GM Michael Prusikin, der in Deutschland bereits mehrfach zum Trainer des Jahres gewählt wurde und der als FIDE Senior Trainer als Koryphäe unter Schachtrainern gilt, ist vielen Lesern wohl in erster Linie als Verfasser der Taktikkolumne in der Zeitschrift SCHACH bekannt. Dass er bisher noch nicht als Buchautor in Erscheinung getreten ist, mag viele verwundern. Diese Lücke nun zu schließen, ermöglichte ihm nun ausgerechnet die vermaledeite Corona-Krise. Da für ihn wie für alle Schachspieler etliche Turniere und Mannschaftskämpfe ausfielen, nutzte er die dadurch aus dem Nichts entstandene freie Zeit zur Vollendung seines Erstlingswerkes „Feuer frei! – Angriffsstrategien für Vereinsspieler“, welches nun im Dezember veröffentlicht wurde. Ich hatte die Möglichkeit, vorab einen Blick in das Buch werfen zu dürfen.
Was sofort auffällt, ist der Einband dieses Buches. Während die meisten Schachbücher von außen her eher schlicht daherkommen, überfällt dieses künstlerische Titelbild den Betrachter geradezu. Ob einem dies gefällt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt, in jedem Fall ist es originell und außergewöhnlich.
Das Besondere an diesem Buch wird im Vorwort von Ex-FIDE-Weltmeister Alexander Khalifman recht gut erkannt: die Thematik der Angriffsführung wurde bisher erst in wenigen Büchern so erklärt und dargestellt, dass der Leser für sein eigenes Spiel wirklich etwas mitnehmen kann. Ganz anders bei diesem Werk: hier verdeutlicht Prusikin sehr anschaulich, welche Bestandteile ein erfolgreicher Angriff auf den gegnerischen König umfassen muss, wie ein solcher durchzuführen ist und wie die einzelnen Teile sich ineinander fügen.
Dieses Buch eignet sich für Leser, die das Spiel gerade erst erlernen genau sowenig wie für Profis dieses Sports, was ich für ein großes Plus dieses Buchs halte. Es richtet sich nämlich an Spieler mit einer Wertungszahl zwischen 1500 und 2300, also an den Großteil der Vereinsspieler. Die mit dieser Mindestspielstärke verbundenen „Basics“ werden also vorausgesetzt, womit Prusikin schon mit Kapitel 1 direkt zur Sache kommt. In jedem der 15 Kapitel behandelt der Autor einen speziellen Angriffsplan bezogen auf den jeweiligen Stellungstyp. Dies ermöglicht es dem Leser, diese Spielsituationen schnell zu begreifen und entsprechende Pläne, Angriffsideen und Motive zu verstehen und dauerhaft zu im Gedächtnis zu verankern. Sämtliche behandelte Stellungen stammen aus echten Partien, was den praktischen Bezug verdeutlicht.
Am Ende des Buches findet sich ein Abschlusstest mit 50 Aufgaben, die – wie aus der Kombinations-Kolumne bekannt – nach Schwierigkeit aufsteigend angelegt sind. Ich war einer der ersten, der ein paar der Aufgaben vorab lösen durfte – und ich muss sagen, dass sie sehr abwechslungs- und lehrreich sind. Auch die Lösungen sind verständlich erklärt, auch wenn ich mir an der einen oder anderen Stelle noch die Besprechung von zusätzlichen Varianten gewünscht hätte. Gut finde ich, dass die Diagramme im Lösungsteil erneut abgedruckt sind, so erspart man sich ein nerviges Hin- und Herblättern.
Es wäre vielleicht noch sinnvoll gewesen, ein paar Aufgaben schon ans Ende eines jeden Kapitels zu stellen, wie es etwa bei den Tigersprung-Büchern von Jussupow der Fall ist, um nach Durcharbeit eines Kapitels direkt prüfen zu können, ob man den Stoff wirklich verstanden und verinnerlicht hat. Insgesamt empfinde ich Michaels Erstlingswerk mit seinen knapp 200 Seiten als
sehr gelungen und hilfreich und kann es nur jedem Vereinsspieler empfehlen. Ich hoffe, dass uns nicht erst eine weitere Epidemie erreichen muss, bis ein weiteres Buch dieses Autors folgt.
Ulrich Sperber, Gauting,
More Stories
Interview with Herbert Bastian about the book Chapais – The revolutionary chess manuscript by Gaspard Monge
Der Schach-Booster auf der Insel Texel
Der Schach-Booster – Die 10 besten Methoden zur Steigerung deiner Spielstärke
Stefan Löffler: Schachkalender 2024
Größer, schneller, bunter, besser
„Wer den vorletzten Fehler macht, gewinnt“ – eine Rezension