Dezember 2, 2024

100 Tage im Amt – Interview mit der Präsidentin des Deutschen Schachbunds Ingrid Lauterbach

1) Sehr geehrte Frau Lauterbach, sie sind jetzt 100 Tage im Amt als erste Präsidentin des Deutschen Schachbundes. Wie war die Einarbeitungszeit?

Spannend: viele unterschiedliche Themen, wir als Präsidium mussten uns ja alle einarbeiten, und zusammenfinden, da keiner von uns vorher im Präsidium war. Es galt auch kritische Positionen zu füllen, die direkt nach dem Kongress offen waren (wie z.B. der Fide Rating Officer, aber auch die Referenten für Breiten- und Onlineschach), aber auch das Projekt der Einführung von nu hat natürlich für uns eine hohe Bedeutung.

2) Am Wichtigsten halte ich den sportlichen Aspekt. Wie sehen sie die aktuelle Lage?

GM Vincent Keymer schlug Magnus Carlsen, GM Elisabeth Pähtz gewann gegen die Weltmeisterin. GM Dinara Wagner gehört zur erweiterten Weltspitze. Bei den Männern haben wir eine große Breite an sehr guten Spielern, in der Jugend rücken Top-Talente nach. 

 Die jüngsten Ergebnisse unserer Spitzenspieler sind wirklich vielversprechend, Vincent und Elisabeth haben gezeigt, dass sie jeden schlagen können, Dinara hat zwei unglaubliche Turniere hintereinander gespielt, und wenn wir uns den Worldcup anschauen, dann haben sich alle teuer verkauft. Dass wir dann auch bei den ganz jungen Spielern etliche sehr vielversprechende Talente haben (wie z.B. C. Glöckler, H. Besou, M. Deuer) kann nur Hoffnung für die Zukunft machen. Jetzt drücken wir erstmal alle die Daumen, dass unsere Frauen bei der Schachmannschaftsweltmeisterschaft der Frauen die nächste Woche beginnen, ihre Erfolge fortsetzen können!

3) Die finanzielle Schieflage des DSB hält weiterhin an. Wie ist da der Stand?

Wir haben die Kontrolle der Finanzen durch regelmäßige Berichterstattung und unterjährigen Soll – Ist – Vergleich verbessert, und schauen uns natürlich alle Ausgaben an, um diese kritisch zu hinterfragen. In diesem Modus werden wir sicher noch einige Zeit sein müssen. Zusätzlich läuft im Moment die Untersuchung unseres internen Ausschusses, dessen Ergebnisse wir uns dann ansehen müssen.

4) Das komplette Präsidium ist neu, wie läuft die Einarbeitung, wie läuft die Zusammenarbeit?

Wir machen sicher im Moment häufiger und längere Sitzungen als unsere Vorgänger, aber das ist ja nicht erstaunlich bei der Fülle der Themen, die es zu bearbeiten gibt. Wir haben auch Treffen mit allen Referenten aufgesetzt, die zu guten Diskussionen geführt haben. Insgesamt sehe ich uns auf dem richtigen Weg.

5) Die DSJ überlegte ja nach dem Kongress den Weg zum Insolvenz. Was ist seitdem passiert?

Wir sind im regelmäßigen Austausch, und mein Eindruck dazu ist ehrlicherweise gespalten: mit der überwiegenden Mehrheit lässt sich sehr gut zusammenarbeiten, auch konstruktiv, als Beispiel: wir hatten sogar mit der DSJ einen Plan B vereinbart,  falls wir uns nicht in kurzer Zeit auf die Zuschüsse zu den Projekten hätten einigen können, um eben jede Zahlungsschwierigkeit für die DSJ auszuschließen. Erfreulicherweise war es nicht nötig, diesen zu aktivieren. Getrübt wird dieses Bild aber immer wieder von Einzelnen, wo ich den Eindruck habe, dass man bewusst, unsere Bereitschaft zum Zusammenarbeiten nicht anerkennen will. Im Interesse des Schachs in Deutschland werden wir aber einen gemeinsamen Weg finden müssen, den alle mittragen.

6) Welche sind die nächsten Schritte beim DSB?

Im Moment bereiten wir uns natürlich auf den außerordentlichen Kongress vor mit den entsprechenden Haushaltszahlen, im Online Bereich wurde der Probebetrieb auf Lichess als erster Schritt gestartet, da sollen weitere folgen. Die Entscheidung, ob wir einen Gipfel in 2024 haben oder ob wir Einzelausrichter für unsere Meisterschaften finden müssen, wird die weiteren Schritte für die Ausrichtung unserer wichtigsten Turniere bestimmen.

Das am 20. Mai 2023 gewählte DSB-Präsidium (v.l.n.r.): Guido Springer, Axel Viereck, Ingrid Lauterbach und Jürgen Klüners

7) Wie groß ist ihr Zeitaufwand für dieses Ehrenamt?

Mehr als ich dachte 😊, aber es ist schwer zu sagen: zum Einen kommt viel Ungeplantes dazwischen, zum anderen ist auch die Frage wie man rechnen will:  wenn ich jetzt in Düsseldorf bei der WRTC als Schiedsrichter teilnehme, aber jede Pause nütze um wichtige Gespräche z.B. mit den Präsidenten unserer Nachbarföderationen zu haben, soll ich das mitzählen? In meiner früheren Tätigkeit habe ich immer gesagt: Cybersecurity macht man nicht von 9-17 Uhr, da Bedrohungen sich auch nicht an diesen Plan halten, so ähnlich sehe ich es auch jetzt, ich habe keinen festen Zeitplan, ich mache was ich für nötig und richtig halte. Dadurch dass ich nicht berufstätig bin, habe ich den Vorteil, dass ich mir das auch so einrichten kann. In der Zeit als ich berufstätig war, hätte ich dies nicht in dieser Form tun können.

 

8) Gibt es schon Pläne für die nähere Zukunft ein runder Geburtstag kommt ja auf den DSB zu!

Im Moment fokussieren wir uns noch auf die Planung von 2024, aber wir wissen, dass wir möglichst rasch auch für 2027 die Planung und Gespräche beginnen müssen.