FIDE kündigt Revolution der Schachregeln an – Dame und König tauschen Plätze
Dem Schachsport steht eine gravierende Regeländerung bevor. Bereits Anfang März erklärte der Weltverband FIDE das Jahr 2022 zum „Year of Woman in Chess“. Damit will die FIDE die Rolle der Frau im Schachsport weiter stärken. Weibliche Partizipation soll „in allen Bereichen des Schachs“ gefördert werden, so FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich damals.
Spektakulärer Tausch
Nun hat die FIDE einen weiteren, revolutionären Schritt verkündet, nämlich den Tausch von Dame und König. Konkret bedeutet dies, dass ab 01. Januar 2022 in allen offiziellen Wettbewerben die Grundstellung des Schachbretts geändert werden soll. Die weiße Dame steht fortan auf dem Feld e1 und der weiße König auf d1. Auch die schwarze Dame und der schwarze König müssen ihre Felder tauschen. Dadurch sollen verfrühte Schachgebote nach einem Abtausch der Zentrumsbauern vermieden werden.
Zukünftig ist alles seitenverkehrt
Die FIDE begründet ihren Schritt als symbolische Handlung zur Förderung der Rolle der Frau. „Praktisch wird sich nicht viel ändern. Künftig ist einfach alles seitenverkehrt“, erklärt ein Mitglied der „Rules Commission“ der FIDE. Zweifelhaft bleibt, ob die FIDE ihre Entscheidung tatsächlich frei von jeglichen kommerziellen Interessen getroffen hat. Seit Jahren wehrt sich die Schachverlags- und Buchbranche gegen einschneidende Regeländerungen wie bei Chess960 oder No Castling Schach. Letzteres soll bekanntlich im August bei der Sparkassen Chess Trophy in Dortmund ausgetestet werden.
Schachverlage freuen sich – Verantwortliche sind kritisch
Mit dem Tausch von Dame und König haben die Schachverlage einen Coup gelandet: Sämtliche Eröffnungsliteratur ist im Grundsatz noch gültig, muss aber aufgrund der Seitenspiegelung umgeschrieben werden. Dies wird den Schachbuchhandel spürbar ankurbeln. Die Verantwortlichen in Deutschland reagieren dagegen verhalten auf die Änderung. Ein Mitglied eines Landesverbandes, das jedoch nicht genannt werden will, kritisiert den Alleingang des Weltverbandes. „Die FIDE schießt hier deutlich über das Ziel hinaus. Es wäre wünschenswert gewesen, sich vor einer derartigen bedeutsamen Entscheidung die Meinung der Mitgliedsverbände einzuholen.“ Da hilft es auch nur bedingt weiter, dass die FIDE den Verbänden einen „Übergangszeitraum“ bis zum 30.06.2022 einräumt.
Aus Damengambit wird Königsgambit
Aus schachkultureller Sicht gibt es ebenfalls erhebliche Bedenken. Immerhin sind die Schachregeln seit Einführung der Rochade 500 Jahre lang unangetastet geblieben. Gewiss ist jedenfalls, dass die geänderte Grundstellung erhebliche Verwirrung unter den Schachspielern anrichten wird. Dass das Damengambit nun in Königsgambit umbenannt werden müsste (und umgekehrt), verwundert sicherlich nicht nur die Macher der erfolgreichen Netflix-Serie. Millionen von Schachspielern werden künftig seitenverkehrt denken oder Eröffnungsvarianten gar völlig neu erlernen müssen. Auch für den Merkvers für die Grundstellung („Weiße Dame weißes Feld, schwarze Dame schwarzes Feld“) muss ein Ersatz gefunden werden.
Chance für Nachwuchs-Stars
Für andere wiederum beinhaltet die Änderung auch positive Aspekte. Gerade für junge Spielerinnen und Spieler wie Vincent Keymer bietet sich eine riesige Chance, den Erfahrungsvorsprung der etablierten Spieler auszugleichen. Die Prognose, dass die Schachranglisten kräftig durcheinandergewirbelt werden, ist sicherlich nicht gewagt. Auch das ist vermutlich im Sinne der FIDE, die seit Jahren einen jungen, hungrigen Herausforderer für Weltmeister Magnus Carlsen sucht. Spitzentalente wie Alireza Firouzja werden sich auf die neuen Gegebenheiten sicherlich schneller einstellen können als der erfahrenere Carlsen. Wie die Basis der Vereins- und Onlinespieler mit dem „Damentausch“ umgehen wird, bleibt aber abzuwarten.
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