Damit hatte wohl niemand gerechnet, er selbst auch nicht – aber es war insgesamt verdient, wenn auch in den entscheidenden letzten Runden etwas glücklich. Auf dem Titelfoto blickt er noch etwas skeptisch drein, es wurde während der letzten Runde aufgenommen – vermutlich bevor der nach oben gespülte David Howell ihn plötzlich beschenkte, eventuell gar doppelt. Aber ein Remis hätte letztendlich auch gereicht, zwar nicht für den geteilten Turniersieg aber doch fürs Kandidatenturnier – Platz zwei nach Wertung hinter dem vorqualifizierten Caruana.
Das war der Endstand: Wang Hao und Caruana 8/11, Alekseenko, Aronian, Anton, Carlsen, Nakamura, Vitiugov 7.5, Grischuk, Paravyan, Howell, Vidit, Le Quang Liem 7, usw. – dabei belasse ich es, auch wenn noch viele bekannte Namen fehlen und auch wenn es für Platz 14-42 (so viele hatten 6.5/11) noch etwas Preisgeld gab. Mehr gab es wieder für 50% oder weniger – Voraussetzung weiblich, Saduakassova und Harika wurden dafür am besten entlohnt.
Da die Fotos auf der Turnierseite unglaublich langsam laden, habe ich mich auf Twitter bedient – fotografiert hat wohl weitgehend John Saunders.
Wang Hao begann stark – 3/3 hatte außer ihm nur Caruana – hat dann etwas nachgelassen, vor allem in Runde 7, und gewann zum Schluss nochmal doppelt. Seine hervorragende Wertung (gegnerischer Eloschnitt 2735) verdankt er dem starken Start. In dieser Beziehung war nur Caruana, der für die hohe eigene Elozahl „bestraft“ wurde, gleichwertig.
Turmendspiele muss er noch üben, sonst wäre es vielleicht nicht bis zur letzten Runde spannend geblieben. Erst vergeigte er eine Remisstellung gegen Aronian. Da musste er am Ende im Remissinne „nur“ gegen zwei übliche Regeln verstossen: generell gilt in Turmendspielen „Turm für Scachgebote möglichst weit weg vom gegnerischen König“, und in praktisch allen Endspielen „mit Minusbauer Bauern tauschen, aber keine Figuren“ – dies was die Ausnahme, ein mögliches Bauernendspiel nach Turmtausch wäre remis (bzw. das entstehende Damenendspiel wäre remis). Im höheren Sinne war allerdings der kurz zuvor angestrebte Bauerntausch (Aronian war nicht einverstanden) falsch: Wang Hao wollte Klarheit und bekam sie – anders als geplant. Und dann hatte sich Wang Hao in Runde 9 gegen Vitiugov mühsam-geduldig ein gewonnenes Turmendspiel erarbeitet, gewann es jedoch nicht.
Wenn das „Pech“ war (ich sage: im Schach gibt es kein Pech, man ist immer selber schuld) dann hatte er in den beiden letzten Runden durchaus Glück: Erst verlor Anand plötzlich den Faden, und dann machte Howell in total ausgeglichener Stellung (Remis schien unvermeidlich) einen Fehler, für den sich auch Amateure schämen sollten [etwas ähnliches produzierte ich im letzten Mannschaftskampf und schäme mich dafür]. Eventuell hatte Howell selbst dnach noch eine Art Festung mit Turm und Läufer gegen Dame, aber nach seinem 18. war auch der 24. Zug ausgesprochen suboptimal.
Hier hatte Howell dann genug gesehen.
Remis hätte allerdings für Wang Hao gereicht, da diese beiden Russen ebenfalls Remis spielten – Alekseenko (links) konnte gegen Vitiugov (rechts) einen Mehrbauern im Springerendspiel nicht verwerten. Die hochkarätigeren Duelle endeten schon zuvor Remis – Weißspieler Nakamura versuchte es gegen Caruana nicht wirklich, Weißspieler Aronian versuchte es gegen Carlsen durchaus.
Da Caruana seine Favoritenrolle bestätigte, auch ein paar Worte zu ihm: insgesamt souveränes Turnier, wobei er in Runde 5 mit Remis gegen McShane sehr gut bedient war – er war diesbezüglich fast gleichwertig mit Carlsen, der aus zwei Verluststellungen noch 1,5 Punkte holte. Gegen David Anton profitierte er davon, dass der Spanier noch nicht das Zeug zum Weltmeister hat: Manchmal ist Nichtstun angesagt, aber David Anton forcierte gegen Caruana mit 23.-a4 die Ereignisse. Falsch war es nicht unbedingt, in den entstehenden Verwicklungen hatte er durchaus noch Remischancen, aber nutzte sie dann nicht.
Alekseenko hatte ich bereits im letzten Bericht, auch er überraschte positiv – bzw. Landsmann Karjakin überraschte er in der vorletzten Runde negativ: Sieg für Alekseenko, fehlende Stallregie im russischen Lager? Aronian startete langsam, dadurch hätte angesichts relativ schlechter Wertung am Ende auch ein Sieg gegen Carlsen nicht für einen Platz im Kandidatenturnier gereicht. Über Carlsen könnte man Romane schreiben, das machen andere zur Genüge. Nakamura begann noch langsamer, erst spät realisierte er dass es für Remis nur einen halben Punkt gibt, nicht etwa einen anschliessenden Stichkampf in seinem geliebten Schnell- und Blitzschach. Plötzlich war er doch im Rennen, aber es wäre absurd gewsen, wenn er sich für das Kandidatenturnier qualifiziert hätte: starke Gegner nur in den letzten beiden Runden. Das galt ähnlich für Vitiugov, der aber ohnehin nicht zum engeren Favoritenkreis zählte.
Ich schliesse ab mit Fotos der beiden Damen, die für 50% mit 9.000$ reichlich belohnt wurden:
Dronavalli Harika
Dinara Saduakassova (Interview durch Fiona Steil-Antoni). So nach Wertung sortiert, Gegnerschnitt 2653 zu 2650 – für Saduakassova also auch eine GM-Norm über 11 Partien. Das war Platz 83 und 85, auch für Platz 134 von 154 gab es noch ein bisschen Preisgeld. Harika und Saduakassova hatten immerhin durchweg starke männliche GMs. Andere Damen punkteten vor allem gegen Damen, Senioren-Weltmeister, Lokalmatadoren von der Isle of Man sowie total formschwache Spieler (vor allem Iturrizaga und Movsesian).
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