Dieser Beitrag ist wohl weniger riskant – es sei denn, der Matlakov-Fanclub beschwert sich, dass ich seinen Wertungssieg zwar anerkenne, die extremen finanziellen Konsequenzen allerdings hinterfrage. Das – Preisgeld strikt nach Buchholz – ist nur eine der Besonderheiten des Dubai Opens. Ohnehin schreibe ich gerne über Turniere, die sonst kaum erwähnt werden.
Ich nenne nur die besten acht von 155 bzw. 163 – wieso das nicht eindeutig ist, siehe gleich: GMs Matlakov, Abdusattorov, Le Quang Liem, Kuzubov, Iturrizaga, Sanal, Indjic, IM Inyan, alle 7/9. Das sind vier der ersten fünf der Setzliste (nur der an vier gesetzte Argentinier GM Mareco musste sich mit 6/9 begnügen), nicht ganz sauber nach Elo sortiert und zwischen ihnen das usbekische Jungtalent Abdusattorov, und dann noch drei andere. Matlakov bekam 13.000$ und einen Pokal, Abdusattorov bekam 7.000$, Inyan bekam noch 1700$ und wohl keine GM-Norm. Wie die jeweilige Buchholz zustande kam, dazu später. „Keine GM-Norm“ kommt jetzt:
Bei vielen Opens gibt es erst eine Anwesenheitskontrolle und dann die Auslosung der ersten Runde, Dubai macht es umgekehrt – wer nicht erscheint, verliert kampflos. Das machte u.a. der an 7 gesetzte Azeri Eltaj Safarli, und auch der an 111 gesetzte Libanese Ali Elmejbri. Letzteres ärgerte seinen Gegner IM Inyan, jedenfalls im Nachhinein – kampflose Siege sind für Titelnormen irrelevant, demnach spielte er nur acht Partien und das reicht nicht für eine GM-Norm.
Die zweite Dubai-Besonderheit: Freitag ist Ruhetag, damit die Spieler die Doppelrunde am Samstag ausgeruht angehen können – nein, es hat sicher religiöse Gründe. Die erste Zwischenbilanz nach vier Runden: nur zwei hatten noch perfekte 4/4, IM Raghunandan und GM Indjic. Wer ist bitteschön Kaumandur Srihari Raghunandan? Ein Inder, Baujahr 2001, Elo 2370 – auch für IM-Verhältnisse bescheiden, aber mit Adly, Sanal und Pichot hatte er bereits drei GMs besiegt. Auch in Runde fünf war das Remis gegen Indjic ein Elo-Erfolgserlebnis, so ging es dann doch nicht weiter – zunächst Niederlagen gegen Kuzubov und Abdusattorov.
Nächste Zwischenbilanz nach der Doppelrunde: Nun lagen Matlakov, Kuzubov und Indjic mit 5.5/6 vorne, dahinter Tabatabaei und Iturrizaga mit 5/6. Matlakov, Kuzubov und Indjic liessen ihre Turniere mit drei Remisen ausklingen, andere hatten noch Nachholbedarf. Le Quang Liem, Sanal und Inyan hatten diesen auch noch in der letzten Runde und konnten jeweils mit Schwarzsiegen zur Spitze aufschliessen.
Die beste Wertung für Matlakov ist nachvollziehbar, aber warum hatte Indjic eine relativ schlechte Wertung? Es lag jedenfalls teilweise daran, dass sein Gegner GM Kuybokarov (war mal Usbeke, ist nun Australier) in Runde 8 kampflos verlor und in Runde 9 fehlte. Generell waren die Unterschiede nach Buchholz zwar sichtbar – man brauchte kein Super-Teleskop wie zum Fotografieren eines Schwarzen Lochs (von diversen Berichten verlinke ich mal den meines Arbeitgebers). Aber sie standen in keinem Verhältnis zu den Unterschieden im Preisgeld.
Noch ein Link gehört zu einem Beitrag: die Turnierseite, die bis einschliesslich Runde 7 berichtete, danach führte Ganguly mit 6.5/7. Warum habe ich diesen Inder nicht erwähnt? Es war 2018, seine beiden letzten Partien hatte er dann verloren. Das war nun die letzte Kuriosität des Dubai-Opens insgesamt, nun zu einigen kuriosen Dingen auf den Schachbrettern – Momente aus drei Partien mit drei einzugsbereiten Freibauern und fünf Indern. Letzteres ist nicht allzu überraschend, aus dem von Dubai aus betrachtet Nahen Osten kamen 79 der 155 Teilnehmer, die tatsächlich erschienen. Sechster im Bunde ist das Nordlicht Tabatabaei aus dem Iran, und mit dieser Partie aus Runde 8 beginne ich:
GM Debashis – GM Tabatabaei 0-1 1-0 1/2:
So stand es nach 44.Td1 – Schwarz hat einen Mehrbauern und der steht auf d2. Die Hoffnung stirbt zuletzt für Weiß, immerhin hat der schwarze König kaum Bauernschutz, vielleicht geht ja noch was? Es kam 44.-Db4? was überflüssigerweise den Bauern auf d2 deckte. Sehr gut war stattdessen 44.-Dc4, ebenfalls mit Angriff auf den Le4, was ist der Unterschied? Siehe gleich. Gut genug war auch z.B. 44.-Lxa2 da 45.Txd2? wegen 45.-Txe4 (46.Dxe4 Df1#) nicht geht. Es folgte 45.Ld5, einziges gutes Feld für den Läufer, also kein Ausrufezeichen, und nun 45.-Te1+ (konsequent und falsch, wobei der schwarze Vorteil ohnehin futsch war) 46.Kg2 Txd1 47.Lxf7+ Kxf7. Bevor ich das nächste Diagramm setze erwähne ich, dass andere Königszüge zum Matt führen: 47.-Kf8 48.Sg6# ist einfach, 47.-Kh8 48.Sg6+ Kh7 49.Df5! Tg1+! 50.Kh3! Dg4+!? 51.Kxg4! d1D+ 52.Kh4! Dd8+ 53.Kh3 usw. ist nicht so einfach. 47.-Kxf7 war demnach laut Engines der beste Zug:
Und nun? Weiß gab ohne zu zögern mit 48.Dd5+ Ke7 49.Db7+ Kd6 50.Dd5+ usw. Dauerschach, also remis. Etwas besser war 48.Sd5+ Ke8 49.De2+ nebst 50.Sxb4 – nicht ganz so gut übrigens 48.Sd3+, da nach 48.-Ke8 49.De2+? De7 nicht geht und Weiß den schwarzen d-Bauern hier nicht ohne weiteres erwischt. Tabatabaei verlor tags darauf dann gegen Sanal und landete knapp außerhalb der Preisgeldzone.
Es fehlen noch vier Inder, zunächst GM Sethuraman – IM Inyan 1-0 0-1 (!?) aus der letzten Runde:
Hier mal ein freier g-Bauer, 36.Se7+ Kf7 37.g8D+ wäre kurzzügig Matt (36.Dc2 Sxg5 37.Dg2 gewinnt auch, aber wer macht das schon?). Es kam 36.Sh6+? – Springer am Rand bringt Kummer oder Schand, aber eigentlich nicht beides – 36.-Kh7 37.Dc2 (jetzt fand Weiß den besten Zug) 37.-Kxh6 und nun fand Weiß nicht den besten Zug sondern gab auf!?
Klar, der Tg5 hängt, aber hier ging 38.g8D oder auch 38.g8T oder auch 38.Tg2 oder 38.Tf5, alles nun mit ausgeglichener Stellung.
Auch im nächsten Inder-Duell der letzten Runde gewann der IM gegen den GM, wobei er zuvor zumindest nicht schlechter stand:
IM Raghunandan – GM Chandipan 1-0
Zuvor hatte Weiß einen Bauern geopfert um seinen „Delroy“ von d6 nach d7 zu beordern. Dadurch war sein Vorteil einen halben Zug vor dem Diagramm eigentlich dahin aber zuletzt kam 33.-Kf8?? – keine Angst vor dem Lb4, den Bauern auf d7 verspeisen und alles wird gut?! Es folgte 34.Sc6! und nun war die Partiefortsetzung 34.-Txd7 35.Txd7 Sxd7 36.Lxe7+ hoffnungslos, 34.-Sxc6 35.Txc6 Txd7 36.Txb6 Td5 37.Tb5 war dies allerdings auch.
Für Raghunandan reichte es so doch für eine GM-Norm, da die Elo seines ersten Gegners zu Normberechnungszwecken großzügig von 1763 auf 2200 angehoben wird.
Diverse andere Inder spielten über ihren Elo-Verhältnissen, aber ich nenne noch zwei Spieler aus kleineren Schachländern: Prince Daniel Mulenga aus Zambia (Elo 2252) fühlte sich nach Siegen gegen WGM Tokhirjonova und GM Kuybokarov vielleicht wie ein König, auch wenn sein Land insgesamt Elopunkte verlor: Shadreck Mwansa gewann gegen Freilos, aber dafür gibt es keine Elopunkte. Seine acht anderen Partien verlor er, und das kostet auch dann Elo wenn man vor dem Turnier nur 1494 hatte. Jerlyn Mae San Diego konnte zufrieden die Rückreise auf die Philippinen antreten, 134 Elopunkte im Reisegepäck. 1836 hatte er vor dem Turnier, mit 0/2 begann er standesgemäss aber dann verlor er nur gegen GM Ghaem Maghami und erzielte 3/4 gegen Elo 2200-2400.
Deutsche Teilnehmer in Dubai Fehlanzeige, wie geht es weiter? Am Persisch-Arabischen Golf schachlich gar nicht, derzeit läuft das nächste Open in Reykjavik (reihenweise deutsche Teilnehmer, aber nur FMs und titellose Spieler) und seit heute auch die Damen-EM im türkischen Antalya – dieses Land kennt Elisabeth Paehtz, Lubbe, Osmanodja, Sieber und Heinemann spielen auch mit.
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