November 26, 2024

DMITRIJ KOLLARS GEWINNT DAS CLAUS DIETER MEYER GEDENKTURNIER

3 IM-NORMEN FÜR RUBEN KÖLLNER, NIKOLAS WACHINGER UND JARI REUKER
von links: Jörg Wengler (Abteilungsleiter Schach des FC Bayern), Gabor Papp (3.), Dmitrij Kollars (1.), Ruben Köllner (4.) und Dr. Oliver Höpfner (Abteilungsleiter Schach des SV Werder). Es fehlt der zweitplatzierte Alexander Donchenko.

Stephan Buchal

Dramatisches Finale beim CD Meyer-Gedenkturnier! Von dem GM-Trio an der Spitze kann sich nur Dmitrij Kollars gegen Spartak Grigorian durchsetzen. Die anderen drei Großmeister müssen sich gegen fantastisch aufspielende Jugendliche in äußerst spannenden Partien mit Remis begnügen.

Programmheft zum blättern

„Normalerweise“ gibt es in der Schlussrunde solcher Turniere das eine oder andere schnelle Remis zwischen Spielern, bei denen es um nichts mehr geht. Das ist zwar für den Veranstalter und die Zuschauer bedauerlich, aber nach 9 Tagen Turnierschach durchaus verständlich.

Und im Claus Dieter Meyer Gedenkturnier? Als wollten alle TeilnehmerInnen dem großen Werdertrainer am letzten Tag noch einmal Tribut zollen: An allen, wirklich allen Brettern wurde hart gekämpft! Nach über dreieinhalb Stunden war noch keine einzige Partie beendet …

Den ersten vollen Zähler konnte Sarah Papp gegen Sreyas Payyappat verbuchen! Es gelang der Großmeisterin ziemlich flott, ihren Eröffnungsvorteil in einen Qualitätsgewinn zu materialisieren und ihren jungen Gegner mit sauberer Technik noch kurz vor der Zeitkontrolle zur Aufgabe zu zwingen. Nach ihrem schrecklichen Start mit einem halben Zähler aus 5 Partien, darunter krasse Einsteller, konnte sich Sarah in der zweiten Turnierhälfte mit 3 aus 4 eindrucksvoll zurückmelden und ihre ELO-Verluste in Grenzen halten. Umgekehrt lief es beim 12-jährigen Supertalent aus Hannover, dem nach glänzendem Start etwas die Puste ausging – kein Wunder, bei diesem schweren Turnier, täglich gegen starke Titelträger! Trotzdem eine gelungene Vorstellung von Sreyas, wir sind gespannt auf seine weitere Entwicklung.

Der zweite Tagessieg, ebenfalls noch knapp vor der Zeitkontrolle, gelang Makan Rafiee im Kampf gegen Olaf Steffens. Makan zeigte sich auf Olafs „Orang-Utan in Nachzug“ (oder auch „St. Georgs Eröffnung“) bestens vorbereitet und brachte Werders Bundesligamanager durch eine Neuerung im 9. Zug ins Schwitzen. Diesmal konnte der Heilige Georg dem Drachen kein Paroli bieten, die Stellung war zu passiv:

Alle Befreiungsversuche waren vergebens – 1:0 für Bayern München gegen den SV Werder.

Etwas friedlicher ging es in der Partie zwischen den neuen Grün-Weißen Lara Schulze und Jordi Coll Ortega zu. Ein ausgeglichenes Mittelspiel mündete schließlich in ein Turm-Läufer-Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern, das Beiden keine realistischen Gewinnchancen bot. Also Remis.

Ein leistungsgerechtes Unentschieden gab es auch in der Partie zwischen den beiden Internationalen Meistern Nikolas Lubbe und Niko Zwirs. Die Partie war kompliziert und hart umkämpft, der Gast aus den Niederlanden übernahm langsam die Initiative, aber Nikolas konnte die Stellung sicher zusammenhalten und in ein völlig ausgeglichenes Damenendspiel abwickeln.

Eine spannende Schlacht lieferten sich auch die beiden großen Kämpfer Jakob Pajeken und David Kardoeus. Nachdem David die Eröffnung ziemlich daneben geriet und ihm obendrein ein grober Fehler unterlief, sah alles nach einem schnellen Sieg für Jakob aus. Aber dieser revanchierte sich mit einem ähnlich krassen Einsteller und musste danach mit Qualität mehr bei einem Minusbauern schwer um Vorteil kämpfen. David gelangte mehrfach in die Remisbreite, aber die Stellung war immer noch tückisch. Schließlich konnte Jakob die Partie nach 93 Zügen für sich entscheiden.

Mindestens genauso spannend verlief die Partie zwischen Melanie Lubbe und Linus Johansson. Als Melanie in einem äußerst komplizierten Mittelspiel klaren Vorteil bekam, drückte Linus die „Chaos-Taste“ und opferte erst eine und kurz darauf eine zweite Qualität für starke Initiative. Ein konzentrierter Angriff von Dame, Läuferpaar und Springer brachte die Großmeisterin an den Rand einer Niederlage – aber dann ließ der schwedische IM ein Gegen-Qualitätsopfer zu, diesmal von Melanie, wonach die Stellung wieder dynamisch ausgeglichen war. Beide kamen nicht weiter und eine tolle Kampfpartie endete remis.

Auch die Partie zwischen dem brasilianischen GM Alexandr Fier und Ruben Gideon Köllner verlief spannend und hatte hohen Unterhaltungswert. Ruben hat ein bärenstarkes Turnier gespielt mit einer Performance von 2540 (!!) und hat schon vor dieser Runde die IM-Norm sicher! Der brasilianische GM legt diese Partie an wie immer – mit seinem riskantem, schnellen und druckvollen Spiel! Aber Ruben lässt sich nicht beeindrucken, erlangt zwischendurch sogar leichten Vorteil, aber die Partie bleibt immer in der Remisbreite. Bis zum 56. Zug:

Der dreifache b-Bauer macht keinen besonders schönen Eindruck, aber er reicht, um dem Großmeister mit 56.b6-b7 das Remis zu sichern. Stattdessen spielt Fier aber 56.Td1-h1?? und erlaubt dadurch dem schwarzen König, mit Ke7-d7 das Quadrat des b-Bauern zu erreichen. Schwarz steht auf Gewinn und Ruben vor dem Sprung aufs Treppchen! Aber nur 4 Züge später stellt der GM noch eine listige Falle:

Weiß hat gerade den Bauern a4 verspeist und sieht sich jetzt machtlos dem Vorrücken des e-Bauern ausgesetzt. Ruben antwortet nichts Böses ahnend 60…e6-e5?? – aber nach 61.Th2xh3 Th8xh3 ist Weiß patt gesetzt und der Großmeister hat noch einen halben Punkt ergattert. Ruben kanns verschmerzen: Er wird großartiger Vierter in diesem stark besetzten Turnier, erzielt eine IM-Norm und „nebenbei“ auch noch 46 ELO-Punkte!!

DER KAMPF UM TURNIERSIEG UND NORMEN

Insgesamt vier brisante Paarungen standen im Focus der Schlussrunde: vier titellose Jugendliche, alle mit Chancen auf die IM-Norm, gegen die vier verbliebenen Großmeister (nachdem Romain Edouard vor der 8 Runde krankheitsbedingt genauso das Turnier abbrechen musste wie Werders starker Youngster Collin Colbow).

Zunächst sah es so aus als ob der führende und topgesetzte Alexander Donchenko einen schnellen Sieg einfahren könnte. Nikolas Wachinger wurde mit den weißen Steinen in einer häufig gespielten Variante der Sizilianischen Verteidigung offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt, verbrauchte sehr viel Bedenkzeit und geriet schon nach 15 Zügen in eine schlechte Stellung:

Alexander hat locker d6-d5 durchgesetzt, steht deutlich überlegen und hat fast eine Stunde mehr Bedenkzeit.

Allerdings, nur zwei Züge später spielt er den doppelten Bauerndurchbruch b5-b4 und d5-d4 und übersieht dabei eine „Kleinigkeit“:

Nikolas kontert cool mit Se2xd4 e5xd4 und Dd2xd4, bekommt drei Bauern und eine starke Initiative für die Figur, gewinnt noch eine Qualität und übersteht unbeschadet in ausgeglichener Stellung die Zeitnotphase, Donchenko versucht noch lange, das schwierige Endspiel mit 2 Läufern gegen Turm + Bauer zu gewinnen, aber Nikolas lässt überhaupt nichts mehr anbrennen, sichert sich das Remis und die IM-Norm. Alexander Donchenko muss derweil auf Ausrutscher seiner Konkurrenten hoffen ….

Auch bei GM Gabor Papp sieht es zunächst nach einem möglichen Sieg aus. Mit den weißen Steinen setzt er Jari Reuker unter Druck, bekommt das bessere Endspiel mit starkem Springer gegen einen schwächeren Läufer und gewinnt einen Bauern. Der Rest ist Sache großmeisterlicher Technik? Aber auch ihm unterläuft ein Fehler und Jari hat noch einen Pfeil im Köcher:

In dieser Stellung spielt Gabor Papp 44.h2-h4? Jari kontert schlau mit e6-e5+ 45.Kd4-e3 e5-e4!!. Fesselt den Springer und der Bauer ist wegen Lc6+ mit Turmgewinn tabu. Es gelingt dem GM gerade noch, den Turm für den Lc6 zu geben, den Bauern e4 zu kassieren und das Endspiel mit einer Qualität weniger mit Müh und Not zu halten. Aber sein Turniersieg ist weg und Jari Reuker erzielt mit diesem halben Punkt ebenfalls eine IM-Norm. Klasse!

Der dritte Großmeister im Bunde des Spitzentrios ist GM Dmitrij Kollars. Er muss mit den schwarzen Steinen gegen Spartak Grigorian antreten, der ebenfalls ein Remis benötigt für seine vierte und letzte IM-Norm, was gleichzeitig den IM-Titel bedeuten würde. Es entwickelt sich eine spannende, schwerblütige Partie, in der Dmitrij etwas Raumvorteil und das Läuferpaar besitzt. Aber die Chancen von Spartak sind auch nach der Zeitkontrolle noch völlig intakt: 

Und hier passiert Spartak ein typischer Fehler: Einen Zug nach der Zeitkontrolle, also im 41. Zug, lässt die Konzentration nach. Er spielt – wohl in der Absicht, die Stellung zu vereinfachen – 41.c4xb5 und übersieht (?) dabei den starken Konter Tc7-c2. Der Turm dringt entscheidend auf die 2.Reihe ein und lähmt das weiße Spiel. Mit einem Zug erlangt Dmitrij entscheidenden Vorteil, gewinnt die Partie im Folgenden sicher und vermasselt Spartak den IM-Titel. Aber der ist nur eine Frage der Zeit – Spartak ist in blendender Form und wird ihn sich ganz bestimmt bald holen!!

Herzlichen Glückwunsch an Dmitrij Kollars für den verdienten Turniersieg, herzlichen Glückwunsch auch an die drei IM Normen für den 16-jährigen Ruben Köllner von den SF Deizisau, den 17-jährigen Nikolas Wachinger und den 19-jährigen Jari Reuker. Ruben ist der Schwager unseres Werdertrainers Jonathan Carlstedt, Nikolas und Jari bereits Mitglieder unseres Bundesligateams! Zusammen mit Spartak Grigorian, dem 15-jährigen Collin Colbow und dem 23-jährigem David Kardoeus bilden sie Werders unglaublich starke Nachwuchstruppe, zu der jetzt auch die 18-jährige Lara Schulze gehört.

Das Claus Dieter Meyer Gedenkturnier war ein großes Ereignis in Werders bester Schachtradition. Und sicherlich hätte es CD besonders gefreut, dass mit Dmitrij ein früherer Schüler von ihm das Turnier gewonnen hat.

Wir danken unseren Sponsoren von der Sparkasse BremenChessBase und dem Deutschen Schachbund für die großzügige Unterstützung, die diese Veranstaltung erst möglich gemacht hat! 

Ein Sieger mit Pokal, zwei Abteilungsleiter und ein dicker Scheck des Sponsors

Text und Fotos: Turnierseite