Die Männer besiegen Kroatien, verpassen den EM-Titel aber auf die knappest denkbare Art und Weise. Unsere Frauen spielen zum Abschluss Unentschieden gegen die Schweiz, Elisabeth Pähtz besiegt ex-Weltmeisterin Alexandra Kosteniuk
Die Vergabe des EM-Titels war hochdramatisch. Deutschland erfüllte seine Aufgabe, indem Dmitrij Kollars den Big Point des Tages holte. Alexander Donchenko und Vincent Keymer hatten zwar durchaus Chancen auf mehr, am Ende stand aber ein souveränes 2.5 : 1.5 für das deutsche Team gegen Kroatien. Das wahre Drama entfaltete sich allerdings erst nach dem deutschen Match.
Serbien war vor der Runde punktgleich mit Deutschland an der Spitze und spielte gegen Griechenland. Der Kampf schwankte hin und her. Aber als es gerade so aussah, als ob Griechenland den Serben ein Unentschieden abringen kann, kippte Stamatis Kourkoulos-Arditis erst vom Gewinn in den Ausgleich. Und dann entglitt sie ihm komplett. Serbien gewann 3:1 und am Ende sollte dieses Ergebnis genau einen halben Brettpunkt zu hoch sein, damit Deutschland den Titel holt.
Da beide Teams Mannschaftspunktgleich waren, musste als Feinwertung die Olympia-Sonneborn-Berger-Wertung entscheiden. Ohne uns in den Details dieser komplizierten Wertung verlieren zu wollen, führte es dazu, dass schließlich der Kampf Island gegen die Türkei die EM entscheiden würde. Wenn die Türkei gewinnt, wäre Deutschland Weltmeister, wenn Island Remis hält oder gewinnt Serbien.
Beim Stand von 1:1 presste die Türkei an zwei Brettern, objektiv war aber alles haltbar. Cemil Can Ali Marandi versuchte es schließlich bis zum 124. Zug im Springer Turm gegen Turm Endspiel. Aber trotz aller Versuche und sogar einer fehlerhaften Remisreklamation seines isländischen Gegners, war am Ende nicht mehr als ein Remis drin. Serbien war Europameister, Deutschland hatte Silber. Ein bitteres Ende einer großartigen EM.
Die gesamte Mannschaft war das Turnier über gesundheitlich angeschlagen und teilweise sogar ganz außer Gefecht gesetzt. Dass sie trotz dieser widrigen Umstände mit um den Titel gespielt und Silber geholt hat, ist sensationell!
Für unsere Frauen gab es zum Abschluss gegen die Auswahl der Schweiz ein 2:2 Unentschieden. Damit setzte sich leider eine Reihe unglücklicher Ergebnisse in der zweiten Turnierhälfte fort, in der scheinbar das letzte Quäntchen Glück der Nationalmannschaft um Trainer Yuri Yakovich nicht mehr hold war.
Der Mannschaftskampf begann schon zu Ungunsten der Deutschen. Hanna Marie Klek wählte gegen die sonst eher ruhig spielende Ghazal Hakimifard als Nachziehende die scharfe Drachenvariante. Und statt eines harmloseren, erwarteten Aufbaus entschied sich Hakimifard, den Fehdehandschuh aufzunehmen. In der folgenden, scharfen Partie fand die Schweizerin die besseren Pläne und erlegte Hanna Maries Drachen noch vor der Zeitkontrolle.
Den Rückstand wettmachen konnte dafür Elisabeth Pähtz. Gegen die ehemalige Weltmeisterin Alexandra Kosteniuk, die seit Kurzem für die Eidgenössinnen spielt und mit der Elisabeth schon dutzende Male in der Vergangenheit die Klingen kreuzte, entwickelte sich ebenfalls aus der Rossolimo-Variante der Sizilianischen Verteidigung heraus ein scharfer Kampf. Als Elisabeth mit den schwarzen Steinen spielend in der g-Linie ihre Türme verdoppelte, zogen sich die Wolken schnell über der weißen Königsfeste zusammen. Nach einem taktischen Intermezzo konnte Elisabeth Material gewinnen und die Partie in ein technisch gewonnenes Endspiel abwickeln. Der volle Punkt war dann nur eine Frage der Zeit.
Jana Schneider spielte am vierten Brett eine beherzte Angriffspartie gegen Sofiia Hryzlova und setzte den gegnerischen König durch Materialopfer unter Druck. Die Partie blieb jedoch immer so kompliziert, dass sich zu unseren Ungunsten leider kein entscheidender Schlag finden ließ. Schlussendlich willigte Jana trotz besserer Stellung in komplizierter Lage in die Punkteteilung an, wohlwissend, dass Bundestrainer Yuri Yakovich am Brett von Dinara Wagner sich sehr gute Gewinnchancen versprach.
Doch hier sollte die Rechnung leider nicht aufgehen. Dinara gewann zwar erst einen, dann einen zweiten Bauern. Doch die ungleichfarbigen Läufer gestatteten es ihrer Gegnerin, eine Festung zu bauen, die nicht zu durchbrechen war. So stand am Ende des Tages ein unglückliches 2:2 gegen die Schweiz, was durchaus auch ein knapper Sieg hätte werden können.
Das Team um Yuri Yakovich beendet die Team-EM damit auf einem siebten Platz. Gestartet von Rang drei ist dies kein Erfolg, aber auch kein Beinbruch. Schon ein Sieg gegen die Schweiz, der gut möglich war, hätte es unsere Frauen auf Platz 5 vorgespült.
Zum Turnier:
Bei der Mannschafts-Europameisterschaft werden neun Runden nach dem so genannten Schweizer System gespielt, bei dem nach Möglichkeit in jeder Runde punktgleiche Mannschaften gegeneinander antreten. Die Mannschaften bestehen aus vier Spielern und einem Auswechselspieler. Die Punkte (ein Punkt für einen Sieg, ein halber Punkt für ein Unentschieden) an den vier Brettern werden zusammengezählt, die Mannschaft mit den meisten Brettpunkten erhält 2 Mannschaftspunkte, für ein Unentschieden gibt es einen Mannschaftspunkt.
Fotos:
Alle Bilder: DSB/Paul Meyer-Dunker
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