Ein spannenderes Finale hätten wir uns für die Berliner Meisterschaft nicht wünschen können. In der letzten Runde hatten Raphael Lagunow, Emil Mirzoev und Johannes Florstedt alle noch realistische Chancen auf den Turniersieg. Es war angerichtet für ein aufregendes Finale und genau das haben wir bekommen. Am Ende des Tages sollte sich Johannes Florstedt mit einem Buchholzpunkt Unterschied den Titel sichern können. Aber dass es so kommen würde, war den längsten Teil des Tages nicht absehbar.
Vor der Runde war klar: Raphael Lagunow ist Meister, wenn er gewinnt. Er hatte einen halben Punkt Vorsprung auf seine beiden Verfolger. Da er allerdings auch die deutlich schlechtere Feinwertung aufwies, bestand eine hohe Chance für ihn, dass ein Remis eben nicht reichen würde. Emil Mirzoev und Johannes Florstedt mussten beide auf einen Ausrutscher von Raphael hoffen. Wenn beide gewinnen sollte, wäre es bis zum Schluss spannend, wer den Titel holt, weil Emil und Johannes nicht nur beide bei 6 Punkten standen, sondern auch die gleiche Feinwertung aufwiesen.
Die frühste Entwicklung ergab sich im Duell zwischen Emil Mirzoev und Christoph Nogly. Mit Schwarz versuchte sich Christoph mit 3…b5!? in einem Damenbauernabspiel. Dies sollte sich aber sehr bald als zu abenteuerlich herausstellen. Nachdem die etwas verirrten schwarzen Leichtfiguren fünf (!) Züge hintereinander mit direkten Drohungen übers Brett gejagt wurde, fiel schließlich erst eine Leichtfigur und sehr bald auch die Partie. Emil hatte seinen Teil getan, zusätzlich schon früh den Druck auf seine Kontrahenten erhöht und musste jetzt erst einmal abwarten. Raphael Lagunow hatte mit Weiß gegen Igor Glek nicht nur nominell, sondern auch in der Praxis die schwierigste Aufgabe des Führungstrios. Gegen die französische Verteidigung seines großmeisterlichen Gegners wählte er die Vorstoßvariante und opferte früh einen Bauern. Dieser Mut sollte allerdings nicht belohnt werden. Er erhielt den Bauern zwar zurück. Im Schwerfigurenendspiel gelang es Igor Glek allerdings, ihn zu überspielen. Damit war Raphael raus aus dem Titelrennen. Somit war Johannes Florstedt der Letzte, der Emil Mirzoev auf dem Weg zum Turniersieg noch aufhalten konnte. Seine Partie war die vorletzte des gesamten Turniers, die noch lief. Gegen den stark aufspielenden Magnus Ermitsch dauerte es über fünf Stunden, bis es eine Entscheidung gab. In einer komplizierten, Stellung gelang es Magnus zwischenzeitlich, zwei Bauern zu gewinnen und einen signifikanten Vorteil zu erlangen. Die Stellung blieb allerdings kompliziert und so geschlossen, dass das weiße Springerpaar von Johannes deutlich stärker war als das schwarze Läuferpaar von Magnus. Schließlich fielen nach einem taktischen Schlag gleich vier (!) schwarze Bauern auf einmal und der schwarze Vorteil hatte sich in einen weißen Vorteil für Johannes aufgelöst. Das Leichtfigurenendspiel war danach eine klare Angelegenheit und Johannes holte sich diesen entscheidenden Sieg.
Nach diesem Sieg war allerdings immer noch nicht klar, wer eigentlich Berliner Meister wird. Die Feinwertung war so dicht beieinander, dass man schon ganz genau nachrechnen musste. Am Ende war es ein Buchholzpunkt Vorsprung, mit dem sich Johannes Florstedt den Titel, 2.500€ Preisgeld und das Ticket zur Deutschen Meisterschaft 2022 vom 14. bis 20. August in Magdeburg. Herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Leistung. Ein Sieg gegen richtig starke Konkurrenz! An dieser Stelle der Hinweis an alle Berliner GMs und IMs sowie ambitionierten Jugendspieler: Es gibt die Möglichkeit Freiplätze zu beantragen. Wenn ihr Interesse habt, meldet euch bei eurem Präsidium! Auf den weiteren Preisrängen landeten Emil Mirzoev, Raphael Lagunow, Rene Stern, Igor Glek und Magnus Ermitsch. Wir freuen uns, dass die beiden Großmeister Emil Mirzoev und Igor Glek beide sicher in Berlin angekommen sind und bereits sowohl mit der Teilnahme an unserem IM-Turnier als auch der Berliner Meisterschaft so aktiv an unserem Schachleben teilnehmen.
Neben den Entscheidungen an der Spitze waren allerdings auch noch wichtige Entscheidungen im Tabellenkeller auszufechten. Die letzten fünf steigen ab und könnten nächstes Jahr nicht erneut an der Meisterklasse teilnehmen, wenn sie nicht im Laufe des Jahres noch ein A-Klassenturnier gewinnen sollten. In der letzten Runde „retten“ konnten sich Jonas Eilenberg, Oliver Röhr und hauchdünn Felix Nötzel. Dass Felix im Abstiegskampf landen würde, war sicher genauso überraschend wie der knappe Klassenerhalt für Jürgen Brustkern. Wir können uns aber darauf freuen, beide nächstes Jahr wiederzusehen, wo es für beide sicher besser laufen wird. Allerdings heißt das auch, dass wir uns von fünf Schachfreundinnen und Schachfreunden aus der Meisterklasse verabschieden müssen. Ingo Stark, Patrick Böttcher, Georg Tscheuschner, Sergej Krefenstein und Coco Lepu Zhou steigen dieses Jahr ab. Bei Georg ist es sicher besonders bitter, weil er eigentlich gut im Turnier lag und krankheitsbedingt die letzten drei Tage nicht mehr mitspielen konnte.
Neben den Entscheidungen in der Meisterklasse gab es aber auch noch viele weitere Entscheidungen im Qualifikationsturnier. Die wichtigste: Josef Gelman gewinnt mit einem ganzen Punkt Vorsprung das Qualifikationsturnier und darf nächstes Jahr in der Meisterklasse antreten. Herzlichen Glückwunsch! Auf den weiteren Preisrängen in absteigender Reihenfolge: Luca Mankel, Viktor Pererva, Ronald Witte und Jürgen Federau. Alle haben mit 6,5 Punkten die Berechtigung für die A-Klasse und dürfen in diesem Jahr versuchen, bei einem A-Klassenturnier die Qualifikation zur Meisterklasse zu schaffen!
Es waren schöne, ereignisreiche, erfüllende aber auch anstrengende neun Tage. Ohne die Helfer im Hintergrund, für die es zehn Tage waren, weil einen Tag vor dem Turnier bereits fleißig vorbereitet wurde, wäre das Turnier aber nicht möglich gewesen. Ein Riesendank geht an Cheforganisator Erdal Çağlar, der in kürzester Zeit ein Riesenprogramm gestemmt hat! Ebenfalls geht unser Dank an das Schiedrichterteam bestehend aus Martin Sebastian, Carsten Haase, Lothar Oettel, Jonathan Born und Stefan Weigel. Danke, dass ihr dieses Turnier möglich gemacht und für einen reibungslosen Ablauf gesorgt habt! Danken möchte ich persönlich auch Thomas Meyer, der meine Suche nach Unterstützerinnen und Unterstützern für den Preisfonds der Meisterklasse maßgeblich unterstützt hat. Danke Thomas! Danken möchten wir auch unserem Materialwart Ralf Ettel, der das Turnier nicht nur als Teilnehmer unterstützt hat, sondern vor allem dafür gesorgt hat, dass wir überhaupt etwas zum Spielen hatten und bereits einen Tag vor dem Turnier alles sortiert und herangeschafft sowie auf- und abgebaut hat. Danke Ralf! Dennis Habermann hat die Live-Übertragung das gesamte Turnier über
betreut. Ohne ihn hättet ihr zu Hause die Partien nicht verfolgen können. Außerdem hat sein Verein SV Mattnetz Berlin die DGT-Bretter und DGT-Uhren zur Verfügung gestellt. Danke Dennis, danke Mattnetz! Danken möchte ich auch allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die durch ihre Teilnahme dieses Turnier erst möglich gemacht haben. Es waren schöne neun Tage mit euch! Last but not least möchte ich dem Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg Jörn Oltmann danken, der es uns durch die Übernahme der Schirmherrschaft für die Berliner Meisterschaft im Schach ermöglicht hat, die Räume in dieser Form kostenfrei nutzen und ~2.500€ Miete sparen zu können. Vielen Dank! Die nächste Berliner Meisterschaft wird wieder am traditionellen Termin über Ostern stattfinden. Wir planen, den Preisfonds für die Meisterklasse auch für das nächste Jahr so zu erhalten. Wir und ich freuen uns darauf, euch nächstes Jahr wiederzusehen!
Paul Meyer-Dunker Präsident
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