Dezember 2, 2024

Eine erfolgreiche Reise nach Remagen – und strenge Anti-Cheating-Maßnahmen

Der Schachclub Viernheim konnte sich Anfang Februar bei der Doppelrunde der 1. Schachbundesliga in Remagen zweimal gegen starke Gegner durchsetzen und verbleibt verlustpunktfrei an der Tabellenspitze der stärksten deutschen Spielklasse, knapp hinter dem deutschen Serienmeister und Titelfavoriten, OSG Baden-Baden. Neben dem Geschehen auf den Brettern spielten die strengeren Anti-Cheating-Maßnahmen ein Rolle, waren allerdings für den sportlichen Ausgang der Wettkämpfe nicht entscheidend.

Nodirbek, Ilja und Shakh studieren das frisch gedruckte Bundesliga-Magazin des Vereins (Foto: Stefan Spiegel)

Am Vorabend freuten sich die Südhessen beim traditionellen Mannschaftsessen zunächst über das erste persönliche Treffen mit ihrem Neuzugang, GM Nodirbek Abdusattorov. Der 18-jährige Weltklassespieler aus Usbekistan hatte kurz zuvor schon beim Tata Steel Turnier in Wijk aan Zee erneut für einiges Aufsehen gesorgt, und war von dort direkt nach Remagen weitergereist.

Am Samstag Nachmittag stand dann bei dem von den Remagener Gastgebern vorbildlich ausgerichteten Bundesliga-Wochenende für den Schachclub Viernheim der Wettkampf gegen das starke und erfahrene Team von SV Mülheim Nord an. Die Südhessen waren nominell etwas favorisiert und konnten sich am Ende mit einem deutlichen 6,5:1,5 durchsetzen, wobei dieser Sieg wohl einen Punkt zu hoch ausfiel, was diesmal nicht nur Gefühlssache war, sondern einen ganz konkreten Grund hatte. Aber der Reihe nach: Am Spitzenbrett remisierte GM Shakhriyar Mamedyarov mit Schwarz problemlos gegen GM David Navara, während GM David Anton-Guijarro an Brett 5 in gewohnt aggressiver Weise einen überzeugenden Sieg verbuchen konnte. Ebenso souverän war der Sieg von GM Nodirbek Abdusattorov am zweiten Brett in einer komplizierten Stellung mit unorthodoxer Materialverteilung (Dame gegen 3 Figuren). Zwischenstand damit 2,5:0,5 für Viernheim und insgesamt gute Aussichten, lediglich GM Yuriy Kryvoruchko an Brett 3 fand keine Verteidigung gegen die Endspielführung seines Gegners GM Daniel Fridman und musste dann auch bald aufgeben.

Und damit beginnt der Teil des Wettkampfes, der vor allem die online-Zuschauer vor einige Rätsel stellte: Warum ist ein Sieg für Yuriy eingetragen, dessen Stellung doch offensichtlich aufgabereif war; ein Übertragungsfehler? Die Erklärung war jedoch eine andere: Die Partie der beiden Spieler wurde per Los für eine Personenüberprüfung per Scanner ausgelost, nach Partieende und ohne Verdachtsfall. Dies geschieht im Rahmen der verschärften Sicherheitsmaßnahmen, mit denen Betrugsversuche mit elektronischen Hilfsmitteln möglichst ausgeschlossen werden sollen. Und bei dieser Kontrolle stellte sich heraus, dass Daniel Fridman ein (ausgeschaltetes) Handy zwar nicht am Körper, aber doch in seiner Tasche direkt am Brett mitführte. Es bestand zwar kein konkreter Verdacht auf einem Betrug, und Yuriys Gegner räumt auch sofort und ohne Protest ein, dass ihm die verschärfte Regeln nicht bewusst gewesen waren. Die Schiedsrichter haben unter diesen Umständen aber keinen Ermessensspielraum und mussten die Partie zugunsten von Yuriy werten, unabhängig vom schachlichen Ergebnis auf dem Brett.

fg
Diese Partie sollte nach ihrem Ende noch unerwartete Aufmerksamkeit bekommen … (Foto: Stefan Spiegel)

Nach dieser unerwarteten Wendung gab es bei den noch laufenden Partien dann keine Überraschungen mehr, und GM Bassem Amin gewann ebenso überzeugend an Brett 6 wie kurz danach GM Anton Korobov an Brett 5, während GM Arik Braun ein Remis an Brett 7 beisteuerte. In der letzten Partie des Wettkampfes musste sich GM Ilja Zaragatski dann letztendlich auch mit einem Remis zufriedengeben, womit der Endstand von 6,5:1,5 für den Schachclub Viernheim gegen SV Mülheim Nord erreicht war. Ungeachtet der zeitweisen Irritationen war das ein insgesamt souveräner Sieg der Südhessen, und ein guter Start in das Wochenende.

Am Sonntagmorgen galt es für den Schachclub Viernheim dann gegen das sehr starke Team des vielfachen deutschen Meisters, SG Solingen, seine Ambitionen auf einen Spitzenplatz in dieser Saison durch einen erfolgreichen Wettkampf gegen einen der direkten Mitkonkurrenten zu untermauern. Am Spitzenbrett einigte sich Viernheims GM Shakhriyar Mamedyarov mit seinem Weltklassekollegen und Solingens Spitzenbrett, GM Jorden van Foreest, nach einem kurzen aber taktisch heftigen Schlagabtausch in der danach verflachten Stellung auf ein Remis, ebenso friedlich endeten die Partien von GM Bassem Amin und GM Georg Meier (der für GM Ilja Zaragatski in das Team gekommen war), während GM Arik Braun kurz nach der Zeitkontrolle den ersten vollen Punkt des Wettkampfes sicherstellen konnte. Zwischenstand damit 2,5:1,5 für die Südhessen, was die Solinger durch den Verlust von GM Anton Korobov wenig später wieder ausgleichen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war aber absehbar, dass die Viernheimer in den drei noch laufenden Partie Vorteile hatten bzw. zumindest keinerlei Verlustgefahr bestand. GM Yuriy Kryvoruchko konnte dann seinen Vorteil zu einem vollen Punkt verdichten, während GM David Anton-Guijarro in ausgeglichener Stellung eine Unaufmerksamkeit seines Gegners ausnutzen und ebenfalls gewinnen konnte – womit auch der Wettkampf mit 4,5:2,5 zugunsten der Südhessen entschieden war.

u
Zwei bemerkenswerte Partien: links Nodirbek Abdusattorov gegen Markus Ragger, rechts Shakhriyar Mamedyarov gegen Jorden van Foreest (Foto: Stefan Spiegel)

Den Schlusspunkt setzte dann GM Nodirbek Abdusattorov an Brett 2, der in einer sehenswerten Partie gegen die aufmerksame Verteidigung von Weltklassespieler GM Markus Ragger kein Durchkommen in einem Endspiel mit erneut ungewöhnlicher Materialverteilung (4 Bauern gegen 1 Läufer) fand und in das Remis einwilligen musste. Mit dem 5,0:3,0-Erfolg des Schachclub Viernheim gegen die SG Solingen konnten die Südhessen einen insgesamt sicheren Sieg gegen einen ausgesprochen starken Konkurrenten sicherstellen, und bleiben weiter im Rennen um den Meistertitel, knapp hinter dem Titelverteidiger und Serienmeister OSG Baden-Baden. Beide Vereine haben dabei noch eine weiße Weste und konnte alle bisherigen Wettkämpfe in der laufenden Saison der 1. Schachbundesliga gewinnen.

Und als neuen Service konnte interessierte online-Zuschauer parallel zur Übertragung der Partien auch noch einem live-Stream von Viernheims GM Ilja Zaragatski folgen, der weiterhin über den YouTube-Kanal des Vereins angesehen werden kann.

uz
Ilja zu Beginn seiner Live-Kommentierung (Screenshot)

Für den Schachclub Viernheim geht es nun weiter mit seinem Heimwochenende im Viernheimer Bürgerhaus mit insgesamt drei Wettkämpfen am 24.-26. Februar.