Von André Schulz
Nachdem das Schachspiel sich im Bürgertum etabliert hatte, trafen sich die Schachfreunde in den Cafés der europäischen Metropolen. Das berühmteste „Schachcafé“ war das Café de la Régence in Paris. Man findet es dort heute noch, in der 167 Rue Saint-Honoré, mitten in der Innenstadt der französischen Metropole. Über das Café ist schon viel geschrieben worden. Berühmte Schachspieler gingen hier im 18. Jahrhundert ein und aus. Es ist die Zeit der Aufklärung und das rationale Schachspiel passte gut in den Zeitgeist. Beim Schach wurde über Gesellschaft und Politik debattiert und im Café de la Régence wurde beim Königsgambit auch die Französische Revolution ausgeheckt. Heute bekommt man hier noch Café, aber Schach spielen ist nicht mehr gern gesehen.
In Deutschland gab es in den großen Metropolen ebenfalls reichlich Schachcafés, in denen auch, aber natürlich nicht nur Schach gespielt wurde. Nach englischem und französischem Vorbild formten sich auch in Deutschland hier die „Clubs“. Als ältester deutscher Club gilt die Berliner „Montagsgesellschaft“, 1749 gegründet, später auch Montagsclub genannt. Er hatte im Laufe der Zeit in verschiedenen Lokalen und Cafés seinen regelmäßigen Treffpunkt. Man sprach ungezwungen über gesellschaftliche und politische Themen. Lessing gehörte zu seinen Mitgliedern. Im Gästebuch trugen sich später Geistesgrößen wie Goethe, Fichte, Hegel oder Humboldt ein. Frauen waren nicht zugelassen. Glückspiele waren verboten. Schach spielen war ausdrücklich erlaubt.
Die in dem Beitrag wiedergegebene Partie Dufresne-von der Lasa ist nicht „ca. 1848“ gespielt worden, sondern 1857, als „der Legationsrath v. Heydebrandt und der Lasa die Berliner Schachgesellschaft mit einem längeren Besuche“ beehrte („Schachzeitung“ 1857, S. 135); sie wurde in der „Schachzeitung“ 1857 auf den Seiten 138-139 abgedruckt. Schulz nennt als Quelle die „Chessbase Mega 2020“, die sich wiederum auf Dufresnes Schachrubrik in der illustrierten Zeitschrift „Ueber Land und Meer“ bezieht, wo die Partie nicht datiert ist.
Der Beitrag zeigt, wie „Schachkultur“ gerade NICHT betrieben werden sollte: eine Partie wird aus einer Datenbank zitiert, deren Ungenauigkeit in Detailfragen allgemein bekannt ist. Eine ergänzende Literaturrecherche wird NICHT durchgeführt – mich hat es gerade einmal fünf Minuten gekostet, die Partie in der „Schachzeitung“ aufzufinden -, so dass eine Falschangabe munter weiterverbreitet wird. Dem Amtsvorgänger von Schulz, Herrn Dr. Michael Negele, wäre ein solcher Lapsus gewiss nicht unterlaufen. Im übrigen erscheint es fragwürdig, dass ein Funktionsträger des Deutschen Schachbundes seine ehrenamtliche Tätigkeit dazu benutzt, für ein Produkt seines Arbeitgebers Schleichwerbung zu betreiben. Man sollte meinen, dass im DSB spätestens nach der Causa Jordan so etwas wie Compliancekultur aufgebaut worden wäre.