Neben dem A- und B-Open fanden auch mehrere geschlossene Rundenturniere mit allerlei Schachprominenz statt: Das No Castling Masters, der Deutschland Grand Prix, der NRW Sportland Cup und der NRW Sportland Cup der Frauen.
Die Spielbedingungen in Dortmund waren hervorragend. Alle spielten in einem großen Saal, dem Goldsaal der Westfalenhallen. Oben auf der Bühne saßen die Spieler des Deutschland Grand Prix, bei dem u.a. Eljanov, McShane und Navara am Start waren, und die Spieler des No Castling Masters mit Anand, Adams, Fridman und meinem Trainer Dmitrij Kollars. Direkt vor der Bühne hatten die beiden NRW Sportland Cups ihre Bretter. Sozusagen war ich also genau unter Anand gesetzt – im räumlichen Sinn. 😊 Es war wirklich toll so nah an den Top Spielern zu spielen, dadurch entstand eine geniale Turnieratmosphäre.
Ich startete mit einem Remis gegen WGM Priyanka Nutakki aus Indien, mit der ich auf den Jugend Weltmeisterschaften schon häufig in einer Altersklasse gespielt habe. Chancen auf mehr ließ ich in der Partie vor allem aufgrund meines Zeitnotproblems liegen. Zum Glück gelang es mir in den nächsten Runden größtenteils keine Zeitnot zuzulassen.
In Runde 2 besiegte ich IM Anna Zozulia mit Schwarz, nachdem sie mit Weiß direkt in ein ausgeglichenes Endspiel abwickelte und mich dann ihren König am Rand einsperren ließ.
Gegen WGM Doluhanova spielte ich Remis, nachdem ich ein leicht angenehmeres Endspiel zu gewinnen versuchte, aber sie sich gut verteidigte.
In Runde 4 gelang mir ein schneller Sieg mit Schwarz gegen Katharina Rickens Doppelfianchetto.
An dieser Stelle setzte ich mit 9…h4 zum Angriff an, auf 10.Sxh4 ließ ich das Qualitätsopfer 10…Txh4 folgen.
11.gxh4 Sh5 und Schwarz hat schon allerlei Drohungen gegen den weißen König: Dxh4 nebst Dxh2, Sf4, 0-0-0 nebst Th8…
Wenige Züge später gab es bereits keine Rettung mehr für Weiß und ich gewann nach 20 Zügen. Nach der Partie wurde ich von IM Patrick Zelbel, dem Pressesprecher der Dortmunder Schachtage, zu der Partie interviewt und zur Analyse in den VIP-/Pressebereich eingeladen. Das Video findet ihr hier auf dem YouTube Kanal der Dortmunder Schachtage:https://www.youtube.com/watch?v=VpMSkjlugR8&t=110s
In Runde 5 und 6 hatte ich zwei Mal Weiß und bekam zwei Mal das gleiche Bauernopfer in der Französisch-Vorstoß-Variante aufs Brett. In beiden Partien lief dieses hervorragend, sodass ich gegen WIM Rakhmangulova und WFM Kucharska zwei weitere volle Punkte einheimsen konnte.
Ein schöner Moment in meiner Partie gegen Rakhmangulova war nach der Zeitkontrolle: Hier funktioniert der nette Durchbruch 43.c4! Nach 43…bxc4 kann ich zunächst meinen Springer opfern, 44.Sxc4 dxc4 45.Txc4 und bekomme anschließend ihren Springer auf c5 aufgrund der Fesselung wieder.
Meine Gegnerin stellte nach c4 den Springer zurück nach a4 um ihrerseits eine Fesselung auf den Tc2 aufzubauen. Diese kann ich allerdings ignorieren und mit 45.cxd5 an ihren König heranrücken: 45…Txc2 46.dxe6+ Lxe6 47.Txc2 und Dxc2 scheitert an 48.Da7+ nebst Matt auf e7 oder g7. Es gab keine Rettung mehr für den schwarzen König.
In Runde 7 und 8 schwächelte ich etwas. In Runde 7 kam ich gegen Maria Tsakona nicht über ein Remis hinaus. Besonders ärgerlich war allerdings die Runde 8, in der ich gegen Hanne Goossens unbedingt gewinnen wollte, um meine WGM Norm zu bekommen. Dies führte allerdings zu einem völligen Blackout und einem Figureneinsteller in einem ausgeglichenen Endspiel. Das Schachleben ist manchmal echt hart!
Meine Chancen auf den Turniersieg waren zum Glück immer noch gut. Meine Gegnerin der letzten Runde war IM Zoya Schleining, die genau wie ich bei 5,5/8 vor der letzten Runde stand. Mir war allerdings bewusst, dass ich im Falle eines Remis immer den besseren Tiebreak habe. Die erste Feinwertung war nämlich die Anzahl der Siege und dort konnte ich einen mehr als Zoya verbuchen. Allerdings konnte mich auch Evgeniya Doluhanova bei einem Sieg noch einholen. Diese spielte allerdings ein schnelles Remis, sodass mir ein Remis gegen Zoya den Turniersieg sichern würde. Ich kam mit Schwarz gut gegen sie aus der Eröffnung, sodass sie mir ein Remis anbot. Dieses nahm ich natürlich an, um den ersten Platz in der Tasche zu haben.
Die Siegerehrung war toll gestaltet. Jeweils die ersten drei Plätze der verschiedenen Turniere bekamen auf der Bühne von den Ehrengästen einen Pokal überreicht, während ein Moderator durch das Programm führte.
Das No Castling Masters gewann mein Trainer Dmitrij Kollars vor dem 15. Weltmeister Anand. Was für eine Wahnsinnsleistung! Eigentlich sollte Dmitrij im Deutschland Grandprix starten. Da aber der 14. Weltmeister Vladimir Kramnik, der eigentlich im No Castling Masters spielen wollte, in Dortmund ankam und positiv auf Corona getestet wurde, sprang Dmitrij im No Castling Turnier für Kramnik ein. Dabei hatte er nur einen Tag Zeit, sich auf die Schachvariante ohne Rochade einzustellen. Dass er trotzdem das Turnier gewinnen konnte, macht mich als seine Schülerin natürlich mächtig stolz.
Mein Werder-Bremen-Trainer Jonathan Carlstedt belgte im NRW Sportland Cup der Männer den zweiten Platz nach Artem Lutsko und vor Liam Vrolijk.
Den Deutschland Grandprix gewann erneut Pavel Eljanov vor Bogdan Deac und meinem Werder-Bremen-Teamkollegen Luke McShane.
Nach der Siegerehrung waren die ersten drei Plätze jedes Turniers zu einem gemeinsamen Essen mit den Super-Großmeistern eingeladen. So bekam ich die Gelegenheit, mich einen Abend mit David Navara zu unterhalten. Ein sehr netter Schachspieler, von dem ich ein großer Fan bin. Es war ein toller Abend!
Ich bin immer noch überwältigt von diesem tollen Event!
Vielen Dank an den Turnierdirektor Andreas Jagodzinsky und den Veranstaltungsleiter Carsten Hensel für die großartigen neun Schachtage in Dortmund mit hervorragender Organisation.
Bilder 1, 3, 4 und 5 von Michelle Lassak
Restliche Bilder privat
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