Von Gerhard Dyballa
Deutschland belegte den 9. Rang
Gert Schulz und Gerhard Dyballa erkämpften Brettmedaillen
Die 9. IBCA Team-Schachweltmeisterschaft der Blinden und Sehbehinderten fand vom 28. Juni bis 7. Juli 2022 in Ohrid, Nordmazedonien, statt. Wir waren im 4-Sterne-Metropol-Hotel untergebracht, direkt am Ohridsee. Für dieses Turnier qualifizierten sich die bestplatzierten 16 Teams der letzten Schacholympiade der IBCA. Russland wurde wegen des Überfalls auf die Ukraine vom Turnier ausgeschlossen.
Zunächst wurde in zwei Gruppen im Rundensystem gespielt. Anschließend folgten die Halbfinals und das Finale. Jeder Platz wurde damit ausgespielt.
Deutschland wurde auf Setzlistenplatz zwei in der „roten“ Gruppe geführt und spielte in der Aufstellung:
Brett Name Elo
1 Thorsten Mueller 2056
2 Olaf Dobierzin 2007
3 Frank Schellmann 2009
4 Gert Schulz 1931
5 Gerhard Dyballa 1912
Die Mannschaftsführung (Kapitän) war der Bundestrainer des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten- Schachbundes (DBSB) Wilfried Bode.
Deutschland bezwang in der 1. Runde Israel mit 2,5:1.5. Gert Schulz machte mit seinem Gegner kurzen Prozess und gewann schnell. Nach Schellmanns Zeitnotniederlage knüpfte Thorsten Mueller dem spielstarken Alexey Streltsov einen halben Punkt ab. Es stand 1,5:1,5 und die Zeitnotschlacht auf dem 2. Brett entschied den Mannschaftskampf. In den letzten verbliebenen zwei Minuten gewann Olaf Dobierzin einen Turm und damit auch seine Partie.
Deutschlands 3:1 Sieg gegen die favorisierte Mannschaft aus Serbien war nicht die größte Sensation der 2. Runde, sondern der ganzen Weltmeisterschaft. Nachdem Frank Schellmann sich mit seinem starken Gegner den Punkt geteilt und Gert Schulz seine Partie gewonnen hatte, stellte Olaf Dobierzin seinen Gegner eine Falle, indem er ihm eine Dame anbot. Nachdem Olafs Dame geschlagen wurde, gab sein Gegner einen Zug vor dem Mattsetzen die Partie auf. Daraufhin einigte sich Thorsten Mueller mit seinem Gegner auf ein Unentschieden.
In der 3. Runde wurde Kroatien mit 2,5:1,5 geschlagen. Weil Serbien die bis dahin führende Mannschaft aus Spanien 4:0 deklassierte, eroberte Deutschland den 1. Gruppenplatz. Gert Schulz gewann seine dritte Partie und Thorsten Mueller stand viel besser. Ich (der Berichterstatter Gerhard Dyballa) bot nach einer Absprache mit unserem Bundestrainer Wilfried Bode in einer unklaren Stellung Remis an, das mein Gegner annahm. Am Ende gab Mueller seinem Gegner keine Chance, sodass Schellmanns Zeitnotniederlage keine Bedeutung für unseren Mannschaftssieg hatte.
In der 4. Runde mussten wir unsere erste Niederlage mit 1:3 gegen Spanien hinnehmen. Gert Schulz erreichte nach der Eröffnung eine ausgeglichene Stellung und gab sich mit der Punkteteilung zufrieden. Frank Schellmann erkämpfte den einzigen vollen Punkt. Am 1. Brett spielte Thorsten Mueller gegen den am 1. Rang (Elo 2523) gesetzten ehemaligen Venezolaner Daniel Eduardo Pulvett Marin und unterlag nach einem langen und harten Kampf. Auch Olaf Dobierzin verlor in Zeitnot seine Partie.
Unser Spitzenbrett hatte vor dem Mannschaftskampf gegen Indien in der 5. Runde bereits morgens große Probleme mit seinen Augen und sah während seiner Partie alles nur verschwommen. Da die Mannschaften schon am Vortag aufgestellt und gemeldet werden mussten, spielte er aber trotzdem.
Am 4. Brett kannte ich mich besser als mein indischer Gegner in der Eröffnung aus und verbuchte schon schnell den ersten vollen Punkt auf dem heutigen Punktekonto. Nach den Niederlagen von Thorsten Mueller und Olaf Dobierzin rettete uns Gert Schulz mit seinem verdienten Sieg zum 2:2 Unentschieden.
Leider verloren wir unsere Mannschaftskämpfe in der 6. Runde mit 1,5:2.5 gegen Nordmazedonien und in der in der Schlussrunde der Gruppenphase deutlich mit 1:3 gegen Italien.
Gegen Nordmazedonien spielten Gerhard Dyballa, Frank Schellmann und Olaf Dobierzin je ein Unentschieden. Gert Schulz verlor seine einzige Partie bei der Weltmeisterschaft. Der Kampf gegen Italien fing mit einem Remis von Frank Schellmann an. Nach den Niederlagen von Olaf Dobierzin und Thorsten Mueller geriet ich zwar gegen den schnell spielenden Giancarlo Badano leicht ins Wanken, rettete aber schließlich ein für den weiteren Verlauf des Turniers wichtiges Remis ins Ziel.
Damit stand Deutschland nach 7 Runden einen halben Brettpunkt vor Italien auf dem 5. Platz. Die ersten 4 Plätze belegten Serbien, Spanien, Indien und Israel.
Unsere Gruppe war sehr ausgeglichen. Die nordmazedonische Mannschaft belegte den 7. Gruppenplatz mit 7 Punkten wie Indien auf dem 4. Platz.
In der „gelben Gruppe“ spielten Polen, Rumänien, Ukraine, Ungarn, Bulgarien, Slowenien, Frankreich und der Kosovo.
Polen, Ukraine und Ungarn machten die ersten 3 Plätze unter sich aus und deklassierten alle anderen Mannschaften. Polen spielte nur einmal 2:2 Unentschieden gegen die Ukraine und gewann alle anderen Mannschaftskämpfe. Die Ukraine teilte sich die Punkte außer mit Polen auch mit Ungarn.
Am Ruhetag vor den Playoffs organisierten die Mazedonier einen kostenlosen Bootsausflug auf dem Ohridsee zum Kloster Sankt Naum.
Am Abend kamen Spieler und Funktionäre zusammen, um das Leben von Dr. Ludwig Beutelhoff zu würdigen, dem ehemaligen IBCA-Präsidenten (2005-2017), der im Alter von 74 Jahren verstorben ist. Die 2. Vizepräsidentin der IBCA, Frau Diana Tsypina aus Kanada, las eine Ehrung im Namen der IBCA vor, die Dr. Beutelhoff gedachte und seine zahlreichen Errungenschaften beschrieb. Dann teilte u. a. unser Bundestrainer Wilfried Bode mit, wie der Verstorbene sein Leben veränderte.
Ehrengast dieser Gedenkfeier war dessen Witwe Christine.
In den letzten zwei Tagen wurden die Entscheidungsspiele ausgetragen. Im Halbfinale der besten 4 setzte sich Polen gegen Spanien mit 2,5:1,5 durch, während Serbien die Ukraine mit 3,5:0,5 deklassierte.
Deutschland bezwang Bulgarien mit 2,5:1,5. Ich tauschte in einer unklaren Stellung unglücklich die Damen und gab die Partie nach 51 Zügen auf. Gert Schulz und Frank Schellmann gewannen ihre Partien und Thorsten Mueller sicherte mit seinem Unentschieden den Mannschaftssieg.
Unser Gegner um den 9. Platz wurde im Spiel Frankreich gegen Italien ermittelt, das 2:2 endete. Da aber Italien in der Gruppenphase 7 und Frankreich nur 6 Mannschaftspunkte erkämpfte, spielten wir am Tag darauf zum zweiten Mal gegen Italien.
Um den Meistertitel kämpften Serbien gegen Polen und um die Bronzemedaille spielten die Ukraine gegen Spanien. Beide hart umkämpften Spiele endeten mit einem 2:2 Unentschieden, sodass die Punkte der Gruppenphase für die Platzierungen von Polen und der Ukraine entscheidend waren.
Auch Deutschland spielte 2:2 gegen Italien, wobei das Ergebnis der Gruppenphase uns den 9. Platz bescherte. Gert Schulz gewann schnell seine Partie und mit beiden Remisen von Olaf Dobierzin und Frank Schellmann kamen wir an die 2 Punkte.
Endstand:
1. Polen
2. Serbien
3. Ukraine
4. Spanien
5. Ungarn
6. Indien
7. Israel
8. Rumänien
9. Deutschland
10. Italien
11. Bulgarien
12. Frankreich
13. Slowenien
14. Nordmazedonien
15. Kroatien
16. Kosovo
Nach unserem Raketenstart mit 6 Mannschaftspunkten aus 3 Spielen erhofften wir uns natürlich mehr als den 9. Platz.
Bei der Siegerehrung verbesserte sich unsere Laune. Gert Schulz erkämpfte am 4. Brett die Silber- und ich am Ersatzbrett die Bronzemedaille.
Der Bundestrainer des DBSB Wilfried Bode bereitete einzeln die Spieler auf die Partien vor, analysierte diese mit ihnen und stand jederzeit mit guten Ratschlägen zur Verfügung. Auch die Begleiter hatten ihren Anteil an unserem Spiel. Luise Schellmann, Manuela Wich und Elisabeth Dyballa betreuten uns herzlich und gingen auf unsere Wünsche und Bedürfnisse ein.
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