„Meine letzte Chance, nach dem Titel zu greifen“, sagte Vladimir Kramnik vor dem Kandidatenturnier 2018, für das er einen Freiplatz bekommen hatte. Heute erscheint diese Aussage in einem anderen Licht. Wahrscheinlich reifte schon seinerzeit der Entschluss in ihm, das professionelle Schach an den Nagel zu hängen. Als Kramnik jetzt in Wijk an Zee diesen Entschluss verkündete, sagte er, sein Rücktritt stehe schon lange fest. Er habe ihn nur noch nicht öffentlich machen wollen.
Vor fast 30 Jahren begann Vladimir Kramnik, Schritt für Schritt den Gipfel des Weltschachs zu erklimmen. Vor fast 20 Jahren kam er oben an. Kramniks Matchsieg 2000 gegen den hochfavorisierten Garry Kasparow, sein einstiger Lehrmeister, bescherte ihm den Titel, einen von zweien seinerzeit. Als er sieben Jahre später das WM-Match gegen Visvanathan Anand verlor, war damit der Titel wiedervereinigt. Allein diese zwei Stationen zeigen, in welchem Maß Kramnik die jüngere Schachgeschichte bestimmt hat.
Der arme Mann leidet unter einer offenbar richtig fiesen Form von Rheuma. Vor einigen Monaten hoffte er, dagegen da Richtige gefunden zu haben. Aber jedes (mir) bekannte Mittel verringert mindestens die Konzentration; das reichte dann womöglich für die völlig überschätzte Bundesliga, aber nicht mehr für die Topf Ten – und einer, der noch kurz zuvor the Champion of the World war, darf sich mit einem lauen Remis im – von Klang her – Irgendwo von Hofheim, Aachen, Augsburg und Kiel nicht zufrieden geben, egal, wie hoch es bezahlt wird.
Herr Kramnik hat eine nette Familie, wird Sehnsucht haben, endlich zur Ruhe zu kommen und könnte vielleicht irgendwann eine Firma gründen, die das ungesunde Monopol von ChessBase zu knacken hülfe – oder er schreibt Bücher (Vorschlag: „Thousand thoughts about the Leading Hotels in the World by suffering experiences“).
Mit ihm geht ein sympathischer, ruhiger Spieler, kein sinister Blitz-Zocker wie mancher russischer Kandidat; Schade! Er wird dem Schach fehlen.
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