Online-Schach-«Oscar» für Lars Balzer
Markus Angst – Die wegen der Corona-Pandemie virtuell auf der Zoom-Plattform abgehaltene Delegiertenversammlung des Schweizerischen Schachbundes (SSB) ging heute Samstag in etwas über zwei Stunden ohne nennenswerte technische Probleme über die Bühne. Da die Abstimmungen und Wahlen im Nachgang schriftlich erfolgen, hatte sie mehr den Charakter einer Informationsveranstaltung.
In seinem Rückblick auf acht Jahre Wirken für den SSB (zwei als Herren-Nationalcoach/sechs als Zentralpräsident) zog der scheidende Peter A. Wyss eine kurze persönliche Bilanz (lesen Sie dazu auch das ausführliche Interview in der «Schweizerischen Schachzeitung» 3/21).
Dabei überwogen die positiven Aspekte wie die Professionalisierung von Abläufen und Dienstleistungen, die gesunden Finanzen, die Investition in die Ausbildung, die Etablierung der Geschäftsstelle im Haus des Sports in Ittigen, die Statutenrevision, das SEM-Redesign, die zunehmenden Aktivitäten in den Social Media, die GM-Titel von Monika Müller-Seps, Nico Georgiadis und Noël Studer oder das Glückskette-Benefizturnier im April 2020 die wenigen negativen Gesichtspunkte wie das Verpassen der Trendwende bei der Mitgliederentwicklung oder nd die Nichtberücksichtigung von Schach im Jugend-und-Sport-Programm.
So sollen wieder mehr Mitglieder gewonnen werden
Sein Nachfolger André Vögtlin stellte in seinem Präsentationsvideo (das Sie hier finden) das Thema Mitgliedergewinnung in den Mittelpunkt. Mit Blick auf die SSB-Zahlen in dieser Kategorie – 1999 waren es 5000, 2019 noch 3000 – will er vor allem den Negativtrend bei den Aktiven umdrehen. Zum einen will er diesbezüglich eng mit dem Badischen Schachverband zusammenarbeiten, da dieser ein ähnliches Projekt entwickelt hat. Zum andern präsentierte er einen fünf Punkte umfassenden Massnahmenplan.
Erstens: mindestens ein Neumitglied pro Klub gewinnen.
Zweitens: Einzahlungen an die Jugendschachstiftung.
Drittens: Schachpräsenz an öffentlichen, stark frequentierten Orten markieren.
Viertens: Schachsets an wichtige Personen in Wirtschaft und Politik schenken und Gespräche für Sponsoring suchen.
Fünftens: Anfänger(innen)kurse für Erwachsene anbieten.
Keine neuen Kandidaten
André Vögtlin (lesen Sie über ihn ein grosses Interview in der «Schweizerischen Schachzeitung» 2/21) gab seiner Freude Ausdruck, mit den drei Bisherigen Andreas Lienhard (Ressort Spitzensport und voraussichtlich neuer Vizepräsident), Ruedi Farner (Ressort YourSwissChess, Ausbildung und Verbände) und Joe Brand (Ressort Finanzen) sowie den drei Neuen Prabitha Urwyler (vorgesehen für das Ressort Turniere), René Hirzel (vorgesehen für das Ressort Nachwuchs) und Urs Hirt (vorgesehen für das Ressort Informatik und Kommunikation) ein ideales Zentralvorstands-Ticket präsentieren zu können. Die drei Neuen stellten sich den Delegierten kurz vor – Prabitha Urwyler live zugeschaltet vom von ihr geleiteten Finalturnier der Schweizer Jugend-Mannschaftsmeisterschaft (SJMM) in Bern.
Da keine weiteren Kandidat(inn)en fürs Zentralpräsidium und den Zentralvorstand angemeldet worden sind, sind die sieben so gut wie gewählt.
Die drei ausscheidenden ZV-Mitglieder Peter A. Wyss, Jana Ramseier («eine stille Schafferin und ein sicherer Wert», so Peter A. Wyss) und Philippe Zarri («ein perfekter Sitzungsvorbereiter und ein wichtiges Bindeglied zur Romandie», so Peter A. Wyss) bekamen ein besonderes Abschiedsgeschenk – eine Einladung zu einem Weekend-Turnier beim Tata Steel Chess in Wijk an Zee im Januar 2022.
Nur ein Antrag
Die Delegierten hatten lediglich über einen Antrag zu entscheiden. Der Schachklub Zimmerberg schlägt vor, die Zahl der Auf- und Absteiger in der Schweizerischen Gruppenmeisterschaft (SGM) derjenigen in der Schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft (SMM) anzugleichen. Nach geltendem Reglement kommen in der SGM derzeit nur die Gruppensieger ins Aufstiegsspiel, in der SMM jedoch die beiden Gruppenersten. Dafür steigen in der SGM nur die Gruppenletzten ab, in der SMM jedoch die beiden Gruppenletzten.
Zimmerberg-Präsident Hanspeter Giger, der als Einziger DV-Teilnehmer kurz akustisch zugeschaltet (die Mikrofone blieben ansonsten während der ganzen Versammlung stumm), bat die Versammlung um Zustimmung, während Philippe Zarri namens der Kommission für eine Ablehnung plädierte.
Die von Joe Brand präsentierte Jahresrechnung 2020 schloss mit einem Reingewinn von 2114 Franken ab. Das Budget 2022 sieht ein Defizit von 20’700 Franken vor. Weder zur Rechnung noch zum Budget noch zu den diversen Jahresberichten gab es Anmerkungen im Chat.
Der SSB verschickt die Abstimmungs- und Wahlzettel am 21. Juni. Rücksendungstermin ist der 30. Juni. Am 5. Juli werden sie von der SSB-Disziplinarkommission ausgezählt.
Peter A. Wyss und Wolfgang Schott zu Ehrenmitgliedern ernannt
Für seine grossen Verdienste um den Verband wurde der abtretende Zentralpräsident Peter A. Wyss zum Ehrenmitglied ernannt (zwar braucht es auch hierfür noch die schriftliche Bestätigung durch die Delegierten, aber Ehrenmitgliedschaften sind in der 132-jährigen Geschichte des SSB noch nie abgelehnt worden…).
Es wäre gemäss seinem Nachfolger André Vögtlin «zwar übertrieben zu behaupten, Peter Wyss würde als ‘Corona-Präsident’ in die SSB-Geschichte eingehen. Seiner Weitsicht haben wir es aber zu verdanken, dass unser Verband unbeschadet durch die Pandemie gekommen ist. Nach Innen gelang es ihm, den Zentralvorstand zu einem homogenen Team zusammenzuschweissen. Nach Aussen fand er auch bei schwierigen Entscheiden wie etwa der Absage von Turnieren immer wieder die richtigen Worte, um die Klubs und Mitglieder zu ermutigen.»
In seiner Laudatio bezeichnete André Vögtlin den scheidenden Zentralpräsidenten als «primus inter pares» im Zentralvorstand nicht nur als «ausgezeichneten Teamplayer, sondern er fand als guter Menschenkenner auch im Umgang mit unserer Basis stets die richtigen Worte. Und das ist gar nicht so einfach, hat unsere Klientel – vom Grossklub bis zur kleinen Sektion auf dem Land und von der Frauengrossmeisterin bis zum Hauptturnier-III-Spieler – doch teils völlig verschiedene, ja unterschiedliche Interessen. Er hatte stets ein offenes Ohr für die unzähligen Anliegen, ohne den Blick für das Wesentliche und Ganze zu verlieren.»
Ebenfalls zum Ehrenmitglied ernannt wurde der als SSB-Webmaster zurückgetretene Wolfgang Schott. Er prägte viele Jahre lang den Auftritt des Verbands im Internet und war massgeblich an der Neugestaltung der Website 2013 und am Umbau der Frontseite 2018 beteiligt. «Wolfgang Schott investierte enorm viel Zeit und Herzblut. Dabei wirkte er im Hintergrund als Macher und stand nicht im Rampenlicht. Seine Aufgaben führte er jederzeit sehr professionell und in hervorragender Qualität aus. Den sehr guten Zusammenhalt im SSB-Informatikteam verdanken wir unter anderem seinem Teamgeist», würdigte die ebenfalls zurückgetretene ZV-Ressortverantwortliche Jana Ramseier seine enorme Arbeit hinter den Kulissen.
Alle Geehrten der beiden DV 2020 und 2021 werden an die nächsten DV vom 18. Juni 2022, die hoffentlich wieder physisch stattfinden kann, eingeladen.
Lars Balzer gewinnt Online-Schach-Wettbewerb
An der DV wurde ausserdem die Prämierung des im vergangenen November ausgeschriebenen Online-Schach-Wettbewerbs bekanntgegeben. Der 1. Preis ging an Swiss-Team-Battle-Initiant Lars Balzer. «Lars Balzer erweiterte das Online-Schach-Angebot mit seiner mehrstufigen Mannschaftsmeisterschaft und leistete mit der zusätzlichen Einführung einer Newcomer-Liga einen wichtigen Beitrag im Bereich der Mitgliederentwicklung auf Stufe SSB», würdigte André Vögtlin das erfolgreiche Projekt. Rang 2 ging an Hans Karrer («Jedes Dorf ein Schachteam»), Rang 3 an Marc Tillmann (Swiss Grand Slam) und Rang 4 an Andreas Dietrich («Schachfreunde im Netz»).
Lars Balzer freut sich über die Würdigung seiner Idee ebenso sehr wie über die Tatsache, «dass so viele Schachfreunde an der Swiss Team Battle mitspielten – das ist wirklich ein schöner Erfolg.» Und diese Erfolgsstory soll weitergeschrieben werden. Zwar ist Lars Balzer selber gespannt, «wie es mit Online-Schach im Allgemeinen und der Swiss Team Battle im Besonderen weitergehen wird, wenn man wieder vermehrt am Brett spielen kann.»
Ermutigt vom positiven Grundtenor nach einer Umfrage im Turnierforum, will er jedoch den beliebten Mannschaftswettbewerb ohne Sommerpause weiterhin jeden zweiten Dienstagabend als Parallelangebot zu Over-the-Board-Wettkämpfen anbieten. Auch wenn die Teilnehmerzahlen mit Einzug der wärmeren Jahreszeit deutlich gesunken sind. So spielten am vergangenen Dienstag 320 mit – beim Rekord am 23. März waren es 584.
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