November 28, 2024

Firouzja, plötzlich Caruana, Eljanov und Roven Vogel

Das sind die Spieler, die momentan in Wijk aan Zee vorne liegen – jedenfalls einige davon, neben dem „Qualifier“ für das B-Turnier 2021 gibt es noch vierundfünfzig weitere Amateurgruppen. Beim Titelbild gehe ich mal mit dem allgemeinen Hype und gebe es dem Ex-Iraner Alireza Firouzja. Alle Fotos wieder von Alina l’Ami, ab Turnierseite auf Facebook.

Das ist der Zwischenstand bei den Masters: Caruana und Firouzja 5.5/8, So und Jorden van Foreest 5, Duda und Carlsen 4.5, Dubov, Giri, Artemiev 4, Anand 3.5, Xiong 3, Vitiugov, Yu Yangyi, Kovalev 2.5. Der mitdenkende Leser erkennt, dass Carlsen tatsächlich eine Partie gewonnen hat. Zwischenzeitlich sah es während Runde 8 dnach aus, als ob er damit punktgleich mit einem Ex-Weltmeister und zwei Vize-Weltmeistern (insgesamt zwei Spieler) wäre, aber Caissa oder wer auch immer wollte es anders.

Statt Runde für Runde Spieler für Spieler (nicht alle), aber erst ein paar Fotos vom Ausflug nach Eindhoven in Runde 5:

Im Hintergrund erkennt man: Austragungsort war das Fussballstadion von PSV Eindhoven. Carlsen hat sich ins Zentrum gemogelt, im Mittelpunkt der Runde stand dann u.a. der von hinten fotografierte Alireza Firouzja.

Giri war dem Anlass entsprechend sportlich gekleidet.

Interviews gab es auch, erstaunlicherweise war auch der Remisspieler Magnus Carlsen dazu bereit.

Anand hatte Grund zu guter Laune, im Prinzip das einzige Mal im bisherigen Turnier. Französisch (die Eröffnung) beherrschte er mit Weiß viel besser als sein Gegner Jeffery Xiong, also 1-0 für Indien.

Jorden van Foreest – seine Partie gegen Caruana bot reichlich Gesprächstoff: Ausnahmsweise war er mal nicht gut vorbereitet und stand daher aus der Eröfnung heraus schlecht. Immerhin eine Mehrfigur, die der Gegner geopfert hatte – aber das war auch die einzige gute Nachricht. Irgendwie überlebte er und stand dann gar besser. Caruana erkundigte sich, ob er denn mit Remis einverstanden sei, Jorden war einverstanden.

Es fehlt noch der zweite Sieger bei der Auswärtsrunde neben Anand. Aber Caruana hat momentan die bessere Wertung und wurde bereits im Text erwähnt, also beginne ich mit ihm:

Gegen Jorden van Foreest war mehr drin, aber auch weniger. Tags darauf hat die Partie gegen Carlsen stattgefunden und endete Remis, hiermit erwähnt. Und dann:

Bei Caruana-Dubov hatte Schwarz zwar einen Mehrbauern, aber nur Weiß Gewinnchancen. Am Ende hat Caruana seinen Gegner ausgesessen oder überspielt oder beides, jedenfalls 1-0. Dafür gibt es jedenfalls Fleißpunkte.

Runde 8 (aus der es momentan nur wenige Fotos gibt) gegen Anand war dann eher ein Lotteriegewinn. Beide spielten die Eröffnung abseits gängigster Theorie, Vishy opferte dann einen Bauern und gewann eine Qualität. Das war (für Engines) dynamisch ausgeglichen, bis Caruana in der Zeitnotphase falsch die Damen tauschte. Nun stand Anand im Endspiel besser bis gewonnen. Erst übersah er wohl dann einen gegnerischen Trick, dann unterschätzte er weisse Freibauern und verlor gar noch.

Zur Erinnerung: Caruanas erster Sieg in Runde 3 gegen Yu Yangyi war auch unnötig, bzw. die Niederlage war aus chinesischer Sicht unnötig. Yu Yangyi agierte generell unglücklich, zwei weitere Endspielniederlagen (Runde 1 gegen Jorden van Foreest, Runde 8 gegen JK Duda) waren womöglich auch vermeidbar. Gegen Firouzja stand er in Runde 6 besser, aber nicht gut genug – remis. Davor und danach konnte der Ex-Iraner voll punkten.

In Eindhoven besiegte er Anish Giri, mein Eindruck von dieser Partie: Giri tat mit Schwarz alles, um die Partie interessant zu machen, und landete irgendwie dann in einem verlorenen Bauernendspiel. So unfair oder ungerecht kann Schach sein, das kenne ich auch auf meinem Amateurniveau. Natürlich gab es auch andere Meinungen – die könnten daran liegen, dass Firouzja populär ist und Giri eher nicht. Er kontert norwegische Arroganz mit authentischem Humor, das ist (durch die Carlsen-Fanbrille betrachtet) Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung, das geht gar nicht.

Firouzjas zweiter, insgesamt vierter Sieg gegen Xiong erforderte viel Geduld, war dabei geradliniger als Caruana-Dubov 1-0 in derselben Runde. Carlsen will schon wieder ebenfalls fotografiert werden, oder interessiert ihn etwa die Stellung auf dem Brett?

Spitzenpaarung in Runde 8 war damit nicht etwa das bereits erwähnte Caruana-Anand, sondern Jorden van Foreest gegen Firouzja. Aber auch bei ihm gehe ich chronologisch vor und zeige ihn zunächst individuell:

Den Spaziergang auf der Bühne beherrscht er ebenso wie etablierte Weltklassespieler/Stammgäste in Wijk aan Zee. Und auch sonst konnte er ihnen voll Paroli bieten:

Nach Plusremis gegen Carlsen (Zeitraum des ersten Berichts) und turbulentem Remis gegen Caruana (siehe oben) auch ein ungefährdetes Remis gegen Vishy Anand.

Spannender war die Partie gegen Vitiugov, da er selbst für Spannung sorgte. Er überraschte den Französischkenner Vitiugov mit … Französisch, der im Turnier insgesamt unglücklich agierende Russe verbrauchte früh Bedenkzeit und hat im 10. Zug einen Bauern wohl eher eingestellt als geopfert. Der Rest war Technik für Schwarz? So schien es zunächst, zumal daraus dann drei Mehrbauern wurden. Vitiugov opferte einen vierten Bauern, dahinter stand ein gemeiner Trick: einen Freibauern hatte er noch, und der kostete Schwarz eine Figur. JvF musste die Partie erneut gewinnen, am Ende schaffte er das mit Läufer und sechs Bauern gegen Läuferpaar und Bauer.

Dann der Showdown gegen Firouzja. Noch folgen sie hier bekannter Theorie, im sechsten Zug entkorkte Jorden dann 6.Tg1!? gegen Najdorf-Sizilianisch. Nicht ganz so exotisch wie 6.Ld2!???! von Bruderherz Lucas im B-Turnier (das ich eher kurz streifen werde), das holte er mit 11.Kd1!?? nach – ohne zu zögern, offenbar war das noch seine Vorbereitung. Nach 12 Minuten konterte Firouzja dann mit 11.-Tg8, das war dabei wohl der beste Zug in dieser Stellung. Spätestens nach dem ebenfalls quasi erzwungenen 13.-Tb8 war es beiderseits Kramnik-Schach – der nach Tata Steel 2019 plötzlich aber nicht unerwartet zurückgetretene Russe will ja das Rochaderecht abschaffen. Später wurde es remis.

Jorden hat damit nun 5/8, letztes Jahr hatte er insgesamt 4.5/13. Für derlei Fortschritte bekommt er noch ein individuelles Foto:

Auch der Bart ist schon Weltklasse – zumindest annähernd, Fortschritte möglich. Jorden hat das bereits hinter sich, was Firouzja nun bevorsteht: den Dreierpack Carlsen-Caruana-Anand in drei aufeinander folgenden Runden.

Zum mit Jorden van Foreest punktgleichen Wesley So nur so viel: Nach zwei Ausrutschern (Siege in Runde zwei und vier) machte er wieder das, was er am liebsten macht und am besten kann: Remis spielen. Dafür gibt es kein Foto.

Das Publikum interessiert sich wohl auch für Magnus Carlsen, daher ein paar Worte zu ihm: Sieben Remisen in sieben Runden waren durchaus unterschiedlicher Art – mal war praktisch gar nichts los, mal stand er zuvor schlecht.

Carlsen-Caruana (s.o.) war aus der ersten Kategorie, Anand-Carlsen dann aus der zweiten. Und dann doch ein Sieg:

Carlsen-Vitiugov 1-0 war ähm äh in Reinkultur: 6. ähm äh d3 gegen Spanisch ist noch relativ gängig, 8. ähm äh Ld2. Später schaffte es Vitiugov, eine völlig akzeptable Stellung in wenigen Zügen zu ruinieren. Geht Carlsens Plan doch noch auf? Gegen van Wely konnte er dieses Jahr nur im Fussball gewinnen, gegen van Foreest gar nicht (bzw. auch im Fussball), dann eben gegen Vitiugov – dessen Nachname ja auch mit v beginnt. Mit Dank an Nepomniachtchi, der vom Turnier zurück trat – nur deshalb ist Vitiugov dabei.

Abschliessend (betrifft Masters) noch ein Bühnenfoto aus Wijk aan Zee.

Und nun zu den Challengers, Zwischenstand: Eljanov 5.5/8, Anton Guijarro, l’Ami, Ganguly, Grandelius 5, Mamedov 4.5, Lucas van Foreest, Abdusattorov, Keymer, Smeets, Nihal Sarin 4, Smirnov 3, Saduakassova und Warmerdam 1.5. Mamedov und Ganguly konnten durchaus die Plätze tauschen, dafür musste der Azeri im direkten Duell -Td3!! finden, im 30. oder auch im 31. Zug. Auch danach stand er zunächst noch besser, aber erlaubte dem Gegner zu viel Aktivität und musste mit zwei Mehrbauern die Züge wiederholen.

Nun führt Pavel Eljanov – Siege gegen Smirnov und Warmerdam, zuvor bereits in Runde 1 gegen Keymer. Aber noch ist in der B-Gruppe alles offen: die letzten Jahre war es dagegen – so zumindest meine Erinnerung – oft ein Zwei- bis Dreikampf, oder ein Spieler dominierte total. Eljanov spielt im Restturnier noch gegen Anton Guijarro, Ganguly und l’Ami, es gibt auch noch einige direkte Verfolgerduelle.

Smeets zeige ich, da einige vielleicht nicht wissen, wie er aussieht – dabei hat er noch dieselbe Frisur wie bei früheren Auftritten in Wijk aan Zee.

Vincent Keymer – dieses Foto natürlich gestellt – hat sich nun auf 50% verbessert. Ob es dabei bleibt wird sich zeigen – er hat ein relativ schweres Restprogramm.

Am Tabellenende zeigen sich zwei Dinge: der Aufsteiger aus der höchsten Amateurgruppe hat oft einen schweren Stand, seit die C-Gruppe vor einigen Jahren abgeschafft wurde. Damen sind bei Einladungen oft mehr wert als ihre Elozahl, aber am Brett zählt nur die Spielstärke – auf anfangs drei Remisen folgten für Saduakassova fün Niederlagen.

Teil eins des letzten Absatzes sollte Roven Vogel nicht entmutigen: Momentan führt er im „Qualifier“ mit 3/3. Kontersieg zu Beginn gegen den potentiellen Konkurrenten Thomas Beerdsen, lockerer Schwarzsieg gegen NL-Altmeister Fred Slingerland (er ist wohl besser als meinereiner, ich hatte gegen diesen IM mal im Schnellschach verloren) sowie etwas kurioser Arbeitssieg gegen den Inder IM Akash: nach 41 Zügen hatte er eine Mehrfigur, nach 84 Zügen dann den vollen Punkt – Computer sagten durchgehend mindestens +3, aber es war nicht einfach, das am Brett zu beweisen.

Abschliessend noch ein paar Fotos mit vielen, mir unbekannten Schachfreunden:

Turniersaal von der Bühne aus fotografiert, damit vorne die stärksten Gruppen (Niveau 2000+). Die beiden Herren vorne links haben wohl denselben Kleidungssponsor und auch denselben Friseur.

Livekommentar gab es nicht nur im Internet, sondern auch vor Ort – im Cafe de Zwan, ca. 100 Meter vom Hauptschauplatz entfernt.

Zurück dorthin, Kinder in der ersten Zuschauerreihe (da ist der Frauenanteil deutlich höher als dahinter und auf allen anderen Fotos).

Einer durfte auch auf die Bühne. Den Herrn links kenne ich (bin ihm auch schon persönlich begegnet), der Herr in der Mitte ist Bürgermeister, den Herrn rechts kenne ich (auch) nicht.

Einer durfte vor der achten Runde auch (kurz mal) Lärm machen. Das ist Ihor, Sieger „Future Champions of Europe“ – aber dazu habe ich nicht recherchiert.

Wie geht es weiter? Montag ist Ruhetag, Dienstag u.a. Firouzja-Carlsen.