Frank Schellmann hat nur noch zwei Prozent Sehfähigkeit und gehört zur Auswahl des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten-Schachbundes (DBSB) bei internationalen Wettbewerben. Vor wenigen Monaten 50 Jahre alt geworden spielt er in Magdeburg zum ersten Mal ein Seniorenschachturnier mit. In der ersten Runde konnte er gleich einen vollen Punkt einsammeln. In der zweiten Runde heute war der Gegner um Einiges besser. Marcel Jügel konnte sich in einer langen Partie im Endspiel durchsetzen. Die immer knapper werdende Bedenkzeit wird vielleicht eine der Ursachen gewesen sein, obwohl Schellmann ein schneller Spieler ist. Seine Hände gleiten behende über das Blindenbrett um die Figuren zu erfassen und die Züge auszuführen. Die gespielten Züge schreibt er inzwischen nicht mehr auf, sondern benutzt wie die meisten fast blinden Spieler ein Diktiergerät. Die Umstellung darauf fiel ihm etwas schwer, wie uns DBSB-Trainer Wilfried Bode verriet.
Interview mit Uwe Kersten
Er war der Trainer von Dennis Wagner und betreute Arik Braun bei der U12-Europameisterschaft 2000 in Chalkidiki (Griechenland). 2005 wurde er vom Deutschen Schachbund als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Fünfzehn Jahre später wurde er nach mehreren Anläufen Internationaler Meister. Im Jahr 2021 ist Uwe Kersten Kadertrainer im Hessischen Schachverband und schreibt für die Zeitschrift „Jugendschach“. Und der inzwischen 52-Jährige spielt zum ersten Mal die Deutsche Seniorenmeisterschaft mit. Kevin Högy unterhielt sich mit dem vielfach geehrten A-Trainer.
Zwei Siege aus zwei Partien – heißt das, Du wirst bei Deiner ersten Seniorenmeisterschaft gleich Deutscher Meister?
Na mal ganz langsam mit den jungen Pferden, ich spiele mich gerade erst warm! Aber ich freue mich, wieder am richtigen Brett spielen zu können und nicht nur digital. Das ist schon etwas ganz anderes.
Wie schätzt Du die Spielbedingungen im großen Saal des Maritim-Hotels ein?
Grundsätzlich gut. Einen pünktlicheren Beginn in der ersten Runde hätte ich mir gewünscht. Ansonsten aber sind die Tische super gestellt, die Abstände sind wunderbar.
Nach dem ganzen Spielen im digitalen Bereich, fühlst Du Dich ein wenig eingerostet oder top in Schuss?
Ich hatte das Glück, letztes Wochenende in der Oberliga spielen zu können. Da habe ich mich ein wenig eingerostet gefühlt. Aber klar, ein bisschen sich eingrooven, das müssen sich hier glaube ich viele.
Bericht von der 2. Runde
Kategorie 65+
In der Kategorie 65 + hatten die Favoriten in der ersten Runde wenig Mühe ihren Erwartungen gerecht zu werden. Lediglich FM Christian Syré musste gegen Ralf Rache ein Remis hinnehmen sowie FM Boris Gruzmann gegen Dr. Joachim Lehmann sogar den ganzen Punkt.
Dieser Linie konnten aber bereits in der 2. Runde einige Favoriten nicht mehr folgen. Am Spitzenbrett muss IM Jewgenij Schewelewitch gegen Udo Waltenberger ein Remis akzeptieren. Ebenso ergeht es dem Vorjahrestitelträger in der 50+ FM Hans–Joachim Vatter gegen Dr. Thomas Meierowicz. WIM Annett Wagner-Michel erspielt gegen den Titelträger des Vorjahres FM Ulrich Dresen einen schönen Sieg. Da lässt sich Ljubov Orlova aber noch nicht abhängen und gewinnt gegen Walter Strobel. Harald Keller gelingt gegen Dr. Gerhard Köhler ebenfalls ein Sieg.
Einen Überblick über den weiteren Verlauf kann man aus diesen eher unerwarteten Ergebnissen aber noch nicht ziehen. Zu viele der möglichen Titelanwärter stehen mit 2,0 Punkten noch mit weißer Weste bereit. Das gilt auch für die Favoriten im Frauenfeld WIM Annett Wagner–Michel und die mehrfache Deutsche Seniorenmeisterin Ljubov Orlova.
Kategorie 50+
In der Kategorie 50+ folgten die Favoriten dem Muster der „Älteren“ und gewannen ihre Auftaktpartien. Die 2. Runde begann mit einer kleinen Überraschung. Die Nummer zwei der Rangliste FM Mike Stolz gab einen kampflosen Punkt an Dr. Wolfgang Hater ab, weil er einen anderen zeitlichen Beginn erwartet hatte. Diesem Missgeschick folgten seine Kontrahenten nicht und setzten ihren Siegeszug fort. Die letzte Partie des Tages war ein schachlicher Leckerbissen. Marcel Jürgel konnte nach spannendem Partieverlauf bis zur beidseitigen Zeitnotphase sich gegen einen der Spitzenspieler des Deutschen Blindenschachbundes Frank Schellmann durchsetzen.
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