Schreiben zu können, sei eine Gabe, glauben viele. Ein Irrglaube – wie der, Schachspieler seien intelligent. Wer Muster lernt, taktische Motive übt und sein Hirn kontinuierlich zwingt, tiefer und präziser zu rechnen, der wird besser im Schach. Das königliche Spiel meisterhaft zu spielen, ist Handwerk. Lernen kann das jeder.
Beim Schreiben ist das nicht anders. Wie der Schachanfänger auf der Grundreihe mattsetzt und mit dem Springer gabelt, lernt der Schreibanfänger, aktiv zu formulieren und Wörter, die auf „-ung“ enden, als Schädlinge zu identifizieren. Aus derlei Grundlagen bildet sich nach und nach ein Fundament. Bald sieht der fortgeschrittene Spieler das ganze Brett und die Struktur darauf, er beginnt, Pläne zu fassen. Der fortgeschrittene Schreiber entwickelt einen ersten Sinn für Redundanzen und Rhythmus.
„Anschaulich und konkret“, hat ihm der Coach eingeprägt, Farben und Metaphern angemahnt, um der Leserin sinnliche Erlebnisse zu schenken. Wenn im Kopf der Leserin ein Bild entsteht, wenn sie hört, sieht, riecht, schmeckt, fühlt, bleibt das Geschriebene hängen. Wenn nicht, dann nicht.
Über jedem Spieltisch schwebt an dünnen Fäden ein schachbrettgroßes Licht, unter dem je zwei Meister Platz nehmen auf zierlichen, blaugepolsterten Stühlen. Es sind nicht die beim Schach so oft verwendeten Chefsessel mit ihrem Entscheidungsgewalt-, Herumschwenk- und Zurücklehnpathos; es sind die Sitzgelegenheiten einfacher Schachangestellter, die täglich zwischen zwei und acht ihrer nervenaufreibenden Kalkuliertätigkeit nachgehen.
„Dünne Fäden“? Ja, da haben wir eine dieser verflixten Überflüssigkeiten ausgemacht. Das Wesen des Fadens ist, dünn zu sein, sonst wäre er ein Seil. Ohne das redundante „dünn“ wäre der Absatz noch besser. Eine „Faszinationsdelle“ hätte der große E.A. Rauter diese Macke genannt, seinen roten Redigierstift gezückt und das „dünn“ energisch durchgestrichen.
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