Der Kollege spielt Schach, gelegentlich schreibt er darüber (wenn WM ist, darunter macht er es selten). Eigentlich hatte ich ihn in einer ganz anderen Sache um Rat gefragt, aber natürlich landeten wir irgendwann bei unserem gemeinsamen Hobby. Am Rande hatte er die Causa Jordan verfolgt, den DSB-Wahlkampf und auch die eine oder andere geringschätzige Bemerkung über das öffentliche Bild des DSB in einem gewissen Blog. Nun, da er mich am Telefon hatte, wollte er die Dinge im Detail wissen.
Um mir und ihm Vorträge zu Details zu ersparen, habe ich ihm ein altes Dokument geschickt, das seit fast einem Jahr auf meiner Festplatte herumliegt. Entstanden ist es, nachdem ich dem DSB angeboten hatte, Anfang 2019 für eine Zeit beim Output auf allen Kanälen zu helfen. Mein Sportverband sollte nach draußen besser aussehen, und drinnen sollte ein handwerkliches Fundament entstehen, auf dem sich eine ernst zu nehmende Öffentlichkeitsarbeit aufbauen ließe.
„Starthilfe für die Öffentlichkeitsarbeit“ habe ich mein Angebot damals genannt. Anfang des Jahres nach vollzogenem Umzug an den Bodensee würde ich ein wenig Zeit haben, die Herausforderung wäre spannend, der Bedarf offensichtlich, also rief ich einen Freundschaftspreis auf und dachte, meine Offerte sei aus Sicht des DSB ein No-Brainer, nahe einem unverhofften Weihnachtsgeschenk.
Workshop Öffentlichkeitsarbeit: eine erstaunliche Erfahrung
Krasse Fehleinschätzung. Und reichlich naive Vorstellung: Im Oktober Hilfe für Januar anzubieten, so kurzfristig geht das vielleicht in manchen Unternehmen, nicht bei einem Verband mit unzähligen Zuständigkeiten, Instanzen und unübersichtlichen Entscheidungswegen. Das war mir aber nicht klar, ebenso wenig der Umstand, dass das Einholen von professioneller Hilfe beim Schach umstritten ist, unabhängig davon, wie groß die Not und wie günstig das Angebot ist.
Immerhin hat mir das Dokument die Teilnahme am DSB-Workshop „Öffentlichkeitsarbeit“ beschert, eine erstaunliche Erfahrung. Zwei Handvoll freundliche, engagierte, der Sache verbundene Leute am Tisch, alle geeint von dem Ziel, das Schach voranzubringen. Inhaltlich zwar keine zielführende Veranstaltung, dafür war das Spektrum der abzuhandelnden Themen zu breit, aber getragen von einer Aufbruchstimmung. Das passte so gar nicht zum Bild, dass der DSB nach außen abgibt.
Der Workshop produzierte dann ein viele Seiten langes Papier, das seitdem ohne Effekt in irgendeiner Schublade liegt. Die Öffentlichkeitsarbeit wird seitdem genau so gemacht wie bisher, und zwar von den Leuten, die während des Workshops „Öffentlichkeitsarbeit“ als einzige wenig bis gar nichts gesagt haben.
Jeder darf mitwurschteln, das führt zu Peinlichkeiten
Geändert hat sich: nichts. Was auf eine Weise praktisch ist, weil das meiste von dem noch gilt, was ich vor einem Jahr unter dem Eindruck der medial dilettantisch begleiteten Schacholympiade aufgeschrieben habe. Und vielleicht ist die Zeit ganz gut, das Dokument einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, weil im Reigen der Beiträge, Antworten auf Beiträge und offenen Briefe auf dieser Seite die Debatte in eine fatale Richtung läuft: rückwärts. Viel zu oft kommen Zombies aus ihrer Gruft, um Geschichten aus der Kaiserzeit aufzuwärmen. Ich fände wichtig, nach vorne zu schauen und zu überlegen, wie es besser geht.
Heute, in Kenntnis der Abläufe, Strukturen und mancher Beteiligter, würde ich manches anders bewerten als damals. Zum Beispiel erscheint mir heute offensichtlich zu sein, dass im Sinne eines professionellen Erscheinungsbilds nicht länger vom Geschäftsführer bis zur Sekretärin jeder mitwurschteln darf. Daraus entstehen all die Peinlichkeiten der vergangenen Monate, die dem DSB wieder und wieder vorzuhalten ich müde bin.
Konzeptpapiere hat der DSB genug. Jetzt müsste mal jemand sagen, was zu tun ist
Einer muss für den Output auf Social Media, für Beiträge auf der Website und für die Pressearbeit zuständig und verantwortlich sein. Auch für Broschüren, Flyer und dergleichen. Und er muss Gelegenheit bekommen, multimediales Text- und Gestaltungshandwerk zu erlernen. Wenn dann endlich ein Fachmann im Haus ist, kann der sein Wissen und seine Fähigkeiten über die Landesverbände bis in die Vereine verbreiten.
Dem neuen Öffentlichkeitsreferenten würde ich zuvorderst dringend abraten, einen Mammutworkshop mit einer solchen Themenvielfalt wie dem im November 2018 zu wiederholen. Vertane Zeit. Am Ende gibt es nur wieder ein viel zu langes Papier, das ohne Effekt im Apparat versickert. Kleine Workshops sind vonnöten. Zwei, drei, vielleicht vier Leute mit spezifischem Wissen, spezifischem Fokus, die über konkrete Arbeit sprechen.
Konzeptpapiere hat der DSB weiß Gott genug angehäuft in der Vergangenheit. Nötig wären Papiere, in denen steht, was zu tun ist.
Conrad Schormann
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