Die große Tradition der Schachnation Frankreich ist noch im kollektiven Bewusstsein der Schachgemeinde präsent! So jedenfalls lässt sich erklären, warum sich weltweit fast 200 Personen zu der ersten schachhistorischen Online-Konferenz angemeldet und durchweg mindestens 80 Personen – männlich und weiblich – die einzelnen Vorträge direkt online verfolgt haben. Teilnehmer gab es aus zahlreichen Ländern, aus Südafrika, Argentinien, USA, Kanada, Island, Russland, Polen, Tschechien sowie aus fast allen westeuropäischen Ländern.
Ursprünglich war ein Treffen mit physischer Präsenz in Paris geplant, um die führenden Schachhistoriker an einen Tisch zu bringen. Ein derartiges Jubiläumstreffen hat Corona zwar verhindert, aber das hatte auch sein Gutes. Denn aufgrund des Online-Formates konnten viel mehr Schachfreunde ganz kostenlos teilnehmen! Außerdem haben die Zuschauer nicht nur konsumiert, sie haben über die Chatfunktion Austausch gepflegt und Begeisterung geweckt, und das über acht Stunden lang! Es war eine würdige Jubiläumsfeier, das war der allgemeine Tenor.
Die Präsidenten der FIDE (Arkadi Dworkowitsch), der ECU (Surab Asmaiparaschwili) und der beiden an der Organisation beteiligten Föderationen (Yves Marek und Ullrich Krause) haben die Konferenz mit schönen Grußworten eingeleitet. In 10 Vorträgen (fünf auf Französisch, vier auf Englisch, einer auf Spanisch), passierten die Referenten knapp 500 Jahre französischer Schachgeschichte und deren Bedeutung für Europa. Von den ersten Handschriften aus dem 15. Jahrhundert (Göttingen, Paris, MS Allemand) und dem 18. Jahrhundert (Chapais) ging es zum großen Philidor und seiner Rezeption in England und Rußland. Neue Erkenntnisse über den legendären Deschapelles sowie die ausländischen Schachprofis im Café de la Régence des 19. Jahrhunderts (Kieseritzky, Harrwitz, Rosenthal, Taubenhaus) folgten. Außerdem zeichneten französische Schachhistoriker genau die Entwicklungen nach, die zur Entstehung der Föderation am 19. März 1921 geführt haben, und wie sich der junge Verband in seinen ersten 25 Jahren gerierte. Den Schluss machte eine eindringliche Untersuchung über das Wirken von Weltmeister Aljechin in Frankreich, der bekanntlich die französische Staatsangehörigkeit annahm und für Frankreich auf mehreren Olympiaden am ersten Brett spielte. Eine ausführlichere Zusammenfassung kann auf dem Blog von Jean-Olivier Leconte nachgelesen werden, auch das Konferenz-Video ist dort öffentlich zugänglich.
Das Foto von Herbert Bastian, den ich übrigens sehr schätze, passt nicht, hatte ihn anders in Erinnerung.