 Punkte aus. Am 24. Februar könnte die Entscheidung um den Titel fallen, wenn Viernheim zu Hause in der zentralen Runde auf Baden-Baden trifft.

MSA-Großmeister Kjartansson knackt Dautov nach exakt zwölf Jahren

Am Samstag hatte der Vizemeister die Münchner Schachakademie (MSA) Zugzwang mit 6:2 überrollt und seinen kleinen Vorsprung vor dem Titelverteidiger gewahrt. Mehr Gegenwehr leistete der aktuelle Tabellenzwölfter (4:12) am Sonntag beim 3:5 gegen Deizisau. Profitierte Frank Zeller bei seinem Sieg von einem simplen Figureneinsteller von Graf, zeigte Gudmundur Kjartansson eine besondere Leistung: „Wann verliert Rustem Dautov in der Bundesliga schon mal eine Partie mit Weiß?“, fragte Gerald Hertneck rein rhetorisch. Die Antwort: Auf den Tag zuletzt vor zwölf Jahren! Am 4. Februar 2012 musste Dautov zuletzt als Anziehender Dennes Abel zum Sieg gratulieren. Ansonsten hatte er nach seinem Wechsel von der OSG Baden-Baden nach Deizisau nur 2017 gegen seinen früheren OSG-Teamkameraden Arkadij Naiditsch einmal mit Schwarz verloren. In einem spannenden Endspiel opferte der Isländer eine Figur und brachte danach dank des gefährlichen Freibauern auf c2 die Ernte in die Scheuer.

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„Nicht zufrieden“: Gerald Hertneck kurz vor Beginn seiner Partie gegen Dennis Wagner, die noch in der Eröffnung verloren ging. | Foto: Stefan Spiegel/SC Viernheim

Der Einzelsieg baute Hertneck auf. Der frühere 2600er-Großmeister haderte so nicht allzu sehr mit seinen zwei eigenen Niederlagen: „Ich bin mit meinen Partien nicht zufrieden. Aber ich bin jetzt 60 Jahre alt und habe eben mit meiner Elo-Zahl gegen die 2600er nur eine Gewinnerwartung von 30 Prozent“, sieht der Ex-Nationalspieler sein Leistungsvermögen realistisch. „Gegen Wagner spielte ich eine alte Variante – und als er eine Neuerung brachte, griff ich prompt sofort fehl“, erklärt Hertneck seine erste Niederlage, bevor er auch gegen Adam Kozak den Kürzeren zog. Beim 3:5 hatten überdies Robert Zysk gegen Heimann, David Shengelia gegen Dmitrij Kollars und Valentin Baidetskyi gegen Jan Gustafsson das Nachsehen.

Das achtbare Resultat ändert allerdings nur wenig an der kritischen Tabellensituation von MSA. 1,5 Brettpunkte Vorsprung trennen den Aufsteiger vom ersten Abstiegsplatz dahinter, den der SC Heimbach-Weis-Neuwied (4:12) in der 16er-Liga einnimmt. Wie Dragnev und Huschenbeth hofft auch Hertneck auf Punkte im Münchner Derby am 23. Februar. So will MSA dem Zugzwang im Oberhaus trotzen. „Vielleicht haben wir eine Restchance auf den Klassenerhalt“, sieht der 60-Jährige der zentralen Runde in drei Wochen gespannt entgegen.