Ein Beitrag von Karlheinz Vogel – Nachdem es Arik Braun im Vorjahr als erstem gelang seinen Titel zu verteidigen, hatte er diesmal keine Chance: er war nicht da. Mario Born, der für seine kurzen und knackigen Ansprachen bekannt ist, begann mit einer Ehrung. Denn unter den Teilnehmern befand sich Annmarie Mütsch, die in Porto Carras U16-Weltmeisterin wurde. Als Belohnung bekam sie vorab einen Meter Schokolade. Wie im Vorjahr spielte auch Marius Deuer im B-Turnier mit. Er kam mit der Empfehlung 10. der U10-Weltmeisterschaft in Santiago de Compostela zu sein und brachte knapp +180 ELO-Punkte allein aus diesem Turnier mit. Das katapultierte ihn in den erweiterten Favoritenkreis auf Startrang 15.
Dass das Turnier kein Selbstläufer für einen Favoriten werden würde, zeigt sich schon daran, dass Teilnehmer aus China, Dänemark, Turkmenistan, Indien, Ukraine, Moldawien, Schweiz, Serbien, Ungarn, Frankreich, Italien, Singapur, Niederlande, USA, Belgien, Malaysia, Nigeria, Türkei, Irland und Deutschland, also aus ca. zwanzig Ländern da waren. Nach Titelträgern sortiert ergibt sich folgendes Bild: 4 GM, 13 IM, 31 FM, 5 CM, darunter eine Frau und das war noch nicht Annmarie Mütsch, die ihren WIM-Titel durch den Sieg bei der U16-Weltmeisterschaft gewann, aber wohl noch nicht offiziell führen darf. Auch nach Alter kann man sortieren: Von den 147 Teilnehmern waren zwei jenseits der 70 noch stark genug fürs A-Turnier waren, dagegen mischten am jungen Ende ein neunjähriger Inder (Startrang 88), zwei Elfjährige aus Singapur und Wiesbaden (87 und 129), sowie vier Jungs im Alter von zwölf – davon drei aus dem Ausland (64, 119, 123 und 128) die Tabelle auf. Der letztjährige titellose „Überraschungs-Inder“ Panneerselvam, mittlerweile 16, grüßte als IM und griff in den Titelkampf ein.
Zwei Kuriositäten aus Runde 1: Der dem Setzlistenersten Qun Ma (ELO 2620) zugeloste Gegner erschien nicht. Grund war ein Krankheitsfall in der Familie und dass man darüber eine Abmeldung beim Turnier vergisst, kann vorkommen. Eine direkte Folge war das erste Remis nach zehn Zügen. Dadurch, dass sich die Paarung nicht verschob, musste FM Max Arnold (Ettlingen) gegen seine Freundin antreten – das ist Daniel Fridmann in Gibraltar auch schon passiert, dass er in Runde 1 gegen seine Frau Anna Zatonskih spielen musste.
Ansonsten waren die Spielstärkeunterschiede in Runde 1 so groß, dass es an den ersten 20 Brettern nur einen Ausreißer gab: der Oberligaspieler Samuel Schröter vom Ausrichter SC Böblingen besiegte IM Benedict Krause. Nach Runde 2 gab es immerhin noch 19 Spieler mit der maximal möglichen Punktzahl.
Dramatisch wurde es in Runde 3 an den ersten beiden Brettern: da bekamen es die beiden 2600-er GMs mit FM Adrian Gschnitzer (2374, Walldorf) und FM Thomas Höfelsauer (2370 sowie 2 IM-Normen hat der für München Südost spielende Doktorand bereits). Gschnitzer hatte die Option gegen den GM auf zwei Ergebnisse zu spielen, Qun Ma gab deshalb die Qualität und bekam einen Bauern und etwas Spiel. Gschnitzer wich der Zugwiederholung aus „Wenn ich gegen einen 2600er-GM eine solche Chance habe, kann ich doch kein Remis machen“. Aber sein Mut wurde nicht belohnt, er verlor im Endspiel. Ähnlich und doch anders erging es Thomas Höfelsauer gegen Mads Andersen: er schaffte ein Ungleichgewicht, indem er zwei Figuren gegen Turm und zwei Bauern gab. Dafür bekam er einen bedrohlich weit vorgerückten a-Bauern am Damenflügel. GM Andersen gelang es seine Läufer so zu positionieren, dass sie nach hinten den Laden zusammen hielten und nach vorne den gegnerische König bedrohten, so dass schließlich ein Läuferopfer die Entscheidung zu Gunsten des GMs erzwang. Beide Partien waren ein Kampf auf Augenhöhe und beiden Verlierern gebührt höchster Respekt für ihren großartigen Kampf.
In Runde 4 rang Qun Ma den turkmenischen Meister Annaberdiev nieder, während es Andersen mit seinem Landsmann, IM Bjørn Møller Ochsner zu tun bekam. Erwartungsgemäß taten sich beide nicht weh und remisierten, so dass neben Qun Ma nur noch Leon Mons (MSA Zuzwang) bei 4 aus 4 stand.
Zwangsläufig wurden Leon Mons und Qun Ma in Runde 5 gegeneinander gepaart, das Ergebnis war ein Remis. Dafür gab es Entscheidungen an den Brettern 2 – 5. Bis auf Brett 2 gewann jeweils der elostärkere Spieler. Leidtragender an Brett 2 war Andersen gegen Panneerselvam.
Das ergab für Runde 6 zwei Paarungen von Spielern mit 4,5 Punkten sowie drei Paarungen von Spielern mit 4 Punkten: Ma siegte gegen Dann, Panneerselvam und Mons remiserten, während sich an den nächsten drei Brettern die Favoriten durchsetzten. Auch wenn Annmarie Mütsch verlor, aber dass sie so weit vorne mithalten kann, sollte sie in Runde 7 erneut unter Beweis stellen.
In der gab es an den ersten zehn Brettern nur drei entschiedene Partien: An Brett 5 unterlag Miller gegen Ochsner, an 7 kämpfte sich Gschnitzer wieder in die Spitzengruppe vor und an 10 zauberte Mütsch gegen Mu, der zwar titellos ist, aber auf Grund seiner Spielstärke zum erweiterten Favoritenkreis gehörte.
Somit wurde Runde 8 zur Runde der Entscheidungen mit nur einem Remis bei den Top Ten: Ma – Noe, Ochsner – Mons und Annaberdiev – Gschnitzer endeten alle 1-0, an 4 und 5 siegten die IMs Panneerselvam und Dann jeweils mit Schwarz.
Vor der letzten Runde zeichnete sich bereits ab, dass Qun Ma durch ein schnelles Remis mit Weiß gegen den dänischen IM Bjørn Møller Ochsner den alleinigen Turniersieg unter Dach und Fach bringen konnte. Dem Dänen war es recht, denn ein Sieg mit Schwarz gegen den bärenstarken Chinesen wäre schwer geworden, und das Remis genügte nicht nur für den geteilten zweiten Platz, sondern auch für eine GM-Norm. Die einzigen, die noch mit Qun Ma hätten gleichziehen können, waren der 16-jährige Inder Iniyan Panneerselvam und Meilis Annaberdiev aus Turkmenistan, aber auch die Partie zwischen diesen beiden dauerte nicht lange: Dem Inder genügte das Remis zur GM-Norm, und Annaberdiev wollte mit Schwarz auch nichts mehr riskieren. So kamen beide ebenfalls auf 7 Punkte und den geteilten zweiten bis vierten Platz. Von den 7 Spielern mit 6,5 Punkten hatte Matthias Dann die beste Wertung, gefolgt von Andersen, Noe, Carow und Schitco. Beste Jugendliche waren Panneerselvam, Schitco und Olsen, der Damenpreis ging an Annmarie Mütsch und bester Senior wurde GM Kostic.
Das B-Turnier wurde überlegene Beute von Michael Diesenhof (Kaiserslautern), der nur ein Remis abgab und deutliche 1,5 Punkte Vorsprung vor den Verfolgern Narr, Deuer, Konstantinowskij und Chen hatte. Apropos Marius Deuer: da muss man wohl kein Prophet sein, um voraussagen zu können, dass er im nächsten Jahr als Elfjähriger wohl im A-Turnier antreten wird.
Auch in der C-Gruppe gab es mit Michael Heid einen klaren Sieger: 7 Siege bei zwei Remis bedeuten einen ganzen Punkt Vorsprung. Das Besondere: Heid ist Jahrgang 1957, hatte bisher weder Verein noch Wertungszahl, es war also sein erstes offizielles Turnier – und dann gleich so ein Ergebnis.
Nochmals zu den Normen: neben den GM-Normen von Ochsner und Panneerselvam schaffte Jonah Krause (St. Pauli) noch eine IM-Norm. Möglich wurde dies durch den hervorragenden Hauptschiedsrichter Jens Wolter, der IM Thomas Oparaugo (Nigeria) überzeugte, nicht nach Runde 7 auszusteigen. Dafür sei beiden herzlich gedankt. Denn als Regelunkundiger wusste ich nicht, dass bei einem Turnier dieser Größenordnung zehn ausländische Titelträger für eine Norm notwendig sind. Und ohne den Einsatz von Herr Wolter und dem zu Ende spielenden IM Oparaugo wären es nur derer neun gewesen.
und wer mehr Partien, Bilder oder Tabellen sehen möchte, findet sie hier:
Ach ja: Mario Born hat sich eben das komplette Hotel für das nächste Weihnachtsopen gesichert!
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