Conrad Schormann – Die Freude währte nur einige Stunden. Nach einer knappen, umkämpften Niederlage am Samstag gegen den in Starbesetzung angetretenen SC Viernheim haben die SF Deizisau die Tabellenführung in der Schachbundesliga abgegeben. Nicht an ihre Grenke-Schwestermannschaft aus Baden-Baden, auch nicht an die Viernheimer. Stattdessen grüßt die SG Solingen von ganz oben. Dank ihres schon ausgetragenen und 5:3 gewonnenen Siebtrundenmatches gegen Mülheim-Nord sind die Solinger die einzige Mannschaft der Liga mit vier Siegen aus vier Matches. Auch am Samstag triumphierten die Solinger, die sich für ihr 4,5:3,5 über Aufsteiger Deggendorf allerdings arg strecken mussten.
Von der Mannschafts-WM in die Bundesliga: Unter der Woche hatten Jules Moussard (links) und Shakhriyar Mamedyarov in ihren jeweiligen Nationalteams um internationale höchste Ehren gespielt. An diesem Wochenende geht es für beide im Vereinsteam um nicht weniger als die Deutsche Meisterschaft. | Foto: Angelika Valkova
Der Knaller des Bundesligawochenendes kam schon am Freitag aufs Brett.
Aleksandar Kovacevics wunderbares Mattfinale war Teil des Siegs des Aufsteigers Kirchweyhe über den großen Nachbarn Werder Bremen in der vorgezogenen siebten Runde. Die Bremer haben nun einen denkbar verkorksten Saisonstart hingelegt. Am Samstag setzte es eine weitere Schlappe, allerdings eine, die die Mannen von der Weser eingeplant haben dürften:
Mit Weiß gewinnen, mit Schwarz nichts anbrennen lassen, war die Baden-Badener Devise, aus der nur Alexander Donchenko vollends ausscherte. Mit den schwarzen Steinen legte er seine Caro-Kann-Partie gegen Roland Pruissers scharf an und vollendete nach einigem Hin und Her sehenswert.
Wie es sein kann, dass der sonst zuvorderst auf Sicherheit bedachte Jan Gustafsson so schnell gewinnt? Vielleicht hing es damit zusammen, dass er erwartet wurde – als Schachkommentator beim Online-Turnier „Mr Dodgy Invitational“, bei dem sich Gustafssons Mannschaftskamerad Vincent Keymer am Vorabend des Matches für die K.o.-Endrunde qualifiziert hatte.
Nach einer frühen Punkteteilung am ersten Brett zeichnete sich bald ein ungefährderter Sieg Kirchweyhes im Duell der Aufsteiger ab. Unter den drei deutschen der 16 Akteure, den drei Youngstern auf Seiten Schönaichs, hatte der ehemalige Deutsche A-Jugend-Meister Nils Richter bei seinem ersten Sieg in der Bundesliga Grund zur Freude. Getrübte Freude freilich, seiner Mannschaft half der Sieg nicht.
Mit dem breitestmöglichen Kreuz ging Münchens Gawain Jones ins Match: Am Vortag hatte er beim „Mr Dodgy Invitational“ keinen Geringeren als Magnus Carlsen geschlagen. Gegen David Navara gelang ihm das am ersten Brett in der Schachbundesliga nicht. Die Partie endete ebenso wie sechs andere dieses Kampfes remis.
Die Mülheimer mussten bis zum Schluss zittern, ob sie mit einem 4:4 davonkommen. Nachdem Aleksandar Indjic für München seinen Mehrbauern sicher verwertet hatte, oblag es auf Mülheimer Seite Volkmar Dinstuhl, seine Mehrqualität in einen vollen Punkt umzumünzen.
Der Aufsteiger schien auf dem Wege zu sein, Solingen einen Punkt abzuknöpfen. 0:0 stand es noch kurz vor der Zeitkontrolle in einem ausgeglichenen, umkämpften Match. Dann unterlief Miroslav Miljkovic auf Seiten Deggendorfs beim Versuch, gegen Loek van Wely energisches Gegenspiel aufzuziehen, ein Rechenfehler, der bald die Partie kostete. Dieser einzige volle Punkt sollte Solingen letztlich zum Matchgewinn genügen – und zum Gipfelsturm. Mit nun vier Siegen aus vier Matches besetzen die Klingenstädter den Platz an der Sonne einer Tabelle, deren Bild allerdings noch schief ist, so lange der siebte Spieltag tröpfchenweise nachgeholt wird.
Um gegen die starken Deizisauer einen weiteren Schritt Richtung Meisterschaft zu unternehmen, schickte Viernheim das bestmöglich Oktett ins Rennen. WM-Kandidat Jan-Krzysztof Duda feierte seine Saisonpremiere, und Shakhriyar Mamedyarov sowie Igor Kovalenko reisten direkt von der Mannschaftsweltmeisterschaft in Israel an.
Letzterer hatte bis kurz vor der WM an der Front in der Ostukraine gekämpft. Kovalenko, studierter Theologe, war im April zum aktiven Dienst einberufen worden. Jetzt erholt er sich von einer Knieverletzung, die ihm ermöglichte, erst sein Land bei der Mannschafts-WM zu vertreten und dann für Viernheim in der Bundesliga zu spielen.
Auch auf Seiten Deizisaus spielte mit dem Franzosen Jules Moussard ein Großmeister, der direkt aus Ost-Jerusalem angereist war. Und er machte seine Sache mit einem Schwarzremis gegen Mamedyarov ordentlich, ebenso wie Deizisaus Matthias Blübaum am zweiten Brett, der gegen Duda zwar kaum einmal Aussicht auf Vorteil hatte, aber vor allem nie in Gefahr war, mehr als einen halben Punkt abzugeben.
Im ausgeglichenen Match zeichnete sich ab, das Entscheidungen am ehesten in den beiden Partien fallen würden, in denen es Spitz auf Knopf stand. Während Dmitrij Kollars Attacke gegen die erfindungreichen Riposten von Anton Korobov nicht durchdrang, entglitt Andreas Heimann bei knapper Zeit sein Gefecht gegen David Anton.
„Gegen Berlin wird es immer ein harter Kampf“, hatten die Hamburger schon vor dem Match geahnt, und diese Ahnung sollte sich bald bestätigen, als die Hamburger einen Rückstand hinterherlaufen mussten. Am Ende hing es an Thies Heinemann, sein Endspiel am achten Brett zu gewinnen, eine Aufgabe, die er filigran vollendete.
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