Fünf von neun Runden sind gespielt, nach einer anfangs nicht vorgesehenen Doppelrunde am Samstag sind sie wieder im Zeitplan. Derzeit führt einer alleine, wobei vielleicht zehn Spieler noch Chancen auf den Turniersieg und damit das Dortmund-Ticket haben.
Und zwar diese: Sasikiran 5/5, Kulaots, Tabatabaei, Chigaev, Martirosyan 4, Deac, Zhou Jianchao, Fier, Wei Yi, Antipov 3.5. Und nun sage ich erst einmal „undsoweiter“, fünf von sechs Spielern mit (jedenfalls vor dem Turnier) Elo über 2700 bleiben zunächst aussen vor. Wenn Sasikiran annähernd so weiter macht, hat er nach dem Turnier das was er 2012 schon einmal hatte: Elo über 2700, derzeit sind es live-aktuell 2698.2. Schon jetzt bekommt er das Titelbild, wer sonst? Das stammt – wie zwei Fotos später – vom russischen Schachverband, fotografiert hat Eldar Mukhatemov.
Alleine führt er seit Runde 4, wobei bereits nach der zweiten Runde nur noch sechs Spieler einen perfekten Score hatten – so stark ist Aeroflot auch in der Breite besetzt, alle Spieler aus dem engeren Favoritenkreis liessen bereits zu diesem Zeitpunkt Remisfedern. Das galt nicht für vier Inder – neben Sasikiran auch Narayanan, Nihal Sarin und Aravindh – und zwei Spieler aus dem Rest der Schachwelt: der Russe Chigaev (etwas bekannt da er gerade in Wijk aan Zee in der B-Gruppe mitspielte und zwischenzeitlich im Rennen um den Turniersieg war) und der recht unbekannte Chinese Zhou Jianchao. Aravindh hat das Glück, das er in Runde 2 hatte – Gegner Safarli patzte im Bauernendspiel, ausgerechnet im 41. Zug und gerade als es recht trivial war (hatte er „Opposition“ oder „Reservetempo“ nicht parat?) – vielleicht verbraucht. Oder er bekam danach mit Sasikiran, Dubov und Kovalev zu starke Gegner, jedenfalls hat er nun 2/5. Die anderen Inder, die nicht Sasikiran heissen, sind auch nicht mehr ganz vorne dabei.
Von den fälligen Spitzenpaarungen in Runde 3 wurde dann Narayanan – Zhou Jianchao remis, ein kleines Feuerwerk löste sich in Dauerschach-Wohlgefallen auf. Sasikiran zerlegte Aravindh im Mittelspiel, Chigaev gewann gegen Nihal Sarin ein von Anfang an klar vorteilhaftes Schwerfigurenendspiel.
In Runde 4 gewann dann Sasikiran mit Schwarz gegen Chigaev. Sein Vorteil war (für Engines) zuvor bereits grösser als zu dem Moment als der Russe aufgab – nach der Zeitkontrolle hatte er offenbar genug gesehen. Da die vier Partien zwischen Spielern mit zuvor 2.5/3 alle remis endeten hatte Sasikiran nun bereits einen vollen Punkt Vorsprung. Drei dieser Partien dauerten 20, 24 und 19 Züge – es war eben der Tag mit Doppelrunde. Korobov wollte dagegen sicher gegen Narayanan gewinnen, aber er bekam nicht mehr als ein bisschen Endspielvorteil und musste sich dann mit einem halben Punkt begnügen.
Kurz noch zu zwei anderen Partien dieser Runde mit Sieger und Verlierer: Nun machte Esipenko den Safarli und patzte im Jungstar-Duell gegen Wei Yi in einem stark vereinfachten Turmendspiel: beide hatten noch zwei isolierte Bauern, Esipenko musste sich von einem seiner Bauern verabschieden und wählte den falschen – schon war es nicht mehr in der Remisbreite, zumal der Chinese später Technik mit Dame gegen Turm beherrschte.
Dubov gewann gegen Aravindh auch ohne Dame, die hatte er einfach so geopfert – für zwei Läufer und einen Bauern, letzterer stand dabei bedrohlich auf c2. Engines gefiel es trotzdem gar nicht, aber nach einem Aravindh-Fehler kippte die Partie. Zuvor war es ein seltenes sizilianisches Drachen-Abspiel mit zumindest vorübergehendem schwarzem Bauernopfer. Das gibt es seit März 2018 – Dubov hatte damit angefangen, Gelfand und weniger bekannte Spieler haben es übernommen.
Warum eigentlich Doppelrunde? Am ersten Tag gab es diverse Bombendrohungen in Moskau, unter anderem war auch das Cosmos Hotel betroffen. Zwischendurch zwei Fotos:
Der Turniersaal – noch ahnte man nicht, was geschehen würde.
Zu diesem Foto wählte Eteri Kublashvili den Untertitel „Brothers in Arms“. Wer seine Winterjacke nicht nach draussen mitnehmen konnte (wie man sieht ist es in Moskau kalt) wurde mit Decken versorgt.
In Runde 5 bekam Sasikiran mit Korobov einen nominell leicht überlegenen Gegner, der auch schon mehrfach Elo über 2700 hatte. Aber dessen sizilianisches Qualitätsopfer auf c3 funktionierte nicht – zuvor stand Sasikiran positionell etwas besser, das war vielleicht der Grund für ukrainischen Aktionismus.
Um den Rückstand auf Sasikiran auf einen Punkt zu begrenzen mussten Spieler mit zuvor 3/4 also auch gewinnen, vier schafften es. Zu diesen vier Partien und teilweise auch dazu, was die Sieger zuvor angestellt hatten: Fedoseev-Tabatabaei 0-1 – Fedoseev kann einiges, sonst hätte er nicht Elo über 2700, sonst hätte er sich beim Aeroflot-Open nicht in die Siegerliste eingetragen. Aber mit Weiß gegen den jungen Iraner gewinnen (oder Remis spielen), das kann er anscheinend nicht – schon letztes Jahr verlor er spektakulär. Jeweils lag es wohl auch an der überscharfen Partieanlage – „rochieren, vielleicht morgen wieder“. Es gab weitere Parallelen: 2018 (Caro-Kann) und 2019 (Trompovsky) schien er zwischenzeitlich zu entwischen – letztes Jahr wollte er dann kein gegnerisches Dauerschach, diesmal hat er zum für ihn schlechten Ende eine Figur eingestellt.
Dubov-Kulaots 0-1 lag ebenfalls ein zu wilden weissen Angriffsversuchen, und auch hier hatte Weiß für einen Moment wieder Ausgleich, dieser Moment dauerte einen halben Zug. Nach Wertung führt der ziemlich turnieraktive aber dennoch relativ unbekannte Este die Gruppe mit 4/5 an, das liegt zunächst an bisher drei Schwarzpartien und dann an der deutlich besten TPR. An 62 gesetzt bekam er nur nominell ihm überlegene Gegner – mit Schwarz gewann er, mit Weiß spielte er Remis. Zuvor besiegte er junge Iraner, Maghsoodloo und Firouzja. Für Runde 5 war Tabatabaei im Lostopf, aber beide waren mit Schwarz dran, dann eben Schwarzsieg gegen einen jungen Russen.
Martirosyan-Petrosyan 1-0 – die „yan“-Namen verraten es, beides Armenier. Weiß gewann im Endspiel – von Anfang an vorteilhaft, es dauerte etwas länger aber war ziemlich ungefährdet. Martirosyan macht bisher den Anti-Kulaots: Siege mit Weiß, Remisen mit Schwarz.
Narayanan-Chigaev 0-1 war dagegen wieder ein glatter Schwarzsieg.
Die Spieler mit derzeit 3.5/5 bespreche ich nicht auch noch, wen aus dem Kreis der zehn eingangs erwähnten wollen „wir“ in Dortmund sehen? „Mehrheitsmeinung“ (von Stefan Löffler mehrfach laut geäussert) ist vielleicht Wei Yi – auch wenn es um ihn zuletzt etwas stiller wurde und auch Stefan Löffler ihn vielleicht nicht mehr als zukünftigen Weltmeister betrachtet. Da hat er inzwischen auch in seiner Altersklasse Konkurrenz von Duda und (nach Gibraltar) Artemiev. Wer auch immer Aeroflot am Ende gewinnt hat es verdient – eventuell gehört Tiebreak-Glück dazu.
Die Favoriten im Schnelldurchlauf, sortiert nach derzeitigem Stand einschliesslich Wertung bei Punktgleichheit: Wang Hao spielte bisher fast nur Remis. Fedoseev verunfallte gegen Tabatabaei, das hatten wir bereits. Mamedov ebenfalls fast nur Remis. In Runde 5 war er damit gegen Tigran Petrosian (natürlich der Namensvetter des verstorbenen Ex-Weltmeisters) sehr gut bedient: Petrosian war über weite Strecken der Partie mit Schwarz am Drücker, einen Moment lang hatte er gar (laut Engines) elf Mehrbauern. Dieser Moment war der 40. Zug – das erklärt vielleicht, warum Mamedov patzte und warum Petrosian nicht davon profitierte. Für Kovalev lief es anfangs gar nicht, nach drei Runden nur 1/3 – Niederlage gegen Jungstar Abdusattorov. Nun hat er 3/5 bei ziemlich schlechter Wertung. Das gilt auch für den bereits erwähnten Daniil Dubov, der mit zwei Remisen begann und dadurch bisher noch keine elostarken Gegner hatte.
Kurzer Blick auf den Rest der Schachwelt: Dubov hatte gerade ein „Erfolgserlebnis“ – FIDE verkündete die Teilnehmer der Grand Prix Serie. Dreimal steht da nach Elo sortiert ganz unten Daniil Dubov, das vierte Mal „Israeli Nomination“. Dubov hatte durchgehend etwas weniger Elopunkte als z.B. der nicht berücksichtigte Fedoseev, offenbar bekam er eine Wildcard für die gesamte Serie. Damit haben sich auch Spekulationen, ob Nisipeanu in Hamburg mitspielen darf, erledigt. [Die laufende $$$ Schnell- und Blitzschach-Show in Saint Louis ignoriere ich].
Zurück nach Moskau, war da noch was? Diverse IMs halten Kurs auf GM-Normen, aber da warte ich ab wer auch am Ende TPR 2600 oder mehr hat. Aus deutscher Sicht: Donchenko und Svane spielen ordentlich mit, beide im Eloplus. Donchenko nach Auftaktsieg mit vier Remisen gegen nominell bessere Gegner, Svane spielte dagegen in Runde 2 gegen Sasikiran und ist demnach nicht ungeschlagen. Aber die „Pflichtaufgabe“ IM Warmerdam löste er dann, und danach zwei Elo-positive Remisen. Mamedov, Nabaty und (Blick auf Runde 6) Wang Hao bekamen die deutschen Spieler jeweils im Doppelpack, demnach ist eine Paarung aus Runde 7 bereits bekannt: Svane spielt gegen Dubov, da dieser in Runde 6 gegen Donchenko spielt. Es kann auch anders kommen, das ist sicher der Fall wenn Svane oder Donchenko oder beide in Runde 6 nicht Remis spielen.
Ich werfe nach wie vor auch einen Blick auf niederländische Teilnehmer, aber da gibt es wenig Gutes zu berichten, also lasse ich es.
Wie geht es weiter? Mit den Spitzenpaarungen Tabatabaei-Sasikiran, Kulaots-Chigaev, Zhou Jianchao-Martirosyan, Antipov-Wei Yi und Deac-Fier. Wang Hao-Svane und Dubov-Donchenko hatte ich ja bereits.
More Stories
21. Bad Königshofen OPEN 2024
Laras Blog: Leer Open 2024 – Dominik gewinnt das B-Turnier!
Titas Stremavicius gewinnt die 27. OIBM, GM-Norm für Marius Deuer
Elf Mann punktgleich vorne, Deuer vs. Kollars um GM-Norm und Turniersieg (OIBM, 8. Runde)
Dmitrij Kollars alleine vorn (OIBM, 6. Runde)
Kein Favorit zu sehen (OIBM, 5. Runde)