Das Wesen einer Schachpartie besteht darin, das stets nur ein kleiner Teil dessen aufs Brett kommt, was in den Köpfen der Kontrahenten vor sich gegangen ist. Im Falle von Tykhon Cherniaiev führte das in der dritten Runde dazu, dass sein Sieg ein zwar ansehnlicher war, aber kein spektakulärer. Weil das Beste hinter den Kulissen geblieben ist (bzw. in Tykhons Kopf), seien die Lesenden nun eingeladen, es zum Vorschein zu bringen.
Was während der dritten Runde in Dieter Morawietz’ Kopf vor sich gegangen ist, wissen wir nicht, aber es muss schachlich von erlesener Qualität gewesen sein. Auf der anderen Seite des Brettes balancierte Liviu Dieter Nisipeanu am Abgrund. Eines Stupsers bedurfte es noch, und die langjährige deutsche Nummer eins hätte sich nicht mehr halten können. Aber auch hier blieb das Spektakuläre, das in der Luft lag, hinter den Kulissen.
Mit höchster Wahrscheinlichkeit ist auch auf dem Brett vom Münchner Lokalmatador Robert Heigermoser einiges hinter den Kulissen geblieben. Aber das Entscheidende eben nicht. 22. f5! öffnete die Schleusen und markierte den Beginn eines Feuerwerks, das dem Traunsteiner einen IM-Skalp sicherte.
Ein klarer Kandidat für den Schönheitspreis, den in der zweiten Runde Großmeister Bobby Cheng für seinen großmeisterlichen Ausknipser …Lf1+ abgeräumt hat.
Gestern haben wir an dieser Stelle mit den drei Teenagern begonnen, die nach zwei Runden vor einer Reihe von Großmeistern das Feld anführten. Es war zu erwarten, dass sich diese Reihenfolge nach der dritten Runde umkehrt. Katharina Katter (17) etwa wehrte sich wacker gegen Keymerbesieger Gerlef Meins, unterlag aber doch. Und Jomon Jinan, der Tabellenführer von gestern, wird auch nach der dritten Runde zufrieden sein. Seinem großmeisterlichen indischen Landsmann G.N. Gopal hat der 18-Jährige ein Remis abgeknöpft, und mit 2,5 Punkten und einer Performance nahe 2700 bleibt er zumindest in Sichtweite der Tabellenspitze.
Elf Spieler führen jetzt mit weißer Weste das Feld an, darunter sechs Großmeister – und doch ein Teenager. Laertes Neuhoff (12) aus Leipzig, eines der Ausnahmetalente im deutschen Kader, hat sich unter diejenigen Spitzenkönner gemischt, die alle drei Partien gewonnen haben. Morgen bekommt er seinen ersten Titelträger vorgesetzt, den ehemaligen Bayerischen Meister und German-Masters-Teilnehmer FM Eduard Miller.
Ansonsten stehen in der vierten Runde die ersten beiden Großmeisterpaarungen der 25. OIBM auf dem Programm: Schröder vs. Safarli und Halkias vs. Sanal.
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