Markus Angst – Im Alter von erst 24 Jahren gibt der Berner Grossmeister Noël Studer überraschend seinen Rücktritt vom aktiven Schachsport. In drei Wochen bestreitet
der zweifache Schweizer Meister noch die Europameisterschaft in der isländischen Hauptstadt Reykjavik – danach ist Schluss mit Spitzenschach.
Dass Noël Studer aufhört, hat nach seinen Worten weder ökonomische Gründe noch mit seinen (jüngsten) Resultaten oder verpassten Zielsetzungen in den vergangenen sechs Jahren als Schachprofi zu tun. «Ich bin für diese spannende Zeit mit vielen Hochs und Tiefs sehr dankbar. Doch selbst wenn ich jetzt in den Top Ten der Welt wäre, käme ich zum gleichen Schluss. Denn es ist für mich eine Frage des Lebensstils, den ich umorganisieren möchte.»
In den vergangenen Monaten sei ihm immer klarer geworden, «dass es mir primär darum geht, mich mit anderen Menschen zu vernetzen und ihnen zu helfen. Doch so sehr man als Sportler andere Menschen inspirieren kann, so selten ist der gegenseitige Austausch von Wissen. Und gerade das Leben eines Profisportlers kann sehr einsam und abgekoppelt von anderen Menschen sein. Ich habe jedoch realisiert, dass das Teilen von Wissen mehr Spass macht, als es für mich selbst zu behalten.»
Die Corona-Pandemie und die damit verbundene turnierlose Zeit hatte zwar laut Noël Studer keinen unmittelbaren Einfluss auf seinen Entscheid. «Doch ich hatte in den vergangenen Monaten mehr Zeit, mich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.»
Kommt hinzu, dass Noël Studer seit Sommer 2017, als er mit dem Kopf heftig an einen Türrahmen prallte, unter gesundheitlichen Problemen leidet. «Ich hatte damals eine Hirnerschütterung und ein Trauma, und auch die Wirbelsäule wurde beeinträchtigt. Das führt bis heute zu Verspannungen in der Nackenregion und starken Kopfschmerzen, was sich insbesondere in langen Partien sowie im Schnellschach, wo die Anspannung sehr hoch ist, negativ auswirkt.»
Statt zu spielen wird sich Noël Studer noch stärker auf seinem Blog «Next Level Chess» mit dem Thema Schach befassen und sein Wissen auch in Form von Video-Kursen mit der Schach-Community teilen. «Ich bin zuversichtlich», so Noël Studer, «dass ich meinen Weg finden werde.»
Auch wenn er in Zukunft nur noch selten am Brett anzutreffen sein wird («weitere Auftritte an den Schweizer Einzelmeisterschaft sind nicht geplant»), wird Noël Studer doch nicht ganz von der Schachbühne abtreten. So spielt er die Ende August beginnende Schweizerische Mannschaftsmeisterschaft (SMM) in der 1. Liga mit seinem Stammverein SK Bern. Die Startrunde wird er allerdings verpassen. Denn zum Abschluss seiner Karriere steht mit der vom 26. August bis 4. September in Reykjavik stattfindenden Europameisterschaft nochmals ein internationales Turnier in seiner Agenda.
Porträt von Noël Studer
Geburtsdatum: 18. Oktober 1996.
Wohnort: Bern.
Titel: Grossmeister (seit 2017/jüngster Grossmeister der Schweizer Schachgeschichte).
Grösste Erfolge: Schweizer Meister 2016, 2019, Bundesmeister 2018, Schweizer Mannschaftsmeister 2016 (mit Zürich), 2018 (mit Luzern), Schweizer Meister U16 und U20 2012 sowie U18 2014, 2014 drei IM-Normen innerhalb von fünf Monaten in Deizisau, Biel und Durban, 2014 1. GM-Norm beim Open in Deizisau als bis heute jüngster Schweizer Spieler, 2016 2. GM-Norm beim Accentus Young Masters in Bad Ragaz, 2017 3. GM-Norm beim Grenke-Open in Karlsruhe, Sieger Accentus Young Masters 2019 Bad Ragaz, Sieger Open Cattolica (It) 2020, 2014 5. Rang U18-Weltmeisterschaft, 2013 Silbermedaille U18-Mannschafts-Europameisterschaft.
Auf seiner Blog-Seite geht Noël Studer detailliert auf seinen Rücktritt ein (auf Englisch).
Lieber Noel
Ich gratuliere Dir zu diesem grossartigen Sieg !
Du bist ein echter
Sieger.
Mit viel Respekt
Herbert