Zum siebten Mal ging die deutsche Mannschaft heute bei der EM im griechischen Porto Carras an die Bretter. Mit Rumänien hatte sie einen Gegner zugelost bekommen, der von einigen aufgrund des ELO-Schnitts als schlagbar eingeschätzt worden war. Und tatsächlich ließ es sich gut an in dieser siebten Runde: Georg Meier hatte früh einen deutlichen Bauern mehr und stand klar vorteilhaft – bis sich herausstellte, dass dieser Materialvorteil nur virtuell und allein durch einen Übertragungsfehler im Internet zustande gekommen war. Schade – und bald Remis.
Dann folgte die große Stunde von Daniel Fridman. Der deutsche Meister des Jahres 2008 rechnete sich gekonnt durch einige scharfe Varianten und stand schließlich mit einem Mehrbauern da.
Levente – Fridman
Umso größer der Schreck, als sich herausstellte, dass er in dieser Stellung nun eine Figur geben müsste! Doch Daniel war ja nicht umsonst schon einmal Deutscher Meister – er hatte dieses Opfer schon geplant. Mit der kurzen Rochade brachte er schnell noch seinen König in Sicherheit, um sich nach Dxc6 erst mit Le3! und gleich darauf mit Tfc8 und Tc8-c4 umso energischer auf den gegnerischen König stürzen zu können. Toll gesehen – so möchte man Schach spielen können. Es stand dadurch 1,5 : 0,5 für Deutschland.
Und dann? Nichts mehr. Große Pause. Vielleicht war es eine Kuh, die sich irgendwo auf die Leitung gestellt hatte, vielleicht war es auch der Meteorit, der noch einmal schnell an der Erde vorbeisauste – aus irgendeinem Grund zumindest kamen keine neuen Daten mehr durch bei der Live-Übertragung.
Der User Slowhand schilderte es so auf dem Blog von Jan Gustafsson:
Die Übertragung ist wirklich schlimm, ich sah schon 3 Springer, 2 weisse Läufer, Einsteller die keine waren, unvollständige Partien etc.
Eigenartig auch – Loek van Wely saß laut Mannschaftsmeldung heute sowohl für seine Holländer als auch beim Kampf Dänemark gegen Österreich am Brett. Entweder ist Loek (was wir immer schon ahnten) ein echter Teufelskerl, oder aber auch das war – ein kleiner Übertragungsfehler.
À propos Übertragungsfehler: der gemeldete Zwischenstand von Deutschland 1,5 vs Rumänien 0,5 hatte lange Zeit Bestand .. und Bestand … und Bestand. Die Übertragung wollte einfach nicht mehr so richtig funktionieren, und so saßen wir hier auf dem europäischen Festland fest und mussten lange lauern, bis neue Nachrichten eintrudelten. Derweil fiel immer wieder der Blick auf die Stellung von Arkadij Naiditsch, die nach einer Stunde erst so ….
Und nach zwei Stunden dann kaum verändert so aussah …
Nach drei Stunden dann änderte sich das Bild – es folgte ein rasanter Wechsel ins Leichtfigurenmittelspiel …
aus dem nach vier Stunden erst diese …
sowie nach fünf Stunden dann die folgende Stellung wurde:
Mit anderen Worten: nichts geschah auf den Live-Brettern. Ich fühlte mich erinnert an den Wettkampf von LaBourdonnais gegen McDonnell im Jahr 1834, den zu verfolgen ich schon damals sehr anstrengend fand. Auch dort überlegte man lang, oft viele Stunden für nur einen Zug. Man hatte daraufhin versucht, das lange Nachdenken abzuschaffen durch das Einführen von Schachuhren. Heute zumindest war bei der EM davon aber nichts zu merken. Vielleicht aber hat Arkadij auch einfach nur den Stecker aus dem elektronischen Brett gezogen? Wir bleiben dran.
In der vierten Partie des Tages eröffnete Rainer Buhmann Englisch gegen Mihail Marin, was aus zwei Gründen beachtlich ist:
a) Mihail Marin ist ein hoch angesehener Spezialist für diese Eröffnung und hat hoch angesehene Bücher darüber geschrieben. Ich kenne Leute, die lesen nur dieses Buch, weil es so schön ist – obwohl sie gar nicht vorhaben, diese Eröffnunge zu spielen.
b) Das alte und manchmal auch ganz wahre Vorurteil, dass Englisch eine langweilige Eröffnung ist, die sowieso immer mit einem Remis endet, hielt einer genaueren Prüfung heute zumindest vorübergehend nicht stand. Rainer erkämpfte sich durch pointiertes Manövrieren die bessere Stellung und einen Mehrbauern. Im Endspiel muss dann noch etwas Unerwartetes passiert sein – die Partie endete laut Whychess Remis. (Vielleicht lag es doch an der Eröffnung?)
Um 19:30 Uhr meldeten dann einige Kommentatoren in Jan Gustafssons Blog, dass der Mannschaftskampf mit einem 2:2 ausgegangen wäre. Enttäuschung ….. aber war das auch wahr? Wo war der Beleg? Doch wirklich – dieses 2:2 wurde bald auch auf der offiziellen Turnierseite und bei whychess.com auf optisch sehr ansprechende Weise bekanntgegeben. Lupulescu – Naiditsch 1:0, so die Mittteilung.
Erste Reaktion: Schade!
Doch was sollen wir sagen – das alles hat sich später so nicht bestätigt! Eine glatte Falschmeldung, zu früh, zu verkehrt, einfach nicht wahr. Eine halbe Stunde später dann stand die Wahrheit im Netz: Deutschland 2,5, Rumänien 1,5. Alles wieder gut!
Die Wirklichkeit war wieder einmal besser als es das schönste Internet je wiedergeben könnte – und die Partie von Arkadij war tatsächlich mit einem Remis zu Ende gegangen. Hurra!
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Was an den anderen Turniertischen passiert ist, wollen wir hier nur kurz im Überblick schildern:
– Die Ukraine hat wieder verloren, diesmal mit Ivanchuk und gegen die Schweiz – das ist nicht schön, aber es kann mal passieren. Warum nicht mal ein weniger gutes Turnier spielen? Es kommen auch wieder bessere Tage.
– Die Überraschungsmannschaft vom BSC Rehberge Berlin gewann gegen Island, und auch Russland und die Niederlande robbten durch ihre Siege wieder näher an die vorderen Plätze.
– Armenien holte zwei Punkte gegen Frankreich, und auch Ungarn holte tief Luft und schlug die Nachbarn aus Slowenien mit 3:1.
– Vorne am ersten Brett zeigten die Aserbaidschaner Dominator-Qualitäten und deklassierten Bulgarien mit 3,5: 1,5 – einzig Topalov war in der Lage, Schlimmeres für sein Team zu verhindern.
Morgen ist es soweit: die vorletzte Runde steht auf dem Programm. Um 14 Uhr kommt es unter anderem zu den folgenden Paarungen (in Klammern die Mannschaftspunkte):
Aserbaidschan (12) – Deutschland (11)
Armenien (11) – The Netherlands (10)
Rumänien (10) – Ungarn (10)
Bulgarien (10) – Italien (9)
Russland (9) – BSC Rehberge Berlin (9)
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Unser Beitrag neigt sich dem Ende zu, doch wir schließen natürlich nicht ohne das weithin gefürchtete
Länderporträt
Deutschlands nächster Gegner ist Aserbaidschan – was können wir dem Leser darüber berichten? Das Land liegt direkt neben Armenien, der Heimat Kasparovs und anderer starker Schachspieler. Schach ist Volkssport, die Großmeister landesweit populär. Leider gab es zwischen Armenien und Aserbaidschan immer mal wieder erheblichen Stress bzw. harte Auseinandersetzungen.
Es halten sich Gerüchte, dass die Arche Noah zumindest in der Nähe Aserbaidschans gelandet ist (Berg Ararat), und die dortige Fußball-Nationalmannschaft war bislang noch nicht so erfolgreich wie die der Schachspieler, die bestimmt schon mal Europameister waren. Oder Weltmeister, Olympiasieger?
Der Mount Ararat – (Photo von Henri Nissen/ WikiCommons, besten Dank!)
Aserbaidschan – Land weiter Felder, schöner Berge und vielleicht auch großer Steppen.
Und das Beste: die Sänger des Landes haben in diesem Jahr (schon wieder?) den Eurovision Song Contest gewonnen (vor Deutschland). Der ESC findet darum im nächsten Jahr in der Hauptstadt des Landes statt! Aber – wie heißt sie eigentlich, diese Hauptstadt?!
Blick auf die armenische Hauptstadt Yerewan – die Hauptstadt Aserbaidschans dagegen ist Baku
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Damit genug der Länderkunde (viel wusste ich ohnehin nicht, und dann war es auch noch falsch …) – und endlich weiter zum Tippspiel.
Die Frage an das Leser-Orakel für die achte Runde lautet:
Wie geht die Begegnung Deutschland gegen Aserbaidschan morgen aus?
Zu gewinnen: noch einmal die kleine DVD „Im Juli“, die wir schon in der siebten Runde ausgelobt hatten. Leider hatte niemand das ganz richtige Ergebnis getippt (nochmal Verzeihung, Helmut, für die harte Entscheidung!). Darum heute die zweite Chance für die DVD. Und zur Feier des Tages legen wir noch eine Packung AHOI- Brausepulver (Zitrone) und ein Hanuta drauf.
Bei mehreren richtigen Lösungen entscheidet wieder das Los. Abgabeschluss ist um 14 Uhr.
Viel Spaß beim Tippen, und viel Spaß vor allem morgen auch den deutschen Spielern in Porto Carras. Geht es locker an – es kann fast nur gut werden!
Tipps für das Aserbeidschan-Spiel können gerne eingereicht werden. Zu unserem Bedaueren können aber nur Ergebnisse gewertet werden, die schon bis vorhin eingegangen sind. Knapp vorbei also – schade!
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