November 21, 2024

Schach und Physik zu Silvester?

Warum nicht? Beide haben Modelle im Repertoire, um die Vorgänge rings um uns herum zu beschreiben. Die Physiker versuchen die Welt mit Hilfe von Formeln zu erklären und das Schach bildet die Lebenswirklichkeit mit den unterschiedlichen Schachfiguren ab.

Physiker machten es möglich, dass heute Raketen ins Weltall fliegen, ebenso erforschen sie den Mikrokosmos und die Merkwürdigkeiten des Alltags. Zu Silvester ist es normal, eine Flasche Sekt zu öffnen. Gewöhnlich denkt keiner darüber nach, welcher physikalischer Vorgang dahinter steckt. Zu Hause wird man vermeiden, dass der Sekt wie eine Fontäne aus der Flasche geschossen kommt, während diverse Sportarten dies für Rituale verwenden. Man will lieber den edlen Tropfen genießen als sinnlos vergießen. Und so mancher wird fragen – was hat das mit Schach zu tun? Ganz einfach, Schachspieler öffnen ihre Sektflasche anders. Es gilt: „Was für den einen Hochgenuss ist, beschert den anderen Verdruss“.

Die Tradition, mit Sekt in der Silvesternacht anzustoßen, reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die Physiker interessieren sich nicht nur, wie man Raketen ins All schießt, sondern auch dafür, was physikalisch beim Entkorken einer Sektflasche vorgeht. 2008 ließen die deutschen Professoren Thomas Hantschke (Mathematik) und Friedrich Balck im Dienst der Wissenschaft Sektkorken knallen. Bei der Flaschengärung entsteht Kohlendioxid, dass sich zum einen Teil im Sekt löst und zum anderen Teil zwischen Sekt und Korken ansammelt. Das Kohlendioxidgas übt einen beträchtlichen Druck auf den Korken aus. Unter Normalbedingen beträgt der Druck 2,5 bis 4 bar und kann bei Zimmertemperatur auch mal 7 bar erreichen. Die Forscher maßen Geschwindigkeiten von 40 bis 100 km/h. Französische Physiker stellten die direkte Abhängigkeit der Temperatur des Sektes mit der Flugweite und Fluggeschwindigkeit des Korkens fest. Sie wiesen darauf hin, dass die beim Entkorken freiwerdende Energie zu fast 95 Prozent in Schallenergie (Knall) umgewandelt wird. Wem das alles zu gefährlich ist, dem steht das Schachbrett als Alternative zur Verfügung. Dort kann der Sektkorken quasi virtuell knallen und allenfalls den Gegner in höchste Bedrängnis bringen.

Matt in 2 Zügen

Für die Lösung kommt es auf die richtige Technik des Entkorkens an. Schließlich soll der schwarze König nicht aus dem Mattnetz entweichen, sondern in zwei Zügen Schach matt sein.

Zurück zu den Naturwissenschaftlern. Sie sind Wesen aus Fleisch und Blut, sie mögen die schönen Dinge des Lebens und haben trotz wissenschaftlicher Strenge viel Humor, was die Physiker Prof. Dr. rer. nat. Lutz Kasper (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) und Dr. Patrik Vogt (Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (ILF) Mainz) mit Ihrem Fachbuch über Wein bewiesen:

  • „Physik mit Barrique – Eine Weinprobe in 50 Experimenten“, Buch hier erhältlich: Link
  • Wieviel Kohlendioxidblasen hat ein Glas Bier (How Many CO 2 Bubbles in a Glass of Beer?) Link
  • Blasendynamik in verschiedenen handelsüblichen kohlensäurehaltigen Mineralwässern (Bubble dynamics in various commercial sparkling bottled waters) Link
  • „Champagner erzeugt in einer Flöte verschiedene rhythmische Blasenbildungen“ (Champagne Experiences Various Rhythmical Bubbling Regimes in a Flute) Link
  • Physik & Barrique – Eine Weinprobe in 10 Experimenten“, Video Link 

 

Und nun die Lösung zur obigen Aufgabe: „Mit Sekt anstoßen“ lautet die Lösungsformel. Die Sektflasche wird mit einem Knall geöffnet. Der Korken (Bauer auf d7) fliegt von der Flasche, landet auf dem Feld d8 und verwandelt sich in einen Springer.

Schwarz stellt verdutzt fest: „Er ist im Zugzwang.“ Am liebsten würde er eine Runde aussetzen. Nur die schwarzen Bauern können noch einen legalen Zug ausführen, wobei sie ihren König ins Verderben stürzen. Denn im darauffolgenden Zug setzt Weiß den schwarzen König matt:

Verfasser der Schachstudie: Vladimir Korolkov

Quelle: Revista de Șah, 1962