Schach dem Corona-Virus
Nach der Absage aller Live-Events hatte die Europäische Schach-Union (ECU) die Idee einer Online-Jugendveranstaltung ins Leben gerufen. Jedes Land durfte 24 SpielerInnen U12 bis U18 nominieren, an maximal drei Standorten versammeln und unter Schiedsrichteraufsicht sowie Kameraobservation spielen lassen. Durch die doppelte Beobachtung sollte Cheating erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Nach meiner Einschätzung ist dieser Ansatz gelungen.
Der Deutsche Schachbund wollte mit zwei Spielräumen ins Netz gehen. Dafür hatte ich Hamburg und meine Heimatstadt Apolda vorgesehen. Bei der Ausrichtung sollten sich zwei Schwerpunkte als gravierend erweisen. Zum einen brauchten wir stabiles Internet via LAN. Mehr als zehn Laptops mit Zoomkonferenz, Videoüberwachung durch den lokalen Schiedsrichter und der gesamte Datenverkehr brauchen jede Menge Bits und Bytes. Zum anderen mussten wir die örtlichen Corona-Bestimmungen strengstens einhalten. Jedwede behördliche Vorgabe musste umgesetzt werden. Ich habe sehr viel gelernt über Abstand, Quadratmeter, Lüften und Mundnasenschutz!
Nachdem sich in Hamburg leider keine Möglichkeit bot, leitete ich 18 Spielerinnen und Spieler nach Apolda, sechs durften mit Sondergenehmigung von zu Hause aus spielen.
Im Vorfeld fanden zwei Live-Trainingslager statt. Carmen Voicu-Jagodzinsky trainierte mit den NRW- Mädchen in Solingen und Jewgenij Romanow führte mit den Nordkadern ein Camp im Hamburger Schachklub durch. Beide Trainings sollten sich bezahlt machen!
Zu Wochenbeginn kamen dann alarmierende Nachrichten aus dem Landratsamt Apolda, Kreis Weimarer Land. Ein Bus mit Senioren war in Tschechien und kam mit 21 infizierten Personen zurück. Der lokale Lockdown drohte. Zum Glück sollten wir im Landratsamt selbst an einer 100-MBit-Glasfaserleitung andocken und waren sogar ein Tagesordnungspunkt der Sitzung des Pandemiestabes. Dort wurde unsere Meisterschaft explizit erlaubt.
Freitag ging es los. Der Start war etwas holprig, Probleme mit Tornelo, der Spielplattform, Schwierigkeiten mit Zoom und und und. Schiedsrichter Bernd Mißbach hatte alle Hände voll zu tun. Die Glasfaserleitung schaltet sich automatisch 14.59 Uhr für eine halbe Minute ab. Der Router war ja noch nie angeschlossen gewesen.
Nach ein zwei Runden hatte sich alles eingespielt. Unsere Cracks kamen immer besser in Fahrt und pünktlich mit dem MDR am Sonntag kamen die Medaillen in Reichweite.
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